Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 4/2019

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[Da s Jou r na l ]

04 · 2019

Über HIV-Selbsttests, Aknepatienten und Arzneimittel- und Wirkstoffbezeichnungen

Seite 5 HIV-Selbsttests Seite 11 Aknepatienten in der Apotheke Seite 18 Arzneimittel- und Wirkstoffbezeichnungen

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EDITORIAL

Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor Ihnen liegt die diesjährige zweite Ausgabe unseres Fortbildungsjour- nals, die mit insgesamt drei Beiträgen erneut ein sehr breites Themen- spektrum abdeckt: Da sind zum einen die HIV-Selbsttests, die seit Herbst 2018 direkt von Patienten erworben und durchgeführt werden können. Hierdurch soll das Erkennen einer HIV-Infektion zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erleichtert werden – mit Sicherheit ein wichtiger Beitrag zur Früherken- nung und ein Türöffner für bisher undiagnostizierte Patientinnen und Patienten zu modernen Therapieregimen. Wie diese Tests funktionieren und wie sich die damit verbundenen Herausforderungen in der Apothe- kenpraxis bewältigen lassen, erfahren Sie imAufsatz von Dr. Verena Stahl (Herdecke). Mit einem für die Patientinnen und Patienten sensiblen und zugleich in der Offizin täglich vorkommenden Thema beschäftigt sich Dörte Schröder-Dumke (Wedel) in ihrem Beitrag „Aknepatienten in der Apo- theke“. Die verschiedenen Formen von Akne werden dabei ebenso erklärt wie die Behandlungsoptionen – ganz gleich ob in der Therapie mit Rx- Arzneimitteln oder imweiten Feld der Selbstmedikation. Schließlich geht es darum, die Patienten von diesem multifaktoriellen Hauterkrankungs- bild und damit von einer nicht unerheblichen psychischen Belastung zu befreien oder zumindest die Beschwerden zu linden. In die Tiefen der „Arzneimittel- und Wirkstoffbezeichnungen“ taucht Dr. Helga Blasius (Remagen) in ihrem Aufsatz ein. Darin erklärt die Apo- thekerin den theoretischen Background vieler Arzneimittelnamen und stellt heraus, warum die korrekte Benennung von Arzneimitteln und Wirkstoffen für die Arzneimitteltherapiesicherheit von großer Bedeu- tung ist. Nach der Lektüre können Sie sich wie immer den Lernerfolgskontrol- len zu den Artikeln im internen Bereich unter www.akwl.de stellen und sich damit Fortbildungspunkte sichern. Dort finden Sie übrigens auch die Lernerfolgskontrollen zu den Ausgaben des Journals der vergangenen zwölf Monate.

Gabriele Regina Overwiening Präsidentin der Apotheker- kammer Westfalen-Lippe

Frank Dieckerhoff Vizepräsident der Apotheker- kammer Westfalen-Lippe

Impressum

„Fortbildung aktuell“ der Apothekerkammer Westfalen-Lippe erscheint zweimal jährlich als „Fortbildung aktuell – Themen & Termine“ und zweimal pro Jahr als „Fortbildung aktuell – Das Journal“ Herausgeber: Apothekerkammer Westfalen-Lippe Bismarckallee 25 · 48151 Münster Tel.: 0251 520050 · Fax: 0251 52005-69 E-Mail: info@akwl.de · Internet: www.akwl.de

Redaktion/Grafiken: Dr. Sylvia Prinz

Layout: Sebastian Sokolowski

Autoren dieser Ausgabe: Dr. Verena Stahl, Dörte Schröder-Dumke, Dr. Helga Blasius

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen, Lernen und Punkten!

Titelfoto: Foto: ©New Africa – stock.adobe.com

Mit freundlichen, kollegialen Grüßen

Der Bezugspreis für „Fortbildung aktuell – Themen & Termine“ und „Fortbildung aktuell – Das Jour- nal“ ist für die Mitglieder der Apothekerkammer Westfalen-Lippe im Kammerbeitrag enthalten.

Gabriele Regina Overwiening

Frank Dieckerhoff

Auflage: 7.950 Exemplare

Nachdruck – auch in Auszügen – nur mit schriftli- cher Genehmigung des Herausgebers. Gedruckt auf Papier aus 100 Prozent recycelten Fasern. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier.

AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal /  3

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DR. VERENA STAHL

HIV-Selbsttests Tipps und Wissenswertes für die Beratung

Seit Herbst 2018 können HIV-Tests di- rekt von Patienten erworben und selbst durchgeführt werden. Hier- durch soll das Erkennen einer HIV-In- fektion zu einemmöglichst frühen Zeitpunkt erleichtert werden – mit Si- cherheit ein wichtiger Beitrag zur Früherkennung und ein Türöffner für bisher undiagnostizierte Patienten zu modernen Therapieregimen. Leider wissen nämlich – gemäß Schätzun- gen des Robert-Koch-Instituts – 13 Prozent der HIV-Infizierten in Deutschland nichts von ihrer Infekti- on. Dies sind immerhin circa 11.200 der 86.000 HIV-positiven Menschen, die mangels Risikokenntnis das Virus weiterverbreiten können. Große Hoffnungen ruhen daher auf der neu zugänglichen und niedrigschwelligen Form der HIV-Diagnostik, welche die Testbereitschaft und -frequenz erhö- hen könnte. In vielen Ländern der Welt, so auch in Deutschland, vergeht leider oft eine be- merkenswert lange Zeit, bis eine HIV-In- fektion diagnostiziert wird. Dies liegt da- ran, dass sie oftmals gänzlich unbemerkt verläuft, beziehungsweise zu Beginn mit unspezifischen Symptomen eines viralen Infektes einhergeht (Fieber, makulopapu- löser Hautausschlag (fleckig, mit kleinen Knötchen)) und man dann monate- bis SURVEILLANCE REPORT in the Centre 2 (3.2 per 100 000) (Table A, Fig. A). The main transmissio mode varied by geographical area, illustrati the div rsity in the epidemiology of HIV in E rope. Sexual transmission betwe n m was the most com on mode in the EU/EEA and heterosexual contact and injecting drug use were the main reported transmi - sion modes in the East of the Region. The rate of new diagnoses in the Region was higher among men than women in all age groups, except among people under 15 years. Just over half (53%) of those diagnosed with HIV in 2017 in the European Region were diagnosed at a late stage of infection (CD4 cell count < 350 cells/mm 3 at diagnosis). This percentage was highest in the East (57%), lower in 2 The grouping of countries into the West (23 countries), Centre (15 countries) and East (15 countries) of the WHO European Region is based on pidemiological considerations nd follows the division of countries used in reports published by EuroHIV since 1984: see Annex 1, Figure A1.1 for details.

Dr. Verena Stahl (Herdecke) ist Apothekerin und wurde an der University of Florida als Semi-Resident im landes- weiten Drug Information & Pharmacy Resource Center ausgebildet. Außerdem: berufsbegleitende Dissertation zu einem Thema der AMTS, freiberufliche Tätigkeit u. a. als Autorin für die DAZ und als Referentin für diverse Apothe- kerkammern.

