Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 4/2019

DR. HELGA BLASIUS

Arzneimittel- und Wirkstoffbezeichnungen Warum sie für die Arzneimitteltherapiesicherheit so wichtig sind

Arzneimittel- und Wirkstoffbezeich- nungen sind die wichtigsten Identifi- kationsmerkmale eines Arzneimittels. Dementsprechend groß ist ihre Be- deutung für die Arzneimittelthera- piesicherheit. Verwechslungen, die fatale Folgen haben können, müssen deshalb so weit wie möglich ausge- schlossen werden. Dieser Artikel gibt einen Einblick, wie die Bezeichnun- gen zustandekommen und welche Kontrollmechanismen die Behörden eingerichtet haben, damit sich hier kein „Wildwuchs“ breit macht. Bei der Abgabe in der Apotheke hat das pharmazeutische Personal die hohe Verantwortung, aus einer Verord- nung das Richtige herauszulesen und auch das Richtige abzugeben. Arzneimittelbezeichnungen, das ist ein Thema für sich. Früher waren die Namen gerne einfach und möglichst plakativ. Der emeritierte Pharmazieprofessor Hermann J. Roth hat sich des Sujets einmal in einer launigen, historischen Betrachtung ange- nommen. 1 Als Beispiele für bemerkens- werte und kuriose Arzneimittelnamen aus der dritten Auflage des GEHES CODEX aus dem Jahr 1920 führt er darin unter ande- rem an: „Antimarin“ gegen Seekrankheit, „Katerin“ gegen die Folgen übermäßigen Alkoholgenusses und „Wanzalin“ gegen Wanzen. Da weiß man gleich, was man vor sich hat. Heute sei aus den Arznei- mittelnamen kaum noch etwas semanti- sches, etymologisches, romantisch-phan- tasievolles, rationelles abzulesen, schreibt Hermann J. Roth weiter. Die Namen seien meist informationsarm bis informations- los. In diesem Beitrag soll beleuchtet wer- den, warum sowohl die Arzneimittel-, als auch die Wirkstoffbezeichnungen heute oft etwas „kryptisch“ anmuten. Wer legt diese Namen überhaupt fest? Was sollen sie uns sagen und was nicht?

Dr. Helga Blasius (Remagen) ist Apothekerin mit der Wei- terbildung als Apothekerin für Arzneimittelinformation und Diplom-Übersetzerin für Japanisch und Koreanisch. Seit 1991 ist sie freiberuflich in den Bereichen Fachjourna- lismus, wissenschaftliche und regulatorische Beratung und Übersetzungen tätig.

Dr. Helga Blasius

Verbote zum Schutz vor Täuschung

Kodex für Humanarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG). In den Übersetzungen eu- ropäischer Vorschriften wird der Begriff „Name“ verwendet, der im regulatori- schen Bereich synonym zu „Bezeichnung“ eingesetzt wird. Die Definitionen für die Begriffe „Name eines Arzneimittels“ und „gebräuchliche Bezeichnung“ sind in dem folgenden Kasten wiedergegeben.

Wie wichtig die Bezeichnung als Identifi- kations- und Unterscheidungsmerkmal und auch für den gesamten „Auftritt“ eines Arzneimittels ist, unterstreichen die Verbote zum Schutz vor Täuschung im Arzneimittelgesetz. Hiernach ist es verbo- ten, Arzneimittel oder Wirkstoffe herzu- stellen oder in den Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. Eine Ir- reführung liegt besonders dann vor, wenn Arzneimitteln eine therapeutische Wirk- samkeit oder Wirkungen oder Wirkstoffen eine Aktivität beigelegt werden, die sie nicht haben, wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicher- heit erwartet werden kann oder dass sie nach bestimmungsgemäßem oder länge- rem Gebrauch keine schädlichen Wirkun- gen haben. Eine Irreführung kann auch vorliegen, wenn Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen verwendet werden, die für die Bewertung des Arzneimittels oder Wirkstoffs mitbestimmend sind und die zur einer Täuschung über die Qualität führen könnten (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG).

NAME DES ARZNEIMITTELS (NAME OF THE MEDICINAL PRODUCT)

Der Name (name), der entweder ein nicht zu Verwechslungen mit dem ge- bräuchlichen Namen (common name) führender Phantasiename (invented name) oder ein gebräuchlicher oder wissenschaftlicher Name (common or scientific name) in Verbindung mit ei- nemWarenzeichen oder dem Namen des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen sein kann. GEBRÄUCHLICHE BEZEICHNUNG (COMMON NAME) Die von der Weltgesundheitsorganisa- tion empfohlene, international ge- bräuchliche Bezeichnung (Internatio- nal Nonproprietary Name) bzw. – in Ermangelung dessen – die übliche ge- bräuchliche Bezeichnung. Quelle: Titel I Begriffsbestimmungen, Art. 1 Ziffer 20 und 21 der Richtlinie 2001/83/EG

Leitlinie zur Bezeichnung von Arzneimitteln

Definition der Bezeichnung

In Deutschland hat das damalige Bundes- gesundheitsamt erstmals im Jahr 1991 detaillierte Hinweise zur Vermeidung ir- reführender Arzneimittelbezeichnungen

Im deutschen Arzneimittelgesetz findet sich keine Begriffsbestimmung für „Be- zeichnung“, wohl aber im europäischen

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