Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 2/2022

GESUNDHEITSKOMPETENZ

Gesundheitskompetenz Die Grundlage für gut informierte Gesundheitsentscheidungen

In unserer modernen Wissensgesell- schaft sind wir alltäglich mit einer Fülle von Informationen und Fakten konfrontiert, die zu überblicken und einzuordnen zunehmend schwerfällt. Dies betrifft in besonderemMaße In- formationen zu gesundheitsbezoge- nen Themen, wie gesundheitsför- derndes Verhalten und Prävention, Krankheitssymptome oder Behand- lungsmöglichkeiten. Diese Informati- onen zu finden, zu verstehen, zu be- werten und auf die eigene Lebenssi- tuation anwenden zu können, stellt nicht erst seit der Corona-Pandemie eine große Herausforderung dar. In diesem Zusammenhang rückt der Be- griff „Gesundheitskompetenz“ zu- nehmend in den Fokus. Gesundheitskompetenz ist eine freie Übersetzung des englischen Begriffs „Health Literacy“, der präziser mit „ge- sundheitsbezogener Literalität“ über- setzt werden könnte. Ursprünglich ver- stand man darunter grundlegende Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeiten, die es ermöglichen, Behandlungsanweisungen oder Hinweise zur Medikamentenein- nahme zu verstehen und zu befolgen. Im Zuge der sich ändernden Patientenrolle hin zu einer aktiven, informierten Teilha- be an der Entscheidungsfindung änderte sich jedoch auch diese Definition. Eine Person mit hoher Gesundheitskompetenz ist demnach in der Lage, gesundheitsrele- vante Informationen zu finden, zu verste- hen, zu bewerten und daraus begründete gesundheitsbezogene Entscheidungen im Sinne einer partizipativen Entscheidungs- findung für sich selbst abzuleiten. Das European Health Literacy Consortium de- finiert Gesundheitskompetenz wie folgt: „Gesundheitskompetenz basiert auf all- gemeiner Literalität und umfasst das Wis- sen, die Motivation und die Fähigkeiten von Menschen, relevante Gesundheits- informationen in unterschiedlicher Form zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, um im Alltag in den Berei- chen der Krankheitsbewältigung, Krank- heitsprävention und Gesundheitsförde- rung Urteile fällen und Entscheidungen

Dr. Julia Podlogar (Münster) ist Fachapothekerin für Arz- neimittelinformation und Klinische Pharmazie. Sie leitet die Abteilung Arzneimittelinformation und Medikations- management der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.

Dr. Julia Podlogar

treffen zu können, die ihre Lebensqualität während des gesamten Lebensverlaufs er- halten oder verbessern“. 1 In Bezug auf die Arzneimitteltherapie bzw. die Beratung in der Apotheke muss der Patient z. B. die Medikamentennamen und Beipackzettel lesen können sowie die Dosierung verstehen oder die Anzahl der Tropfen oder Tabletten berechnen kön- nen. Neben diesen grundlegenden Fähig- keiten muss er aber auch die Erklärungen verstehen, Rückfragen stellen und even- tuelle Probleme kommunizieren können. Außerdem muss er möglicherweise auf- tretende unerwünschte Wirkungen an sich selbst beobachten und sich darum kümmern können. Zu bedenken ist, dass einer Studie der Universität Hamburg zufolge in Deutsch- land 12,5 % der deutsch sprechenden Er- wachsenen zwischen 18 und 64 Jahren funktionelle Analphabeten sind, d. h. sie können zwar einzelne Wörter und Sätze lesen, nicht jedoch zusammenhängende Texte. 2 Dies führt zum einem „health deci- sion-making paradox“: 3 Während die Fülle gesundheitsrelevanter Informationen

lesen und schreiben gelernt zu haben. Im Beratungsgespräch in der Apotheke kön- nen in solchen Fällen z. B. Piktogramme hilfreich sein – allerdings muss der funkti- onelle Analphabetismus dafür überhaupt bekannt sein. Die Gesundheitskompetenz ist grund- sätzlich auch abhängig von den äußeren Umständen: Sie wird nicht nur durch die Kompetenzen und Fähigkeiten jedes ein- zelnen Menschen bestimmt, sondern hängt auch von den Anforderungen und der Komplexität der Systeme, Organi- sationen und Lebensbedingungen ab (s. Abb. 1). 4 Dies muss vor allem deshalb Be- achtung finden, um Personen nicht auf Grund ihrer geringen Gesundheitskom- petenz zu stigmatisieren, sondern letz- tere durch entsprechende organisatori- sche Maßnahmen nach Möglichkeit zu kompensieren.

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Folgen schlechter Gesundheitskompetenz

Abbildung 1. Das Zusammenspiel von persönlicher und systemischer/ organisationaler Gesundheitskompetenz (4) selbst für gut gebildete Personen kaum zu überblicken ist, verlassen jed s Jahr Ju e dliche di Schule, o ne ausreichend ABBILDUNG 1: Das Zusammenspiel von persönlicher und organisationaler Gesundheitskompetenz. 4 Das Verständnis der an ihn vermittelten Informationen ist Grundvoraussetzung für eine partizipative Entscheidungsfin- dung und dadurch begünstigte Adhärenz des Patienten. Vor allem bei Arzneimitteln

Fertigkeiten und Fähigkeiten des Einzelnen

Anforderungen und Komplexität des Systems

GESUNDHEITS- KOMPETENZ

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