Dr. Verena Stahl Foto: Alois Müller

HIV/AIDS surveillance in Europe 2018 – 2017 data

jahrelang symptomfrei ist. Erst nach Jah- ren der Erkrankung resultiert eine Im- munschwäche mit opportunistischen Infektionen, die Anlass geben, sich näher untersuchen zu lassen. Bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), dauert es hierzulande im Durchschnitt etwa fünf Jahre von der Infektion bis zur Diagnose, bei heterosexuellen Personen sogar noch länger 1 !

MSM mittlerweile immer früher diagnos- tiziert und damit therapiert werden kön- nen. 1 Eine unzureichende Testbereitschaft liegt hingegen bei älteren Personen, Hete- rosexuellen und Personen mit Migrations- hintergrund vor. 1,2 In vielen Fällen ist die Infektionskrankheit bei Erstdiagnose dann bereits so weit fortgeschritten, dass eine simultane AIDS-Diagnose gestellt wird oder das Immunsystem schon derart ge- schwächt ist, dass CD4-Werte unter 350 Zellen/µL Blut vorliegen. Bei dieser Art der Spätdiagnose spricht man von sogenann- ten „late presentern“, sie betrifft bei Erst- diagnose mehr als jeden Dritten, der HIV über eine heterosexuelle Transmission erworben hat (35 Prozent). Bei MSM sind es – trotz abnehmender Tendenz – immer noch circa 30 Prozent 1 (Daten für Europa s. Abb. 1). Folgt man den Idealen der Vereinten Nati- onen, so sollte die AIDS-Epidemie bis zum Jahr 2030 beendet werden. Hierzu müs- sen im Jahr 2020 weltweit die sogenann- ten 90-90-90-Zielvorgaben erfüllt sein. Diese besagen, dass • mindestens 90 Prozent aller HIV-Infi- zierten ihren HIV-Status kennen sollen, • mindestens 90 Prozent aller Diagnos- tizierten therapiert werden sollen und • mindestens 90 Prozent aller Thera- pierten keine Viruslast haben sollen . UNAIDS-Ziel 90-90-90

the Centre (53%) and lowe in the West (49%), while 49% were diagnosed late in the EU/EEA (Table A, Fig. C). Linkage to care, measured as having a CD4 count per- formed a d reported, was assess d among the 26 147 new HIV diagno es in the Regio for whom data on date of diagnosis and date of CD4 count were reported. Among those who were linked to care, 86% had evidence of linkage within three months of diagnosis. This per- centage was highest in the Centre (96%) and lowest in the East (82%); in the EU/EEA, it was 92% (Fig. D). In 2017, 14 703 people were diagnosed with AIDS, as reported in 47 countries 3 of the WHO European Region, and the rate of new diagnoses was 2.3 per 100 000 op- ulation (Tabl A, se also Table 15 in the Tables section). In the EU/EEA, 3130 people were diagnosed with AIDS

Lieber zu früh als zu spät

Erfreulicherweise ist bei homosexuellen Männern eine steigende Testbereitschaft und hohe Testfrequenz innerhalb der letz- ten Jahre zu verzeichnen, welche, neben einer Verbesserung der Testangebote, dazu geführt hat, dass HIV-Infektionen bei

3 No data were reported by Belgium, Germany, the Russian Federation, Swed n, Turkmenistan or Uzbekistan.

Fig. C. Proportion of people diagnosed late (CD4 cell count < 350 per mm 3 ) by gender, age and transmission, WHO European Region, 2017 (n = 36 596) ABBILDUNG 1: Anteil von Patienten mit Spätdiagnose (CD4-Wert < 350 Zellen/mm³) in Abhängigkeit von Geschlecht, Alter und Art der Übertragung, WHO Region Europa, 2017 (n = 36.596). Quelle: European Centre for Disease Prevention and Control (https://ecdc.europa.eu).

Gesamt

Frauen Männer

0 Geschlecht Altersgruppen (Jahren) Transmission Fig. D. Linkage to care after HIV diagnosis in the EU/EEA, WHO European Region and West, Centre and East, 2017 (n = 26 147) 20 10 30 40 50 60 70 Heterosexuelle Transmission (Männer) Heterosexuelle Transmission (Frauen) I.v.-Drogengebrauch MSM 50+ 40–49 30–39 25–29 20–24 15–19 Prozent

AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal /  5

HIV-SELBSTTESTS

ABBILDUNG 2: Darstellung des Anteils der Menschen mit HIV-Infektion in Deutsch- land, die diagnostiziert (87 %), behandelt (92 % der Diagnostizierten) und erfolgreich behandelt werden (95 % der Behandelten) im Jahr 2017. (ART: antiretrovirale Therapie). 1

In Deutschland werden die letzten beiden Ziele Therapieergreifung und erfolgrei- cher Therapieverlauf dank gutem Zugang zu medizinischer Versorgung bereits heu- te schon erreicht (s. Abb. 2). 1 Man muss jedoch feststellen, dass nach wie vor eine hohe Zahl potentiell an- steckender HIV-Infizierter besteht (20.500 von 86.000). Diese kann hierzulande am effektivsten geschmälert werden, indem das erste noch nicht erreichte Ziel stärker verfolgt wird und mehr HIV-Infizierte von ihrer Infektion wissen. Diese zentrale Her- ausforderung lässt sich allerdings nur be- werkstelligen, wenn die Testbereitschaft und -häufigkeit zunimmt und nicht durch Diskriminierung und soziale Ausgrenzung Betroffener behindert wird. Hilfreich ist, durch sogenannte „Test-Wochen“ eine möglichst große Personenzahl anzuspre- chen und für das Thema HIV-Test zu sensi- bilisieren. In Bayern findet beispielsweise vom 25.11. bis zum 01.12.2019 eine HIV- Testwoche statt (www.testjetzt.de). Vor weitaus größeren Herausforderungen ste- hen jedoch Länder in Osteuropa und Zent- ralasien. Hier belegen Zahlen aus dem Jahr 2018, dass nur 72 Prozent der HIV-Infizier- ten ihren Status kennen und lediglich 53 Prozent der Diagnostizierten Zugang zu einer antiretroviralen Behandlung haben. 3 Nur sechs Länder konnten übrigens bis dato die 90-90-90-Zielvorgabe erfüllen, weshalb ein Ende der AIDS-Epidemie noch nicht greifbar ist.

