Fortbildung aktuell – Das Journal Ausgabe 2023
RISIKOERFASSUNG HOHER BLUTDRUCK
der Abgabe und Beratung in der Apotheke berücksichtigt werden sollte. Dabei sollten Patienten auch über mögliche Fehlerquel len bei der Blutdruckmessung informiert werden, und bei der Auswahl geeigneter Geräte sollten Grunderkrankungen wie Arrhythmien etc. berücksichtigt werden (s.o.), und ggfs. Parallelmessungen ange boten werden. Für die Anwendung und den Verleih von Blutdruckmessgeräten ergeben sich für Apotheken aus der geänderten Medi zinprodukte Betreiberverordnung (MP BetreibV) bereits seit Januar 2017 eine Reihe von Verpflichtungen, unter ande rem zum Führen eines Medizinproduk tebuches. Durch das Angebot von Blut druckmessungen werden Apotheken zu Medizinprodukt-Betreibern und müssen die verwendeten Geräte alle zwei Jahre einer messtechnischen Kontrolle unter ziehen (v.a. wegen Dichtungen / Schläu chen), oder durch Neugeräte ersetzen. Messungen dürfen außerdem nur durch entsprechend qualifiziertes Personal mit aktuellen Kenntnissen durchgeführt wer den. Apotheken mit mehr als 20 Mitar beitern müssen einen Beauftragten für Medizinproduktesicherheit bestimmen, der über eine auf der Internetseite be kanntgemachte Funktions-Emailadresse erreichbar sein muss. Eine Diagnosestel lung durch pharmazeutisches Personal ist zwar aufgrund des Verbots der Aus übung der Heilkunde ausgeschlossen, stattdessen werden die in Apotheken gemessenen Werte nach einem Ampel Schema (Abb. 2) entweder als „im grünen Bereich“ liegend, als abklärungsbedürftig („gelb“) oder oberhalb wünschenswerter Blutdruckwerte liegend („rot“) eingeteilt, Rechtliche Anforderungen an Medizinproduktebetreiber
abgeraten. Der Verleih von 24h-Blutdruck messgeräten durch Apotheken dürfte bis lang eher noch die Ausnahme sein.
verfügbar, mit denen vollautomatische Dreifachmessungen inkl. Mittelwertbil dung aus 2. und 3. Messung theoretisch auch unbeaufsichtigt vorgenommen wer den könnten (z. B. aponorm® Basis Control PLUS Offizin Oberarm-Blutdruckmessgerät).
Patientenselbstmessungen (HBPM)
Aktuelle Leitlinien zur Hypertoniebehand lung betonen die Bedeutung häuslicher Blutdruckmessungen (also durch die Pati enten selbst), unter anderemaufgrund der mit 30-40% relativ hohen Zahl von Weiß kittelhypertonie-Fälle, und ca. 15% „mas kierter“ Hypertoniefälle. Einige empfehlen sogar deren Ausweitung, umeinerseits die ärztliche Hypertonie-Diagnose zu bestäti gen, aber auch für das Therapie-Monito ring. Die Patienten sollten dazu gebeten werden an mindestens drei, vorzugsweise sechs bis sieben aufeinander folgenden Tagen vor dem Arztbesuch morgens und abends Blutdruckmessungen mit einem voll- oder halbautomatischen, validierten Blutdruckmessgerät durchzuführen, und zwar jeweils zwei Messungen im Abstand von 1-2 min. nacheinander. Die Grenzwer te für eine Hypertonie-Diagnose liegen bei Patienten-Selbstmessungen aufgrund des fehlenden Weißkittel-Effektes niedriger als bei Messungen in der Arztpraxis, und zwar bereits bei Mittelwerten ab 135/85 mmHg statt ab 140/90 mmHg. Blutdruck messungen durch geschulte Patienten zu Hause (Selbstmessung) gelten als zuver lässiger Risikoprädiktor, sind leicht verfüg bar und preiswert in der Durchführung (auch über längere Zeiträume), außerdem beteiligen sie den Patienten aktiv an der Therapie, bieten ihm eine Rückkopplung des Therapieerfolgs und erhöhen somit indirekt die Patienten-Compliance. Im Ver gleich zu 24h-Messungen werden jedoch ausschließlich Ruheblutdruck-Werte erho ben, und normalerweise keine nächtlichen Werte. