Fortbildung aktuell – Das Journal Ausgabe 2023
DR. JUL IA PODLOGAR
Blutdrucksenker gab es seitens des Arztes keinen besonderen Grund; ab sofort wird die gesamte Tagesdosis morgens einge nommen. Statt neun Tabletten zu drei ver schiedenen Zeitpunkten muss sie nun nur noch sechs Tabletten zu zwei Zeitpunkten einnehmen, was sie deutlich entlastet. Um zu überprüfen, ob das geänderte Ein nahmeschema entgegen der Erwartung doch Auswirkungen auf den Blutdruck der Patientin hat, wird ein Termin für die phar mazeutische Dienstleistung „Standardi sierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“ in zwei Wochen vereinbart. Durch eine nicht mehr nachvollziehbare Empfehlung zur getrennten Einnahme von Flecainid und Metoprololsuccinat wurde die Patientin in ihrem Alltag stark belastet. Die Interaktion ist zwar klinisch relevant und muss überwacht werden, der Einnahmezeitpunkt hat hierauf je doch keinen Einfluss. Durch das Gespräch im Rahmen der erweiterten Medikations beratung kam das Problem ans Licht und konnte ohne großen Aufwand behoben werden. Frau M. ist 65 Jahre alt. Im letzten Jahr wurde bei ihr ein Estrogenrezeptor-po sitives Mammakarzinom diagnostiziert und mit Operation, Chemotherapie und Bestrahlung behandelt. Nach Abschluss der Chemotherapie wurde ihr vor vier Mo naten der Aromataseinhibitor Letrozol als adjuvante endokrine Therapie verordnet, den sie jeden Morgen einnimmt. Weitere Arzneimittel nimmt sie nicht ein. Auf die Frage, wie es ihr jetzt gehe, antwortet sie bei der Einlösung ihres Fol gerezepts zunächst positiv: Sie sei sehr er leichtert, dass sie die Erkrankung so weit gut überstanden habe und die Chemo therapie endlich vorbei sei. Nun freue sie sich darauf, wieder mit ihren Enkelkindern herumtoben, schwimmen und wandern gehen zu können. Einen Wermutstropfen gebe es allerdings: Seit neuestem leide sie unter Schmerzen in den Hand- und Kniegelenken, die sie im Alltag sehr ein schränken und belasten. Das ärgere sie, da sie sich eigentlich wieder recht fit fühle und voller Tatendrang sei. Sie habe schon Fazit Fallbeispiel 2: Eine Brustkrebspatientin mit Gelenkschmerzen
ABBILDUNG 1: Die Optimierung der Einnahmezeitpunkte kann die Arzneimitteltherapie der Patientinnen und Patienten vereinfachen und so einen entscheidenden Beitrag zur Förde rung der Adhärenz leisten. Foto: DEPOSITPHOTOS
verordnet, da diese Wirkstoffgruppe bei postmenopausalen Frauen eine Überle genheit gegenüber Tamoxifen in Bezug auf Gesamtüberleben und krankheitsfrei es Überleben zeigen konnte. Essenziell für den Therapieerfolg der endokrinen The rapie – unabhängig von der Auswahl des Wirkstoffs – ist eine gute Adhärenz über den gesamten empfohlenen Therapiezeit raum von in der Regel fünf Jahren. Etwa die Hälfte der Frauen bricht die Therapie allerdings früher ab. Dieser Mangel an Ad härenz ist mit einem signifikant erhöhten Sterberisiko verbunden. 5 Ein relevanter Grund für die geringe Adhärenz sind unerwünschte Begleiter scheinungen der Therapie. Neben gastro intestinalen Beschwerden und Hitzewal lungen treten unter Aromatasehemmern häufig Arthralgien auf, die meist in den ersten sechs Monaten der Therapie ein setzen und zunächst stärker werden, um dann im Verlauf wieder abzunehmen. Häufig betroffen sind Hand- und Knie gelenke. Die Ursache ist bisher nicht voll ständig bekannt. Moderate körperliche Aktivität wie Schwimmen, Radfahren oder Nordic Walking kann die Beschwerden lin dern. Als Bedarfsmedikation kommt z. B. Ibuprofen in Frage. Die Apothekerin klärt die Patientin im Rahmen des Gesprächs darüber auf, dass ihre Beschwerden eine Nebenwirkung der Therapie mit Letrozol sein könnten. Da
einen Termin beim Rheumatologen ge macht. Die Apothekerin hat jedoch bereits einen Verdacht, was hinter den Beschwer den stecken könnte, und bietet der Pati entin an, sich die Zeit für ein ausführliches Gespräch mit ihr zu nehmen.
Die Analyse
Als Patientin, der innerhalb der letzten sechs Monate ein orales Krebsmedika ment verordnet wurde, hat Frau M. An spruch auf die Erbringung der pharmazeu tischen Dienstleistung „Pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie“. Die Voraussetzungen für diese Dienstleis tung sind nämlich nicht nur bei Einnahme oraler Zytostatika oder Tyrosinkinase-Inhi bitoren erfüllt, sondern betreffen alle Arz neimittel des ATC-Codes „L – Antineoplas tische und Immunmodulierende Mittel“, worunter auch Tamoxifen, Anastrozol und Letrozol fallen. Nach Abschluss der Chemotherapie wird eine adjuvante endokrine Therapie bei Estrogenrezeptor-positivem Mamma karzinom laut der S3-Leitlinie „Diagnos tik und Therapie des Mammakarzinoms“ grundsätzlich empfohlen. Die Therapie mit Tamoxifen oder einem Aromatase hemmer reduziert die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs relativ ca. um 40 % und die des Versterbens relativ um 30 % 5 . Für Frau M. wurde ein Aromataseinhibitor
AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 9
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