Anteil der Menschen mit HIV in%

Menschen mit HIV chen mit HIV

95% KI I

120 1

100 10

~ 87%

~ 92%

86.000 (80.000 – 92.400)

~ 95%

80

74.800 (69.100 – 80.900)

60

68.800 (66.000 – 71.600)

65.500 (62.800 – 68.200)

40

20 2

Anteil der Menschen mit HIV (in %)

0

HIV-Infektion HIV diagnostiziert I ti I i stiziert

unter ART erfolgreiche ART u ter erfolgr i T

bei einer Einrichtung der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. (DAH) oder in sogenannten Checkpoints möglich (Anlaufstellen siehe Adresssuche der Deutschen AIDS-Hilfe e.V.: https://www.aidshilfe.de/adressen). Die Testung ist mit einer geringen Gebühr verbunden, in einigen Einrichtungen ist sie sogar kostenfrei. Selbstverständlich können auch Ärztinnen und Ärzte auf Pa- tientenwunsch einen HIV-Test veranlas- sen, wobei die Krankenkassen die Kosten im Falle eines Risikokontakts überneh- men. Ferner sind spezialisierte Fachärz- tinnen und -ärzte gute Ansprechpartner (Schwerpunktarztsuche unter www.dag- nae.de, DAGNÄ e.V. – Deutsche Arbeits- gemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter e.V.). Trotz der vielfältigen Testangebote gibt es vie- le Personen, die eine Testung bei den ge- nannten Institutionen scheuen. In vielen Ländern etablierten sich daher Einsende- tests und Selbsttests zügig und rundeten das Testangebot ab. Seit 2016 werden heimbasierte Tests auch von der Weltge- sundheitsorganisation WHO empfohlen, um Personen zu erreichen, die zum ersten Mal einen HIV-Test durchführen möch- ten, die aufgrund erhöhter Risiken häufig einen Test machen sollten oder die HIV- infiziert, aber nicht diagnostiziert sind. 4 In Deutschland konnten HIV-Selbsttests

bekanntermaßen erst durch Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) im Herbst 2018 zugelassen wer- den und sind seitdem in Apotheken, Dro- gerien und über das Internet erhältlich (autotest® VIH apothekenexklusiv). Leider konnte ein genereller apothekenexklusi- ver Vertrieb, wie etwa in Österreich, Dä- nemark, Irland und Spanien, zugunsten des noch niedrigschwelligeren Internet- Angebots nicht durchgesetzt werden. Die verschiedenen HIV-Testprinzipien un- terscheiden sich nach Einsatzgebiet und Nachweisprinzip. Der direkte Erregernach- weis mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ist die Variante, welche HIV zum frühestmöglichen Zeitpunkt, nach circa sieben bis 14 Tagen, nachweisen kann. Der Test auf Nukleinsäuren wird allerdings nicht in der Routinediagnostik eingesetzt, sondern zur Therapieüberprüfung von Patienten unter antiretroviraler Therapie, im Blutspendewesen und bei Neugebo- renen HIV-positiver Mütter. Der kosten- günstigere, indirekte Erregernachweis („Suchtest“) weist hingegen körpereigene Antikörper nach, die vom Immunsystem der infizierten Person nach einiger Zeit (drei bis zwölf Wochen) gebildet werden. Testprinzipien und diagnostische Lücken

Vielfältige Angebote zum HIV-Test

Die anonyme Beratung und Testung auf HIV ist beim örtlichen Gesundheitsamt,

PERSONEN MIT ERHÖHTEM HIV-RISIKO (REGELMÄSSIGER HIV-TEST EMPFOHLEN) • Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) • i.v.-Drogenkonsumenten (IVD, IDU) • Personen mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern • Prostituierte / Sexworker • Personen mit HIV-positivem Sexual- partner ohne erfolgreiche ART • Personen aus Regionen mit hoher HIV-Prävalenz (insb. Subsahara-Af- rika und Karibik)

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DR. VERENA STAHL

einen konkreten Anlass gibt, weshalb sich der Kunde testen lassen möchte. Stellt sich dabei heraus, dass ein Risikokontakt erst vor Kurzem stattgefunden hat, ist ein Selbsttest aufgrund der großen diagnos- tischen Lücke nicht geeignet. Von großer Bedeutung ist aber an dieser Stelle, die entsprechende Person über die Möglich- keit einer Beratung zur Postexpositions- prophylaxe (PEP) aufzuklären, wenn der vermutete Kontakt mit HI-Viren weniger als 48 Stunden (seltenere Angabe weniger als 72 Stunden) zurückliegt. Die vierwö- chige antiretrovirale Therapie, bestehend aus drei Wirkstoffen, ist hochwirksam, um eine manifeste HIV-Infektion abzuwen- den. Die PEP ist dabei umso effektiver, je früher sie angewendet wird. Über die In- itiierung einer PEP entscheidet allerdings ein Arzt, der nach klaren Richtlinien die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Exposition abwägt und nur bei erheblichem HIV-Risi- ko eine PEP verordnet . Eine diesbezügliche Beratung ist bei nie- dergelassenen Fachärzten, PEP-Notfall- kliniken und HIV-Ambulanzen möglich. Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. bietet eine Recherchefunktion an, mithilfe derer man nach Institutionen suchen kann, welche rund um die Uhr eine entsprechende Beratung durch erfahrene Ärzte leisten können (www.aidshilfe.de/adressen?f- type=11). Jedes Krankenhaus sollte zudem über die Möglichkeit verfügen, eine PEP vorläufig und notfallmäßig einzuleiten (initiale Dosis). Über die Fortführung der Prophylaxe entscheidet dann ein in der PEP-Verordnung erfahrener Arzt am Fol- getag. Liegt eine sichere oder sehr wahr- scheinliche HIV-Exposition vor, ist die PEP als Maßnahme der Sekundärprävention zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversi- cherung (GKV) erstattungsfähig. Die Durchführung einer PEP ist hinge- gen nicht indiziert, wenn • bei unbekanntem HIV-Status der In- dexperson keine Anhaltspunkte vor- liegen, die eine HIV-Infektion wahr- scheinlich erscheinen lassen, oder • die Indexperson zwar mit HIV infiziert ist, aber effektiv antiretroviral behan- delt wird (das heißt die HI-Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt), oder PEP-Anlaufstellen

nachweisen beziehungsweise ausschlie- ßen können. Allerdings bezieht sich das Wort „schnell“ auf die Kürze der Zeit, in der der Test zu einem Ergebnis kommt, meist binnen einer halben Stunde. Als rein indirektes Nachweisverfahren weisen sie nur körpereigene Antikörper gegen HIV nach und keine weiteren HIV-Komponen- ten. Um dem individuell unterschiedli- chen Anstieg der Antikörperkonzentrati- onen gerecht zu werden, beträgt hier die diagnostische Lücke zwölf Wochen, also alles andere als „schnell“. Selbsttests können daher keine Aussage zum „tagesaktuellen“ HIV-Status geben, sondern lassen bei einem negativen Test­ ergebnis (bei einer angenommenen Sen- sitivität des Tests von 100 Prozent) nur den Rückschluss zu, dass der HIV-Status vor zwölf Wochen negativ war. Nach dem Ende einer Beziehung möchten manche Personen beispielsweise „Bilanz ziehen“ und entscheiden sich für einen HIV-Selbst- test (empfehlenswert sind ebenfalls Tests auf weitere sexuell übertragbare Erkran- kungen (STI)). Liegt das Beziehungsende mehr als zwölfWochen zurück und fanden in der Zwischenzeit keine Risikokontakte statt, so ist der momentane HIV-Status ebenfalls negativ. Für den Anwender stellt sich aber die Frage, ob er einen Selbsttest mit einer diagnostischen Lücke von zwölf Wochen durchführen möchte, oder einen Kombinationstest bei einem Arzt oder in einer Beratungsstelle bevorzugen würde, welcher eine verkürzte diagnostische Lü- cke von nur sechs Wochen aufweist. Mitunter möchten Personen einen Selbsttest durchführen, die vor wenigen Stunden beziehungsweise Tagen einem Infektionsrisiko ausgesetzt waren. Bei- spielsweise, weil Injektionsnadeln gemein- sam verwendet wurden oder weil beim Geschlechtsverkehr mit einem Partner, dessen HIV-Status unbekannt ist oder der HIV-positiv ist (und sich nicht unterhalb der Nachweisgrenze befindet), das Kon- dom gerissen ist oder gar kein Kondom verwendet wurde. Bei der Beratung zur Abgabe von Selbsttests in der Apotheke ist es daher wichtig herauszufinden, ob es Diagnostische Lücke beachten An PEP denken

