Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 4/2019

ARZNEIMITTEL- UND WIRKSTOFFBEZEICHNUNGEN

TABELLE 2: Beispiele für Kennsilben in INN als Suffixe Suffix Wirkstoffgruppe

Löschung oder Rückruf der betreffenden Zulassung) und der Markteinführung des neu bezeichneten Arzneimittels fünf Jah- re abgewartet werden. In der Regel befin- det sich nach Ablauf dieser Frist kein Ex- emplar des vorherigen Arzneimittels mehr imMarkt oder bei den Patienten.

Beispiele

 -coxib  -dipin  -sartan

Cyclooxygenase 2-Inhibitoren

Celecoxib, Rofecoxib Nifedipin, Felodipin

Calciumkanalblocker

Angiotensin II-Rezeptor-Antagonisten Telmisartan, Valsartan

 -tinib

Tyrosinkinase-Inhibitoren 5-HT1-Rezeptor-Agonisten HMG CoA-Reduktase-Hemmer

Imatinib, Erlotinib

 -triptan

Sumatriptan, Rizatriptan Simvastatin, Pravastatin

Bezeichnung von Wirkstoffen, möglichst mit INN

 -vastatin

INNs für biologische und biotechnologi- sche Arzneimittel

chemisch-struktureller Sicht oder auf Grund der Wirkungsweise. Oft stehen da- nach nur ein paar Buchstaben zur Verfü- gung, die frei gewählt werden können. Mittlerweile gibt es rund 400 sol- cher Kennsilben. Sie sind im Common Stem Book 2018 der WHO zusammen mit Anwendungsbeispielen alphabetisch aufgelistet. 11 Common stems können am Wortanfang (als Präfixe) im Wort (als Infixe) und/oder am Wortende (als Suffixe) verwendet werden, wobei reine Präfixe relativ selten sind. 12 Beispiele sind „Cef-“ für die Cepha- losporin-Antibiotika (z. B. Cefalexin, Ce- furoxim) oder „Sulfa-“ für antibakterielle Sulfonamide (z. B. Sulfamethoxazol, Sul- fadiazin). Die weitaus größte Bedeutung haben Kennsilben, die nur als Suffixe ver- wendet werden (Tab. 2). Einige Kennsilben können an allen drei Positionen, das heißt als Präfix, Infix oder als Suffix eingesetzt werden, wie etwa „-gest-“ für Progesterone, z. B. Gestrinon, Norgestrel, Dienogest. Manche wurden im Laufe der Jahre durch den Zuwachs an neuen Wirkstoffen weiter verfeinert. Ein Beispiel dafür ist der common stem „-vir-“, der zunächst ganz allgemein für antivirale Wirkstoffe steht. Heute führt die WHO- Liste noch einige erweiterte Suffixe dazu auf, wie z. B. • „-cavir“ für carbozyklische Nukleoside (z. B. Abacavir, Entecavir) oder • „-navir“ für HIV-Proteasehemmer (z. B. Lopinavir, Ritonavir). Beispiele für Kennsilben Komplexe Verfeinerungen

Für die Bezeichnung der Wirkstoffe sollen in erster Linie die internationalen Kurz- bezeichnungen der Weltgesundheitsor- ganisation (International Nonproprietary Names, INN) verwendet werden. Mit dem INN soll ein Arzneimittelwirkstoff unab- hängig von dem jeweiligen Handelsprä- parat einwandfrei identifiziert werden können. Wie bei den Handelsnamen sol- len Verwechslungen mit anderen Namen möglichst ausgeschlossen werden. 9 Die INN-Sammlung der WHO umfasst heute rund 9300 Einträge. Jedes Jahr kommen etwa 160 neue dazu. Für die Festlegung darf der Entdecker der Substanz Vorschläge machen. Nach Ab- stimmung mit den nationalen Nomen- klaturbehörden veröffentlicht die WHO auf dieser Basis einen vorgeschlagenen INN (proposed INN, pINN). Geht über eine bestimmte Einspruchsfrist kein Wider- spruch ein, so wird aus dem proposed INN der empfohlene INN (recommended INN, rINN). Zweimal pro Jahr werden Listen neuer rINNs im Journal „WHO Drug Infor- mation“ bekannt gemacht. Es gibt auch eine kumulative Liste, die fortlaufend ak- tualisiert wird. Wie entsteht ein INN? INN müssen nach den Vorgaben der WHO kurz und in Aussprache und Schreibwei- se eindeutig sein. 10 Obwohl sie sich oft sehr „phantasievoll“ anhören, sind die sprachlichen Gestaltungsmöglichkei- ten tatsächlich sehr eingeschränkt. Das liegt daran, dass die WHO für neue „Na- mensschöpfungen“ eine ganze Reihe von Kennsilben („common stems“) vor- gibt. Diese charakterisieren verwandte Gruppen von Wirkstoffen entweder aus Kennsilben für die „Familienzugehörigkeit“

Auch für diemeistenbiologischenund bio- technologischen Wirkstoffe wurden pas- sende Kennsilben entwickelt, so zum Bei- spiel für Kolonie stimulierende Faktoren („-stim“) oder für Interleukinrezeptor-An- tagonisten („-kinra“). Kompliziert sind die Namen monoklonaler Antikörper. Alle tra- gen das gemeinsame Suffix „mab“ (mono- clonal antibodies). Ein Infix vor dem „mab“ zeigt die Zielstruktur an, von denen es eine ganze Reihe gibt (z. B. „-li-“ für immun- modulierend oder „-ne-“ für neural), ein weiteres Infix steht für die Herkunft oder Herstellungsmethode des Antikörpers. So ist „Infliximab“ ein immunmodulierender („-li-“) chimärer Antikörper („-ximab“). Refanezumab ist demnach ein humani- sierter Antikörper („umab“) mit neuralem Angriffspunkt („ne“). Das INN-Schema für Gentherapien sieht Doppelwörter vor, wobei das erst Wort für die Gen-und das zweite für die Vektorkomponente steht (z. B. Talimo- gen laherparepvec für die onkologische Immuntherapie). Die internationalen Freinamen bezeich- nen in der Regel nur die wirksame Kom- ponente des Arzneistoffs. Bei Salzen oder anderen Derivaten wird die zusätzliche funktionelle Gruppe oder das Gegenion an den Freinamen des Wirkstoffs ange- hängt. So entstehen die „modifizierten INN“ (modified INNs) (z. B. Oxacillin Nat- rium). 13 Wenn die systematische Bezeich- nung der neuen Molekülkomponente zu lang ist, kann auch für diese eine inter- national anerkannte Kurzform verwen- det werden (z. B. „triflutat“ für „trifluo- roacetat“). Für die „Names for radicals & groups“ gibt es ebenfalls ein eigenes Modifizierte INNs

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