Fortbildung aktuell – Das Journal Ausgabe 2023
ERWEITERTE MEDIKATIONSBERATUNG
Erweiterte Medikationsberatung Einfache Ansätze mit wirkungsvollen Effekten
Im Apothekenalltag kann es schwie rig sein, die Zeit und Ruhe für kom plexe Medikationsanalysen multi morbider Patient*innen zu finden, die nicht selten zehn oder mehr ver schiedene Arzneimittel einnehmen. Der Aufwand scheint groß, man ist vielleicht noch unsicher und es fällt schwer, den „ersten Schritt“ zu gehen und einfach anzufangen. Dieser Bei trag soll anhand ausgewählter Fall beispiele aus der Abteilung für Arz neimittelinformation und Medikati onsmanagement zeigen, dass auch Patienten mit relativ wenigen Arznei mitteln vom Angebot pharmazeuti scher Dienstleistungen profitieren können. Auch ein überschaubarer Aufwand für die Apotheke kann in vielen Fällen einen großen Nutzen für die Patient*innen bringen. Frau B. ist 72 Jahre alt. Sie leidet an Hyper tonie und Vorhofflimmern und hatte im letzten Jahr eine transitorische ischämi sche Attacke (TIA). Sie nimmt regelmäßig folgende Arzneimittel ein: • Flecainid 100 mg 1-0-1 • Candesartan 16 mg 1-0-1 • Lercanidipin 10 mg 1-0-1 • Metoprololsuccinat 47,5 mg 1-0-1 • Edoxaban 60 mg 0-0-1 Eigentlich fühlt sie sich gut und hat keine Symptome. Allerdings belastet es sie, so viele Tabletten nehmen zu müssen – sie fragt sich, ob man nicht einige weglassen könne, das sei alles so kompliziert. Au ßerdem berichtet sie, dass sie tagsüber häufig müde sei, weil sie morgens so früh aufstünde, um ihre Medikamente kor rekt einzunehmen. Auf die verwunderte Nachfrage der Apothekerin gibt sie an, man habe ihr gesagt, sie müsse wegen einer Wechselwirkung zwischen Meto prolol und Flecainid zwei bis drei Stun den Abstand zwischen den beiden Fallbeispiel 1: Verwirrung über Einnahmezeitpunkte
Dr. Julia Podlogar (Münster) ist Fachapothekerin für Arznei mittelinformation und Klinische Pharmazie. Sie leitet die Abteilung Arzneimittelinformation und Medikationsma nagement in der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.
Dr. Julia Podlogar
Arzneimitteln einhalten. Deshalb stelle sie sich den Wecker auf fünf Uhr, nehme das Flecainid und lege sich dann wieder hin, könne aber meist nicht wieder einschla fen. Das Metoprololsuccinat nehme sie um acht Uhr zum Frühstück ein.
sechs) Stunden erreicht – also genau zu dem Zeitpunkt, zu dem Frau B. die Met oprololsuccinat-Tablette einnimmt. Aus den Metoprolol-Retardtabletten wird der Wirkstoff über zwanzig Stunden kontinu ierlich freigesetzt. Die versetzte Einnahme belastet also die Patientin unnötig und verhindert die Interaktion nicht. Sowohl für Candesartan als auch für Lercanidipin und Metoprololsuccinat ist laut Fachinformation eine einmal tägliche Einnahme vorgesehen, da die Halbwerts zeiten ausreichend lang sind bzw. im Falle des Metoprololsuccinats eine kontinuier liche Freisetzung über zwanzig Stunden gewährleistet ist. 1,3,4 Wieso die Tagesdosis hier auf morgens und abends aufgeteilt wird, ist unklar. Gerade in der antihyper tensiven Therapie, bei der der Nutzen für die Patienten nicht immer unmittelbar zu spüren ist, ist die Therapietreue häufig schlecht. Eine einmal tägliche Einnahme würde die Adhärenz und damit den Thera pieerfolg möglicherweise verbessern. Nach Rücksprache mit dem Arzt wird der Medikationsplan dahingehend geändert, dass Frau B. die morgendliche Dosis von Flecainid zeitgleich mit ihren anderen Arzneimitteln einnehmen kann. Die be kannte, aber nicht zu vermeidende Inter aktion zwischen Flecainid und Metopro lolsuccinat wird weiterhin beobachtet, es besteht aber angesichts der guten kli nischen Situation kein Handlungsbedarf. Für die zweimal tägliche Einnahme der Das Ergebnis
Die Analyse
Frau B. nimmt regelmäßig fünf Arzneimit tel ein und hat damit Anspruch auf die pharmazeutische Dienstleistung “Erwei terte Medikationsberatung bei Polyme dikation“. Ein Interaktionscheck zeigt der Apothekerin, dass tatsächlich eine Inter aktion zwischen Metoprolol(succinat) und Flecainid besteht. Da beide sowohl Sub strat als auch Hemmer des CYP2D6 sind, kann es in dieser Kombination zu einer gegenseitigen Abbauhemmung kommen. Zudem soll die Kombination von Betablo ckern mit Klasse-I-Antiarrhythmika auf grund der potenziell additiven Wirkungen auf die atrioventrikuläre Überleitungszeit und der additiven negativ-inotropen Wir kungen grundsätzlich mit Vorsicht erfol gen. Eine Dosisreduktion kann erforderlich sein. Im Fall von Frau B. finden regelmäßig EKG-Kontrollen statt. Von Plasmaspiegel kontrollen habe der Arzt bisher abgese hen, da klinisch alles in Ordnung scheine. Entscheidend für die Beratung ist, dass sich die Interaktion durch versetzte Ein nahmezeitpunkte nicht verhindern lässt. Die Plasmahalbwertzeit von Flecainid be trägt laut Fachinformation zwanzig Stun den 1 ; die maximale Plasmakonzentration ist nach durchschnittlich drei (zwei bis
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