Da in dieser Zeitspanne die HIV-Serologie zu HIV-positiv konvertiert, wird dies auch als Serokonversion bezeichnet. Da die Zeitdauer zwischen Infektion und Bildung und somit Nachweisbarkeit von Antikör- pern individuell variieren kann, erlauben die verfügbaren indirekten serologischen Tests keine zeitnahe Analyse unmittelbar nach der Infektion. Man spricht hierbei von einer diagnostischen Lücke, die es abzuwarten gilt. Sie konnte bei den Such- tests der sogenannten 4. Generation ver- kürzt werden, indem man den indirekten Erregernachweis mit dem Nachweis eines HIV-1-spezischen Antigens (p24-Antigen) kombinierte, welches sich im Kapsid des Virus befindet. Der Virusbestandteil ist nämlich schon früher, das heißt bereits zwei bis vier Wochen nach der Infektion nachweisbar, im weiteren Verlauf aber wiederum nicht mehr detektierbar. Bei manchen Personen kann daher der Such- test schon zu einem so frühen Zeitpunkt reagieren. Wurde mit dieser Nachweis- methode kein Antigen beziehungsweise Antikörper detektiert und lag der Risiko- kontakt mehr als sechs Wochen zurück, kann ein Infektionsausschluss erfolgen. Setzt man den Suchtest bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein, kann ein negatives Ergebnis noch nicht als sicher negativ ge- wertet werden und könnte die untersuch- te Person in falscher Sicherheit wiegen. Reagiert der Suchtest hingegen, schließt sich ein hochspezifischer, sogenannter Bestätigungstest (Western-Blot-Test) an, auch um Probenverwechslungen auszu- schließen. Diese Zweistufendiagnostik beruht auf unterschiedlichen, sich ergän- zenden Prinzipien und ist erforderlich, um mögliche falsch positive Testergebnisse zu identifizieren, welche in der hohen Sen- sitivität (Nachweisrate) aber leicht einge- schränkten Spezifität (Treffsicherheit) des Suchtests begründet sind. Berichten zufolge können falsch positive Resultate bei bestimmten immunologischen Sti- muli wie Schistosomiasis (Bilharziose), systemischer Lupus erythematodes, Ma- laria oder einer Influenzaimpfung verein- zelt auftreten. Eine Kontrolle durch einen Bestätigungstest ist auch bei positivem Testresultat eines HIV-Selbsttests erfor- derlich. Sie zählen zu den sogenannten HIV-Schnelltests (Point-of-care-Tests). Ihr Name könnte suggerieren, dass sie zu ei- nem frühen Zeitpunkt eine HIV-Infektion

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HIV-SELBSTTESTS

TABELLE 1: In Deutschland verfügbare HIV-Selbsttests mit CE-Kennzeichnung. Testname Herstellerhomepage Ergebnis nach Sensitivität/Spezifität Atomo HIV Self Test www.atomohivtest.com 15 Minuten 99,6 %/99,6 % Autotest® VIH www.autotest-sante.com 15 Minuten 100 % / 99,8 % Biosure HIV Self Test https://hivselftest.co.uk/ 15 Minuten 99,7 %/99,9 % Exacto® HIV-Selbsttest www.hivtest-exacto.de 10 Minuten 100 %/99,2–100 % INSTI® HIV Selbst-Test www.hivheimtest.de direkt 100 %/99,5–99,8 %

• infektiöses Material wie Blut oder an- dere HIV-haltige Körperflüssigkeiten Kontakt mit intakter Haut hatten. Auch bei Stichverletzungen Unbeteiligter (z. B. Kinder) durch herumliegendes, ge- brauchtes Drogen-Injektionsbesteck ist eine PEP nicht empfohlen, hingegen ist in diesem Fall an eine Infektion mit Hepatitis B, C und Tetanus zu denken. 5 Eine Auflistung der in Deutschland ver- fügbaren Selbsttests mit CE-Kennzeich- nung ist in Tabelle 1 aufgeführt. Alle Immunassays funktionieren nach dem gleichen Prinzip, einer Antigen-Antikörper- Reaktion auf HIV-1- und HIV-2-Antikörper im Kapillarblut. Je nach Hersteller kann das Ergebnis direkt, zehn oder 15 Minuten nach Durchführung des Tests abgelesen werden (s. Tab. 1). Generelle Unterschiede ergeben sich aus der verwendeten Test- form, Testkassette oder Teststäbchen und in den Anwendungsschritten. Ausführli- che und bebilderte Gebrauchsanweisun- gen, meist auch in mehreren Sprachen, können auf den jeweiligen Hersteller- homepages heruntergeladen werden. Die Angaben zur Sensitivität und Spezifi- tät (s. Tab. 1) gehen auf Untersuchungen der Hersteller zurück und wurden anmehr oder weniger großen Patientenkollektiven erprobt. Leider kommt es bei diesen sta- tistischen Kenngrößen aber immer wie- der zu Verwirrungen, nicht nur bei Laien. Die Sensitivität beschreibt die Güte der Nachweisrate eines Tests, also den Anteil an erkrankten/infizierten Personen, die korrekt positiv getestet wurden an der Gesamtmenge der tatsächlich Erkrank- ten/Infizierten. Die Spezifität beschreibt hingegen die Treffsicherheit eines Tests, das ist der Anteil an gesunden Personen, die korrekt negativ getestet wurden an der Gesamtmenge der tatsächlich Gesun- den. Bei eingeschränkter Sensitivität zei- gen sich falsch negative Testresultate und Erkrankte/Infizierte werden im Glauben gelassen, nicht erkrankt/infiziert zu sein. Bei einem Test auf eine HIV-Infektion ist von großer Bedeutung, jeden Infizierten zu erfassen, weshalb hier eine Sensitivität Verfügbare Selbsttests in Deutschland Hohe Sensitivität und Spezifität gefordert

der Spezifität auf alle gesunden Personen bezieht, die sich einem Test unterziehen und im Kontext gesehen werden muss, wie viele Infizierte es innerhalb der Be- völkerung gibt: Wenn 99,8 Prozent aller Nicht-Infizierten bei korrekter Anwen- dung ein negatives Ergebnis bekommen, erhalten „nur“ 0,2 Prozent aller Nicht-Infi- zierten ein falsch positives. Dies sind mit- unter aber viele Personen, was daran liegt, dass HIV in der Gesamtbevölkerung eine niedrige Prävalenz hat (0,1 Prozent). Wür- de man die gesamte Bevölkerung scree- nen, kämen Fehlalarme bisweilen sogar häufiger vor, als richtig positive Ergebnis- se (siehe Beispiel 1 im Infokasten unten). Da aber davon auszugehen ist, dass mehr Personen einen HIV-Selbsttest machen werden, die ein erhöhtes HIV-Risiko haben (zum Beispiel MSM), beziehungsweise die einer HIV-Risikosituation ausgesetzt wa- ren, wird die Mehrzahl der reaktiven HIV- Tests korrekt positiv sein. Falsch positive Testresultate kommen aber auch hier vor

