Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 2/2022
ARZNEIMITTEL BEI ADIPÖSEN
TABELLE 2: Deskriptoren und ihre Berechnung zur Einschätzung des Körpers eines Men- schen und seine Zusammensetzung in Bezug auf Muskel und Fettmasse. 9 Erläuterung: *=0,4 stellt den am häufigsten verwendeten Korrekturfaktor dar. In manchen Publikatio- nen finden sich jedoch auch andere Werte.
der prozentuale Körperfettanteil wesent- liche Parameter zur Quantifizierung der Ausmaße des Körpers eines Individuums. BSA wird üblicherweise zur Dosierung von Chemotherapeutika verwendet, und korreliert verhältnismäßig gut mit kardi- alem Output und Blutvolumen. 2 Darüber hinaus wurden eine Reihe an Deskriptoren entwickelt, die helfen, den Körper eines Menschen und seine Zusammensetzung in Bezug auf Muskel und Fettmasse einzu- schätzen. Sie sind dargestellt in Tabelle 2. Die Fett-freie Masse (FFM = free fat mass) beschreibt Gewicht unter Ausschluss des essentiellen Fettanteils, wohingegen die Magermasse (LBW = lean body weight) das Gewicht der Organe, das Fett in Zell- membranen, Knochenmark und zentra- lem Nervensystem (ZNS) berücksichtigt. 2,6 LBW wurde entwickelt, um aus epidemio- logischer Sicht die Körpergröße in Relati- on mit Trends in Morbidität und Mortali- tät zu stellen. 5 Da es mit zunehmendem TBW nicht so stark sinkt wie das ideale Körpergewicht (IBW = ideal body weight), scheint das LBW eine zweckmäßigere Ab- schätzung als IBW zu sein, da sowohl Ge- schlecht als auch BMI berücksichtigt wer- den. Für Patient*Innen mit signifikantem Übergewicht ist LBW aber nicht ausrei- chend validiert. Das IBW wurde ursprüng- lich von einer Versicherung entwickelt, um optimales Körpergewicht für eine möglichst hohe Lebenserwartung abzu- schätzen. 2,4 An die Dosisanpassung von Arzneimitteln wurde dabei nicht gedacht, zudem wird das Körpergewicht in keiner Weise berücksichtigt. 6 Das vorhergesag- te Normalgewicht (PNWT = predicted normal weight) wurde für Menschen mit einem BMI > 25 kg/m 2 entwickelt. Dieser Deskriptor fasst LWB und den normalen Fettanteil des Körpers zusammen, wäh- rend überhöhtes Körpergewicht ausge- schlossen wird. 5 Es wurde insbesondere in der Onkologie validiert, wobei die gewon- nenen Daten bislang noch als limitiert angesehen werden müssen. PNWT kann anhand bisherigen Erkenntnissen nicht für Patient*Innen mit einem BMI größer als 52 kg/m 2 verwendet werden. 5 Das angepasste Körpergewicht (ABW = adjusted body weight) wurde zuerst zur Dosisanpassung von Aminoglykosid-Anti- biotika verwendet, die sich überwiegend extrazellulär verteilen. Es kompensiert den überschüssigen Anteil von Fett unter der
Deskriptor
Formel
Gesamtkörpergewicht (TBW = total body weight) Gesamtgewicht eines Individuums Body Maß Index (BMI = body mass index) Häufig benutzter Deskriptor zur Quantifizierung des Körpers Körperoberfläche (BSA = body surface area) Wird oft zur Dosisanpassung von Chemotherapeutika benutzt. Ideales Körpergewicht (IBW = ideal body weight) Wurde ursprünglich entwickelt um das Körpergewicht mit Mortalität in Relation zu setzen. Fügt einen Korrekturfaktor zu IBW hinzu, der dem Überschuss von TBW gegenüber IBW darstellen soll und insbesondere zur Berechnung des notwendigen Ernährungsbedarfs eines adipösen Individuums verwendet wird. Freie Fettmasse (FFM = free fat mass) Körpergewicht ohne Körperfettanteil Angepasstes Körpergewicht (ABW = adjusted body weight) Ursprünglich entwickelt, um die Körpergröße eines Patienten mit epidemiologischen Trends in Morbidität und Mortalität in Relation zu setzen. Vorhergesagtes Normalegwicht (PNWT = predicted normal weight) Neu entwickelter Deskriptor, um die Pharmakokinetik von Arzneistoffen besser zu beschreiben. Magermasse (LBW = lean body weight)
aktuell auf einer Waage gemessen [kg]
BMI [kg/m 2 ] = TBW [kg] / Körpergröße [m 2 ]
BSA [m 2 ] = 0,007184 x Körpergröße [cm] 0,725 x TBW [kg] 0,425
IBW Frau [kg] = 45 kg + 0,9 x (Körpergröße in cm > 150) IBW Mann [kg] = 50 kg + 0,9 x (Körpergröße in cm > 150)
ABW [kg] = IBW [kg] + 0,4* x (TBW [kg] – IBW [kg])
FFM Frau [kg] = 0,287 x TBW [kg] + 9,74 x Körpergröße [m] 2 FFM Mann [kg] = 0,285 x TBW [kg] + 12,1 x Körpergröße [m] 2
LBW Frau [kg] = 1,1 x TBW [kg] – 0,0128 x BMI [kg/m [kg] LBW Mann [kg] = 1,07 x TBW [kg] – 0,0148 x BMI [kg/m
2 ] x TBW
2 ] x TBW
[kg]
PNWT Frau [kg] = 1,75 x TBW [kg] – 0,0242 x BMI [kg/m 2 ) x TBW [kg] – 12,6 PNWT Mann [kg] = 1,57 x TBW [kg] – 0,0183 x BMI [kg/m 2 ) x TBW [kg] – 10,5
Vermutung, dass adipöses Gewebe 45 bis 50 % Extrazellulärflüssigkeit enthält. Adi- pöse Patient*Innen können einen Über- schuss von bis zu 30 % Fett haben. ABW verrechnet diese Veränderungen unter der Annahme, dass es bei Überschreiten des IBW zu einer Erhöhung um 40 % der Muskel- und 60 % der Fettmasse kommt. Dies gibt auch der Korrekturfaktor von 0,4 wieder, der häufig verwendet wird. 4,6 In Abhängigkeit von den Arzneistoffen kann sich dieser aber auch ändern. 6 Abbildung 1 zeigt die einzelnen Deskriptoren und wie sie miteinander unter Beachtung des Muskel- und Körperfettanteils in Relation stehen. Wichtig ist jedoch, dass ein einzelner Deskriptor aktuell nicht ausreicht, um
Dosisanpassungen sicher vornehmen zu können. So hängt der zu verwendende Deskriptor ganz wesentlich vom Arznei- stoff ab, für den eine Dosisanpassung vorgenommen werden soll. Zudem fehlen üblicherweise in Fachinformationen Er- läuterungen, welcher Deskriptor bei einer Dosisanpassung anhand des Körperge- wichts verwendet werden soll. Physiologische Veränderungen und mög- liche Auswirkungen der Adipositas auf die Pharmakokinetik von Arzneistoffen Mit erhöhtem Geweicht kommt es zu einer Reihe physiologischer Veränderun- gen. Der Körperfettanteil wird größer und zu einem gewissen Grad steigt auch die
16 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
Made with FlippingBook Digital Publishing Software