Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 4/2019

HIV-SELBSTTESTS

ABBILDUNG 2: Darstellung des Anteils der Menschen mit HIV-Infektion in Deutsch- land, die diagnostiziert (87 %), behandelt (92 % der Diagnostizierten) und erfolgreich behandelt werden (95 % der Behandelten) im Jahr 2017. (ART: antiretrovirale Therapie). 1

In Deutschland werden die letzten beiden Ziele Therapieergreifung und erfolgrei- cher Therapieverlauf dank gutem Zugang zu medizinischer Versorgung bereits heu- te schon erreicht (s. Abb. 2). 1 Man muss jedoch feststellen, dass nach wie vor eine hohe Zahl potentiell an- steckender HIV-Infizierter besteht (20.500 von 86.000). Diese kann hierzulande am effektivsten geschmälert werden, indem das erste noch nicht erreichte Ziel stärker verfolgt wird und mehr HIV-Infizierte von ihrer Infektion wissen. Diese zentrale Her- ausforderung lässt sich allerdings nur be- werkstelligen, wenn die Testbereitschaft und -häufigkeit zunimmt und nicht durch Diskriminierung und soziale Ausgrenzung Betroffener behindert wird. Hilfreich ist, durch sogenannte „Test-Wochen“ eine möglichst große Personenzahl anzuspre- chen und für das Thema HIV-Test zu sensi- bilisieren. In Bayern findet beispielsweise vom 25.11. bis zum 01.12.2019 eine HIV- Testwoche statt (www.testjetzt.de). Vor weitaus größeren Herausforderungen ste- hen jedoch Länder in Osteuropa und Zent- ralasien. Hier belegen Zahlen aus dem Jahr 2018, dass nur 72 Prozent der HIV-Infizier- ten ihren Status kennen und lediglich 53 Prozent der Diagnostizierten Zugang zu einer antiretroviralen Behandlung haben. 3 Nur sechs Länder konnten übrigens bis dato die 90-90-90-Zielvorgabe erfüllen, weshalb ein Ende der AIDS-Epidemie noch nicht greifbar ist.

Anteil der Menschen mit HIV in%

Menschen mit HIV chen mit HIV

95% KI I

120 1

100 10

~ 87%

~ 92%

86.000 (80.000 – 92.400)

~ 95%

80

74.800 (69.100 – 80.900)

60

68.800 (66.000 – 71.600)

65.500 (62.800 – 68.200)

40

20 2

Anteil der Menschen mit HIV (in %)

0

HIV-Infektion HIV diagnostiziert I ti I i stiziert

unter ART erfolgreiche ART u ter erfolgr i T

bei einer Einrichtung der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. (DAH) oder in sogenannten Checkpoints möglich (Anlaufstellen siehe Adresssuche der Deutschen AIDS-Hilfe e.V.: https://www.aidshilfe.de/adressen). Die Testung ist mit einer geringen Gebühr verbunden, in einigen Einrichtungen ist sie sogar kostenfrei. Selbstverständlich können auch Ärztinnen und Ärzte auf Pa- tientenwunsch einen HIV-Test veranlas- sen, wobei die Krankenkassen die Kosten im Falle eines Risikokontakts überneh- men. Ferner sind spezialisierte Fachärz- tinnen und -ärzte gute Ansprechpartner (Schwerpunktarztsuche unter www.dag- nae.de, DAGNÄ e.V. – Deutsche Arbeits- gemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter e.V.). Trotz der vielfältigen Testangebote gibt es vie- le Personen, die eine Testung bei den ge- nannten Institutionen scheuen. In vielen Ländern etablierten sich daher Einsende- tests und Selbsttests zügig und rundeten das Testangebot ab. Seit 2016 werden heimbasierte Tests auch von der Weltge- sundheitsorganisation WHO empfohlen, um Personen zu erreichen, die zum ersten Mal einen HIV-Test durchführen möch- ten, die aufgrund erhöhter Risiken häufig einen Test machen sollten oder die HIV- infiziert, aber nicht diagnostiziert sind. 4 In Deutschland konnten HIV-Selbsttests

bekanntermaßen erst durch Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) im Herbst 2018 zugelassen wer- den und sind seitdem in Apotheken, Dro- gerien und über das Internet erhältlich (autotest® VIH apothekenexklusiv). Leider konnte ein genereller apothekenexklusi- ver Vertrieb, wie etwa in Österreich, Dä- nemark, Irland und Spanien, zugunsten des noch niedrigschwelligeren Internet- Angebots nicht durchgesetzt werden. Die verschiedenen HIV-Testprinzipien un- terscheiden sich nach Einsatzgebiet und Nachweisprinzip. Der direkte Erregernach- weis mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ist die Variante, welche HIV zum frühestmöglichen Zeitpunkt, nach circa sieben bis 14 Tagen, nachweisen kann. Der Test auf Nukleinsäuren wird allerdings nicht in der Routinediagnostik eingesetzt, sondern zur Therapieüberprüfung von Patienten unter antiretroviraler Therapie, im Blutspendewesen und bei Neugebo- renen HIV-positiver Mütter. Der kosten- günstigere, indirekte Erregernachweis („Suchtest“) weist hingegen körpereigene Antikörper nach, die vom Immunsystem der infizierten Person nach einiger Zeit (drei bis zwölf Wochen) gebildet werden. Testprinzipien und diagnostische Lücken

Vielfältige Angebote zum HIV-Test

Die anonyme Beratung und Testung auf HIV ist beim örtlichen Gesundheitsamt,

PERSONEN MIT ERHÖHTEM HIV-RISIKO (REGELMÄSSIGER HIV-TEST EMPFOHLEN) • Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) • i.v.-Drogenkonsumenten (IVD, IDU) • Personen mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern • Prostituierte / Sexworker • Personen mit HIV-positivem Sexual- partner ohne erfolgreiche ART • Personen aus Regionen mit hoher HIV-Prävalenz (insb. Subsahara-Af- rika und Karibik)

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