von 100 Prozent zwingend erforderlich ist. Unter dieser hohen Empfindlichkeit lei- det meist ein wenig die Spezifität, so dass auch Nicht-Infizierte ein positives Testre- sultat erhalten können, welches dann aber falsch positiv ist und die Betroffenen ver- unsichert, infiziert zu sein. Für viele Personen klingt eine 99,8-pro- zentige Spezifität/Treffsicherheit sehr vertrauenswürdig. Vielfach wird hierun- ter verstanden, dass diese Angabe für den Test der individuellen Person gilt, der Test also zu 99,8 Prozent recht hat, den Anwen- der korrekt als gesund zu identifizieren und nur zu 0,2 Prozent einen Fehlalarm bei dieser Fragestellung provoziert. Dies impli- ziert, dass falsch positive Ergebnisse sehr selten vorkommen und man daher bei ei- nem reaktiven Test mit an Sicherheit gren- zender Wahrscheinlichkeit HIV-positiv ist. Richtig ist hingegen, dass sich die Angabe Achtung Statistik

Bei einer Prävalenz von 0,1 % in der Gesamtbevölkerung gibt es 100 HIV-Positive unter 100.000 Personen • Beispielhafte Testeigenschaften: · · Sensitivität 100 % · · Spezifität 99,8 % • Werden 100.000 Personen der Gesamtbevölkerung getestet, erhalten: · · 100 HIV-Positive ein positives Testergebnis · · Kein HIV-Positiver ein falsch negatives Testergebnis · · ~ 200 Nicht-Infizierte ein falsch positives Testergebnis! (99.900 Nicht-Infizierte * 0,2/100) • Demnach sind zwei von drei positiven Testergebnissen falsch positiv. Wird der Test hingegen von Personen durchgeführt, die ein statistisch erhöhtes HIV- Risiko haben, ändert sich die Aussagekraft des Tests. Beispielsweise ist die HIV-Präva- lenz bei MSMmit 2 % deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung. Hier befinden sich 2000 HIV-Positive unter 100.000 Personen (MSM). • Wird der Test mit den gleichen Testeigenschaften von 100.000 MSM durchgeführt, erhalten: · · 2.000 HIV-Positive ein positives Testergebnis · · Kein HIV-Positiver ein falsch negatives Testergebnis · · 196 Nicht-Infizierte ein falsch positives Testergebnis (98.000 Nicht-Infizierte * 0,2/100)! • Demnach ist nur noch einer von elf positiven Testergebnissen falsch positiv.

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DR. VERENA STAHL

• Mit der den Tests beiliegenden Sicher- heits-Einmallanzette seitlich in die Fingerkuppe des desinfizierten Fin- gers stechen. • Finger unter Aussparung der Einstich- stelle erneut massieren, bis sich ein großer Bluttropfen bildet. Beim autotest VIH® muss zunächst die Testapparatur vorbereitet werden, wel- che sich in einem Folienbeutel befindet. Auf dem Teströhrchen ist eine Kappe aufgesteckt, die eine Verdünnungslösung enthält. Man nimmt die Kappe ab und steckt sie fest in einen Testständer, der später das Teströhrchen während des Tests in senkrechter Position hält. Nun erfolgt die oben beschriebene allgemei- ne Vorbereitung (Hände waschen, Des- infizieren und Stechen). Der Hersteller empfiehlt, den ersten Bluttropfen mit einem sterilen Tupfer abzuwischen und erst den zweiten Bluttropfen für den Test zu verwenden. Dieser wird direkt mit der Kapillarspitze des Teströhrchens aufge- saugt, bis die Spitze vollständig mit Blut gefüllt ist. Dabei muss das Teströhrchen senkrecht mit der Spitze nach unten ge- halten werden, welche den Bluttropfen berühren muss. Anschließend wird es kräftig in den Testständer gedrückt, um die Folie über der Verdünnungslösung zu durchstechen (beim Einrasten sind drei Klickgeräusche spürbar). Der Timer soll- te nun gestartet und ein Pflaster auf die Einstichstelle aufgeklebt werden. Das Teströhrchen muss nun für die nächsten 15 Minuten aufrecht im Testständer ste- hen (Achtung, Fehlerquelle!). Nach circa einer Minute erscheint ein rosafarbener Fleck, welcher dem Anwender anzeigt, ob das Teströhrchen korrekt in der Kappe mit der Verdünnungslösung eingerastet ist. Erscheint der Fleck nicht, muss das Test- röhrchen abermals fest in den Testständer gedrückt werden. Das Ergebnis des Selbst- tests wird nach 15Minuten (spätestens 20 Minuten) durch Abgleich mit Abbildungen in der Gebrauchsanweisung abgelesen. Zeigt sich nur eine Bande (Kontrolllinie), so wurde der Test korrekt durchgeführt und HIV konnte nicht nachgewiesen wer- den. Zeigen sich zwei Banden, wobei eine heller als die andere sein kann, hat der Test reagiert und ein Bestätigungstest ist erforderlich. autotest VIH®

(s. Beispiel 2 im Infokasten).

FOLGENDE BERATUNGSTIPPS BZW. FRAGEN KÖNNEN ANGESPROCHEN WERDEN:

Vorgehen bei reaktivem HIV-Selbsttest

• Verpackung öffnen und Gebrauchs- anweisung gründlich durchlesen, hilfreich sind auch die auf den Her- stellerhomepages beziehungs- weise bei youtube verfügbaren Anwendungsvideos. • Fortfahren, wenn alle Informationen verstanden wurden und man bereit für den Test ist. • Test-Utensilien, Kurzzeitmesser (oder entsprechende Timer-Funktion des Smartphones) auf einem sauberen Tisch oder einer sauberen Arbeitsflä- che bereitlegen. • Hände mit Seife und warmemWasser waschen, anschließend abtrocknen. • Einen Finger wärmen und massieren, um die Blutzufuhr zu optimieren. • Fingerspitze mit einem alkoholischen Tupfer reinigen, Trocknungszeit der Desinfektion abwarten (nicht pusten oder wedeln). • „Bitte überlegen Sie sich vor Durch- führung des Tests, was Sie tun wer- den oder wen Sie kontaktieren möchten, wenn Sie das Ergebnis er- halten.“ • „Handelt es sich um einen Routine- Test oder gibt es einen bestimmten Anlass, warum Sie sich testen lassen möchten?“ • „Vielleicht wissen Sie schon, dass dieser Test erst zwölf Wochen nach dem letzten risikobehafteten Ereig- nis aussagekräftig ist. Können Sie abschätzen, wie lange Ihr Risikokon- takt her ist?“ • „Ein positives Testergebnis bedeutet nicht automatisch, dass man mit HIV infiziert ist. Es könnte sich auch um einen „falschen Alarm“ handeln, da der Test sehr empfindlich ist.“ • „Falls der Test positiv reagiert, behal- ten Sie möglichst Ruhe. Klarheit bringt ein Bestätigungstest beim Arzt, beim Gesundheitsamt oder bei einer Einrichtung der AIDS-Hilfe, den Sie dann durchführen lassen müssen. Bitte wenden Sie daher den Selbsttest nicht spät abends oder am Wochenende an, damit Sie noch je- manden erreichen können.“

Im Allgemeinen sollte man bei Selbsttests nicht von einem positiven, sondern von einem „reaktiven“ Testergebnis sprechen. Der Test hat reagiert, was aber aufgrund seiner Empfindlichkeit auch ein falsch po- sitives Resultat sein kann. Erst wenn der Bestätigungstest zum gleichen Ergebnis kommt, geht man von einem positiven HIV-Test aus. Für die „Diagnose im heimi- schen Badezimmer“ stellt jedoch das ver- meintlich positive Testresultat eine große seelische Belastung dar. Eine unmittelbare Beratung und Unterstützung durch Ärzte oder psychologisch geschulte Fachkräfte ist aufgrund des Durchführungsprinzips eines Selbsttests nicht möglich. Hilfreich könnten in ersten Näherung die telefo- nischen oder online-Beratungsmöglich- keiten der Deutschen AIDS-Hilfe sein (https://www.aidshilfe.de/beratung). Bei einem reaktiven Testergebnis im Selbst- test sollte man möglichst Ruhe bewah- ren und umgehend einen Arzt, eine HIV- Ambulanz, das Gesundheitsamt oder eine Beratungsstelle der AIDS-Hilfe aufsuchen, um einen Bestätigungstest durchführen zu lassen. Es ist daher empfehlenswert, einen Selbsttest nicht spät abends oder am Wochenende durchzuführen, um die Möglichkeit der persönlichen Beratung und Kontrolltestung zu wahren. Wichtig ist, dass während der Zeit der Ungewiss- heit bis zu einem gesicherten Testergeb- nis Kondome beim Geschlechtsverkehr verwendet werden („Safer Sex“). I.v.- Drogenkonsumenten sollen zusätzlich (beziehungsweise generell) „Safer Use“ praktizieren, also Spritzenbesteck nicht gemeinsam verwenden, da hierüber eine hohe Ansteckungsgefahr besteht. Im Folgenden wird die Durchführung der drei in Deutschland gebräuchlichsten Selbsttests beschrieben. Der INSTI® HIV- Selbsttest stellt eine Immunofiltration nach dem sogenannten „Flow-Through- Prinzip“ dar, autotest® VIH und Exacto® HIV-Selbsttest zählen zu den immunchro- matographischen „Lateral Flow-Tests“. Für alle Tests gelten die gleichen Tipps für die Vorbereitungsphase: Durchführung der einzelnen Selbsttests

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HIV-SELBSTTESTS

• Üben Sie die diskrete Beratungssitua- tion mit einer Kollegin oder einem Kol- legen im Vorfeld. • Machen Sie sich mit den unterschied- lichen Selbsttests vertraut. • Besprechen Sie im Team, wie man die Vertraulichkeit der Beratung gewähr- leisten möchte und wie man mit tele- fonischen Anfragen zu diesem Thema umgehen sollte. • Beachten Sie, dass viele Patienten ei- nen HIV-Selbsttest wählen, weil sie „anonym“ bleiben möchten. Diese ver- prellt man mit einer gut gemeinten, zu ausführlichen Beratung. Damit hier das richtige Maß gefunden wird, ist viel Fingerspitzengefühl erforderlich. • Stellen Sie Adressen und Telefonnum- mern von Beratungsstellen, Kliniken und Fachärzten in der näheren Umge- bung sowie PEP-Anlaufstellen auf ei- nem Zettel zusammen, die für Betrof- fene als Ansprechpartner rund um den Test, das Ergebnis und die weitere Vorgehensweise fungieren können. • Drucken Sie die Gebrauchsanweisung der Tests in englischer Sprache und weiteren Sprachen aus (s. Hersteller- Homepages). REFERENZEN & LITERATUR 1 Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulle- tin. Schätzung der Zahl der HIV-Neuinfektionen und der Gesamtzahl von Menschen mit HIV in Deutschland (Stand: Ende 2017); 22. November 2018 / Nr. 47. 2 European Centre for Disease Prevention and Control, WHO Regional Office for Europe. HIV/ AIDS surveillance in Europe 2018 – 2017 data. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe; 2018. https://ecdc.europa.eu/sites/portal/files/ documents/hiv-aids-surveillance-europe-2018. pdf (letzter Zugriff am 02.09.2019). 3 UNAIDS. 2019 Global AIDS update. Commu- nities at the centre. https://www.unaids. org/sites/default/files/media_asset/2019- global-AIDS-update_en.pdf (letzter Zugriff am 02.09.2019). 4 Guidelines on HIV self-testing and partner no- tification: a supplement to the consolidated gui- delines on HIV testing services. Geneva: World Health Organization; 2016. https://www.who. int/hiv/pub/vct/hiv-self-testing-guidelines/en/ (letzter Zugriff am 02.09.2019) 5 Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG). Deutsch- Österreichische Leitlinien zur Postexpositionel- len Prophylaxe der HIV-Infektion (update 2018). AWMF-Register-Nr.: 055-004.

des Herstellers nicht gefordert. Durch den Stich mit der Lanzette soll ein großer Tropfen Blut gewonnen werden, der in die Öffnung von Fläschchen 1 fallen gelas- sen wird. Dann schraubt man den Deckel auf Fläschchen 1 wieder auf. Ein Pflaster kann nun auf die Einstichstelle geklebt werden. Das geschlossene Fläschchen 1 wird viermal geschüttelt, um das Blut zu verdünnen. Dann wird der komplette In- halt in die Vertiefung der runden Testkas- sette gegossen. Man muss abwarten, bis die Flüssigkeit komplett in die Membran eingezogen ist. Dann schüttelt man das Fläschchen mit dem blauen Deckel und der Aufschrift 2 viermal und schüttet den Inhalt dieser Indikatorlösung ebenfalls in die Testkassette. Eventuell muss leicht auf das Fläschchen geklopft werden, um den kompletten Inhalt zu entleeren. Nach Abwarten des Aufsaugens verfährt man ebenso mit dem Fläschchen mit der Auf- schrift 3 (durchsichtiger Deckel), einer Klärlösung. Es wird viermal geschüttelt und in die Testkassette entleert. Nach- dem auch diese Flüssigkeit eingezogen ist, kann man das Ergebnis sofort oder nach maximal einer Stunde ablesen. Wichtig ist, dass die korrekte Reihenfolge der zu verwendenden Fläschchen eingehalten wird und keine Verzögerungen zwischen den einzelnen Schritten eintreten. Zeigt sich nur ein Punkt unter der Aufschrift „C“ (wie control, Kontrolle), so wurde der Test korrekt durchgeführt und HIV konnte nicht nachgewiesen werden. Zeigen sich zwei Punkte untereinander, wobei einer heller als der andere sein kann, hat der Test reagiert und ein Bestätigungstest ist erforderlich.

