Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 4/2019

DR. VERENA STAHL

HIV-Selbsttests Tipps und Wissenswertes für die Beratung

Seit Herbst 2018 können HIV-Tests di- rekt von Patienten erworben und selbst durchgeführt werden. Hier- durch soll das Erkennen einer HIV-In- fektion zu einemmöglichst frühen Zeitpunkt erleichtert werden – mit Si- cherheit ein wichtiger Beitrag zur Früherkennung und ein Türöffner für bisher undiagnostizierte Patienten zu modernen Therapieregimen. Leider wissen nämlich – gemäß Schätzun- gen des Robert-Koch-Instituts – 13 Prozent der HIV-Infizierten in Deutschland nichts von ihrer Infekti- on. Dies sind immerhin circa 11.200 der 86.000 HIV-positiven Menschen, die mangels Risikokenntnis das Virus weiterverbreiten können. Große Hoffnungen ruhen daher auf der neu zugänglichen und niedrigschwelligen Form der HIV-Diagnostik, welche die Testbereitschaft und -frequenz erhö- hen könnte. In vielen Ländern der Welt, so auch in Deutschland, vergeht leider oft eine be- merkenswert lange Zeit, bis eine HIV-In- fektion diagnostiziert wird. Dies liegt da- ran, dass sie oftmals gänzlich unbemerkt verläuft, beziehungsweise zu Beginn mit unspezifischen Symptomen eines viralen Infektes einhergeht (Fieber, makulopapu- löser Hautausschlag (fleckig, mit kleinen Knötchen)) und man dann monate- bis SURVEILLANCE REPORT in the Centre 2 (3.2 per 100 000) (Table A, Fig. A). The main transmissio mode varied by geographical area, illustrati the div rsity in the epidemiology of HIV in E rope. Sexual transmission betwe n m was the most com on mode in the EU/EEA and heterosexual contact and injecting drug use were the main reported transmi - sion modes in the East of the Region. The rate of new diagnoses in the Region was higher among men than women in all age groups, except among people under 15 years. Just over half (53%) of those diagnosed with HIV in 2017 in the European Region were diagnosed at a late stage of infection (CD4 cell count < 350 cells/mm 3 at diagnosis). This percentage was highest in the East (57%), lower in 2 The grouping of countries into the West (23 countries), Centre (15 countries) and East (15 countries) of the WHO European Region is based on pidemiological considerations nd follows the division of countries used in reports published by EuroHIV since 1984: see Annex 1, Figure A1.1 for details.

Dr. Verena Stahl (Herdecke) ist Apothekerin und wurde an der University of Florida als Semi-Resident im landes- weiten Drug Information & Pharmacy Resource Center ausgebildet. Außerdem: berufsbegleitende Dissertation zu einem Thema der AMTS, freiberufliche Tätigkeit u. a. als Autorin für die DAZ und als Referentin für diverse Apothe- kerkammern.

Dr. Verena Stahl Foto: Alois Müller

HIV/AIDS surveillance in Europe 2018 – 2017 data

jahrelang symptomfrei ist. Erst nach Jah- ren der Erkrankung resultiert eine Im- munschwäche mit opportunistischen Infektionen, die Anlass geben, sich näher untersuchen zu lassen. Bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), dauert es hierzulande im Durchschnitt etwa fünf Jahre von der Infektion bis zur Diagnose, bei heterosexuellen Personen sogar noch länger 1 !

MSM mittlerweile immer früher diagnos- tiziert und damit therapiert werden kön- nen. 1 Eine unzureichende Testbereitschaft liegt hingegen bei älteren Personen, Hete- rosexuellen und Personen mit Migrations- hintergrund vor. 1,2 In vielen Fällen ist die Infektionskrankheit bei Erstdiagnose dann bereits so weit fortgeschritten, dass eine simultane AIDS-Diagnose gestellt wird oder das Immunsystem schon derart ge- schwächt ist, dass CD4-Werte unter 350 Zellen/µL Blut vorliegen. Bei dieser Art der Spätdiagnose spricht man von sogenann- ten „late presentern“, sie betrifft bei Erst- diagnose mehr als jeden Dritten, der HIV über eine heterosexuelle Transmission erworben hat (35 Prozent). Bei MSM sind es – trotz abnehmender Tendenz – immer noch circa 30 Prozent 1 (Daten für Europa s. Abb. 1). Folgt man den Idealen der Vereinten Nati- onen, so sollte die AIDS-Epidemie bis zum Jahr 2030 beendet werden. Hierzu müs- sen im Jahr 2020 weltweit die sogenann- ten 90-90-90-Zielvorgaben erfüllt sein. Diese besagen, dass • mindestens 90 Prozent aller HIV-Infi- zierten ihren HIV-Status kennen sollen, • mindestens 90 Prozent aller Diagnos- tizierten therapiert werden sollen und • mindestens 90 Prozent aller Thera- pierten keine Viruslast haben sollen . UNAIDS-Ziel 90-90-90

the Centre (53%) and lowe in the West (49%), while 49% were diagnosed late in the EU/EEA (Table A, Fig. C). Linkage to care, measured as having a CD4 count per- formed a d reported, was assess d among the 26 147 new HIV diagno es in the Regio for whom data on date of diagnosis and date of CD4 count were reported. Among those who were linked to care, 86% had evidence of linkage within three months of diagnosis. This per- centage was highest in the Centre (96%) and lowest in the East (82%); in the EU/EEA, it was 92% (Fig. D). In 2017, 14 703 people were diagnosed with AIDS, as reported in 47 countries 3 of the WHO European Region, and the rate of new diagnoses was 2.3 per 100 000 op- ulation (Tabl A, se also Table 15 in the Tables section). In the EU/EEA, 3130 people were diagnosed with AIDS

Lieber zu früh als zu spät

Erfreulicherweise ist bei homosexuellen Männern eine steigende Testbereitschaft und hohe Testfrequenz innerhalb der letz- ten Jahre zu verzeichnen, welche, neben einer Verbesserung der Testangebote, dazu geführt hat, dass HIV-Infektionen bei

3 No data were reported by Belgium, Germany, the Russian Federation, Swed n, Turkmenistan or Uzbekistan.

Fig. C. Proportion of people diagnosed late (CD4 cell count < 350 per mm 3 ) by gender, age and transmission, WHO European Region, 2017 (n = 36 596) ABBILDUNG 1: Anteil von Patienten mit Spätdiagnose (CD4-Wert < 350 Zellen/mm³) in Abhängigkeit von Geschlecht, Alter und Art der Übertragung, WHO Region Europa, 2017 (n = 36.596). Quelle: European Centre for Disease Prevention and Control (https://ecdc.europa.eu).

Gesamt

Frauen Männer

0 Geschlecht Altersgruppen (Jahren) Transmission Fig. D. Linkage to care after HIV diagnosis in the EU/EEA, WHO European Region and West, Centre and East, 2017 (n = 26 147) 20 10 30 40 50 60 70 Heterosexuelle Transmission (Männer) Heterosexuelle Transmission (Frauen) I.v.-Drogengebrauch MSM 50+ 40–49 30–39 25–29 20–24 15–19 Prozent

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