Exacto® HIV-Selbsttest

Nach demHändewaschen entnimmt man die Testkassette aus einem eingeschweiß- ten Folienbeutel und muss den Test inner- halb einer Stunde anwenden. Es folgen Desinfektion des Fingers und Stechen. Die zur Blutaufnahme zu verwendende Pipette verfügt am unteren Ende über eine Ausbuchtung, die komplett mit Blut gefüllt werden muss. Auf der Testkassette befinden sich zwei Probenöffnungen, eine quadratischemit der Aufschrift „Blood“, in die die mit Blut gefüllte Pipette gedrückt werden muss und eine runde mit der Auf- schrift „Diluent“. Nachdemman die Pipet- te in die quadratische Öffnung gedrückt hat, muss der Boden der Probenvertiefung „Blood“ vollständig rot werden (Achtung, Fehlerquelle!). Anschließend gibt man zwei Tropfen der Verdünnungslösung in das Feld „Diluent“ (Achtung, Fehlerquel- le!). Der Timer sollte nun gestartet und ein Pflaster auf die Einstichstelle geklebt werden. Das Ergebnis des Selbsttests wird nach zehn Minuten (spätestens 20 Mi- nuten) durch Abgleich mit Abbildungen in der Gebrauchsanweisung abgelesen. Zeigt sich nur eine Bande (Kontrolllinie), so wurde der Test korrekt durchgeführt und HIV konnte nicht nachgewiesen wer- den. Zeigen sich zwei Banden, wobei eine heller als die andere sein kann, hat der Test reagiert und ein Bestätigungstest ist erforderlich. Im Testset sind eine runde Testkassette und drei nummerierte Fläschchen ent- halten. Nach Entnahme der Testkassette aus dem eingeschweißten Folienbeutel werden die Hände gewaschen. Anschlie- ßend schraubt man das Fläschchen mit der Beschriftung 1 auf (roter Deckel). Eine Desinfektion des Fingers ist seitens INSTI® HIV-Selbsttest

Tipps für die Beratung

• Bereiten Sie sich sehr gut auf Bera- tungsgespräche zum sensiblen Thema HIV-Selbsttest vor!

KURZZUSAMMENFASSUNG HIV-Selbsttests ermöglichen den Anwendern eine anonyme Testung in häuslicher Umgebung, verwehren ihnen aber die begleitende psychologische Unterstützung durch Fachpersonal. Dieses niedrigschwellige Angebot ergänzt die etablierten HIV- Tests, weist mit zwölf Wochen aber eine größere diagnostische Lücke auf. Die in Deutschland hohe Zahl der HIV-Infizierten, die ihren Status nicht kennen, wird sich bei entsprechender Inanspruchnahme dieser Maßnahme effektiv senken lassen. Bei der Beratung in der Apotheke spielen besonders die Hinweise auf die diagnostische Lücke und die Möglichkeit falsch positiver Testergebnisse eine Rolle.

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DÖRTE SCHRÖDER-DUMKE

Aknepatienten in der Apotheke

Akne vulgaris stellt eine der häufigs- ten Hauterkrankungen bei Jugendli- chen und jungen Erwachsenen dar. Es wird davon ausgegangen, dass ca. 80- 90 Prozent der Bevölkerung mindes- tens einmal im Leben selbst mit Akne konfrontiert werden. Akne betrifft verschiedene Altersstufen, wobei Ju- gendliche während der Pubertät und junge Erwachsene besonders stark betroffen sind. Bei männlichen Ju- gendlichen ist der Krankheitsverlauf oft stärker; bei jungen Mädchen tritt die Erkrankung oft eher auf, verläuft aber milder. Das Altersmaximum liegt bei 14-19 Jahren. Gerade in der sensiblen Phase der Pubertät stellen die Hautveränderungen oft eine star- ke psychische Belastung dar, später können Aknenarben das Selbstbe- wusstsein der Patienten beeinträchti- gen und teilweise bis zur sozialen Iso- lation führen. Akne kann auch außer- halb dieser Lebensphase auftreten. Frauen sind häufiger von Formen der Spätakne (Acne tarda) ab dem 30. Le- bensjahr betroffen. Heute wird das Krankheitsgeschehen bei Akne vulgaris als multifaktorielle Erkran- kung in der Talgdrüse gesehen. Die Er- krankung geht einher mit Seborrhoe (ge- steigerter Talgproduktion), Hyperkeratose (übermäßige Verhornung), mikrobieller Besiedlung und Entzündung in den Talg- drüsen und äußert sich durch Hautefflo- reszenzen wie Komedonen, Papeln, Pus- teln, Knötchen und Knoten. Optisch wirkt die Haut großporig, fet- tig, glänzend. Komedonen, Papeln und Pusteln, treten vor allem an den behaar- ten Stellen, im Gesicht und dem oberen Stammbereich (Schulter und Rücken) auf. Akne vulgaris ist gekennzeichnet durch eine hohe Anzahl an Talgdrüsen und eine gesteigerte Talgproduktion, was durch eine vermehrte Produktion von Andro- genen zu Beginn der Pubertät ausgelöst wird. Die Talgdrüsen vergrößern sich durch den Einfluss von Androgenen. Gleichzeitig wird die Empfindlichkeit der Androgen- rezeptoren der Talgdrüsen gesteigert. Talgdrüsen sind außerdem – bis auf den Genitalbereich und die Wangen – immer an Haare gebunden. Der Haarkanal wird durch Hornzellen ausgekleidet, welche

Dörte Schröder-Dumke (Wedel) ist Apothekerin in der öf- fentlichen Apotheke, Referentin für verschiedene Apothe- kerkammern und hat neun Jahre lang den Qualitätszirkel der Apothekerkammer Hamburg Arzneimittel in Schwan- gerschaft und Stillzeit moderiert.

Dörte Schröder-Dumke

acnes phagozytiert wird, weitere Entzün- dungsmediatoren freigesetzt werden und das Geschehen fortschreitet. Neben den Beeinträchtigungen der Patienten während der Erkrankung durch das großporige, gerötete, entzündliche Hautbild stellen vor allem bleibende Nar- ben nach dem Abklingen der Erkrankung ein Problem dar. Akne vulgaris ist oft mit dem Ende der Pubertät selbstlimitierend, die Narben bleiben im späteren Leben er- halten und sind beeinträchtigend für die Patienten. Aknenarben können generell alle Patienten entwickeln, das Risiko der Narbenbildung nimmt allerdings mit dem Schweregrad der Erkrankung zu.

bei Akne vermehrt abgeschilfert werden und dadurch das Abfließen des Hauttalgs verhindern (follikuläre Verhornungsstö- rung). Es kommt zur Keratinisierung, zu okklusionsartigen Bedingungen in den Talgdrüsenausführungsgängen und da- mit letztlich zur Komedonenbildung. Die Seborrhoe und Hyperkeratose im Follikel führt zur stark vermehrten Besiedlung mit dem grampositiven Bakterium Pro- pionibacterium acnes, welches auf der normalen Hautflora vorkommt sich un- ter diesen Bedingungen im Follikel stark vermehrt. Propionibacterium acnes pro- duziert Lipasen, die freie Fettsäuren aus dem Talg freisetzen und im Follikel ein Entzündungsgeschehen produzieren. Un- terstützt werden Lipasen von Proteasen, Hyaluronidasen und weiteren chemotak- tischen Faktoren. Die chemotaktischen Faktoren reizen neutrophile Granulozyten im Follikel, wodurch Propionibacterium

Formen der Akne vulgaris

Man unterscheidet Akne vulgaris nach dem auftretenden Effloreszenztyp und teilt in drei Schweregrade ein (s. Tab. 1).

ABBILDUNG 1: Akne stellt oft ein starke psychische Belastung für Jugendliche in der Pubertät dar.

Foto: ©New Africa – stock.adobe.com

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AKNEPATIENTEN

TABELLE 1: Akneformen Akneform

Begünstigende und auslösende Faktoren für Akne

Erscheinungsbild

Acne comedonica

· · Entwicklung von geschlossenen und offenen Komedonen; geschlosse- ne Komedonen erscheinen weiß, offene Komedonen haben einen dunkelbraunen Pfropf (Mischung Horn/Lipid) in der Öffnung → keine Entzündung · · zusätzlich gerötete Papeln und Pusteln (oft mit Eiter gefüllt) → Entzündung · · Papeln und Pusteln sind großflächig gerötet, entzündlich → keine Eiterbildung · · schwerste Verlaufsform, Bildung von Knoten (Haupteffloreszenz), Zysten und Fisteln · · höchstes Risiko für Narbenbildung und Hyperpigmentierung

Es gilt inzwischen als hinreichend gesi- chert, dass genetische Faktoren einen Ein- fluss auf die Prävalenz der Erkrankung aus- üben, ebenso können Schwangerschaft, hormonelle Schwankungen im Menstrua- tionszyklus und Klimakterium den Verlauf der Erkrankung mitbestimmen. Akne kann sich bei vermehrtem Schwitzen durch hei- ßes, feuchtes Klima verschlechtern, Son- neneinstrahlung kann hingegen das Haut- bild durchaus verbessern. Ein wichtiger Faktor für das Verschlimmern von Akne Effloreszenzen ist Stress. Durch Stress wird Corticotropin-Releasing Hormon (CRH) stärker ausgeschüttet, was eine ver- mehrte Dehydroepiandrosteronbildung (DHEA) zur Folge hat. DHEA wird in Testo- steron umgewandelt, wodurch Seborrhoe verstärkt wird. Es wird inzwischen auch fest davon ausgegangen, dass Rauchen die Erkrankung und das Hautbild maßgeb- lich beeinflusst. Im Zigarettenrauch sind neben Nicotin und Teer auch viele andere proinflammatorische Substanzen wie z. B. Arachidonsäure enthalten. Es kommt zum Zersetzen von Lipiden und die Hautzellen werden oxidativem Stress ausgesetzt. Immer wieder im Gespräch ist die „rich- tige Ernährung“ bei Akne, eine klassische „Aknediät" gibt es nach wie vor nicht, die Rolle von Omega-3-Fettsäuren, von Zink, von Ballaststoffen, Antioxidantien oder Iod als stützende Faktoren einer Akne- behandlung ist genauso ungeklärt wie das Vermeiden von Milchprodukten und Schokolade. Trotzdem kann es hilfreich sein, ein Ernährungstagebuch zu führen. Weiterhin können mechanische Irrita- tionen, z. B. Scheuern von Kleidung ( → Acne mechanica) und Arzneistoffe, Chemikali- en und Bestandteile in kosmetischen Pro- dukten eine Akneerkrankung verschlim- mern oder auslösen. Beispiele hierfür sind Glucocorticoide, Androgene, Azathioprin, Lithiumsalze, B-Vitamine ( → Acne medica- mentosa), halogenierte Verbindungen, Di- oxin, Kakaobutter, Lanolin, Isopropylmy- ristat, Natriumlaurylsulfat, Stearylalkohol oder Stearinsäure ( → Acne venerata).

Acne papulopustulosa

Acne nodosa (noduläre Akne)

Acne conglobata

Andere Akneformen: Akneform

Lebensalter

Symptome, Ursache

Acne neonatorum

Neugeborene sollte nach 3 Monaten abgeheilt sein → sonst Kinderarzt ab 3. Lebensmonat, präpubertär

Erscheinungsbild wie Acne comedonica intrauterine Stimulation der Talgdrüsen durch mütterliche Androgene mütterliche Androgene, gesteigerte Androgenproduktion → vom Arzt abzuklären Symptome wie Akne conglobata, zusätzlich Gelenkbeschwerden, Schmerzen, Fieber, Leukozytose → schwerer Krankheitsverlauf Erscheinungsbild wie acne comedonica und acne papulopustulosa evtl. einhergehend mit PCO-Syndrom entzündliche Knoten, Abzesse, Fisteln in Hautfalten (häufig Achsel oder Genitalregion) chirurgische Sanierung erforderlich

Acne infantum

Akne fulminans

vornehmlich Jungen in der Pubertät

Akne tarda

ab 30. Lebensjahr

Akne inversa

ab Pubertät, Erwachsenen- alter

Acne´excoriée des jeunes filles junge Frauen

Manipulation (z. B. Kratzen mit Fingernägeln) bei milden Akneformen, verschlechtern das Erkrankungsbild

Benzyolperoxid (BPO), Retinoide wie Adapalen, Tretionin und Isotretionin, Aze- lainsäure und topische Antibiotika (Eryth- romycin und Clindamycin). Die topische Therapie wird bei Acne comedonica oder bei leichteren entzündlichen Formen der Acne papulopustulosa oder als Kombina- tion mit systemischen Antibiotika, antian- drogenen Hormonen ergänzend bei den schweren Verläufen eingesetzt. Fixkom- binationen sind oft wirksamer und ver- bessern die Adhärenz. Die Kombinationen von topischen Antibiotika mit Tretionin oder Benzylperoxid kann die Resistenzlage verringern.

Therapiealgorithmus der deutschen S2- Akne-Leitlinie von 2010 verfolgt, die bis 2022 aktualisiert wird. Im Jahr 2017 wurde die europäische S3-Leitlinie veröffentlicht, die den Behandlungsplan laut Tabelle 2 für die Therapie vorsieht: Die medikamentöse Therapie kann und sollte durch eine manuelle Therapie begleitend ergänzt werden, bei der die Haut ausgereinigt und offene sowie ge- schlossene Komedonen durch geschultes Kosmetikpersonal entfernt werden. Auch eine Blaulichtbehandlung (Wel- lenlänge 420-480 nm) für einen definier- ten Zeitraum kann evtl. zusätzlich sinnvoll sein, jedoch ist hier die Datenlage auch wenig aussagekräftig.

Benzoylperoxid (BPO)

Benzoylperoxid ist ein starkes Oxidations- mittel, es wirkt bakteriostatisch, leicht keratolytisch und ist in den Konzentra- tionen drei Prozent, fünf Prozent und zehn Prozent erhältlich. Es konnte gezeigt

Topische Therapie

Therapie der Akne

In der topischen Therapie sind durch StudienfolgendeArzneistoffe abgesichert:

Die Therapie der Akne richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung. In der Therapie der Akne wird immer noch der

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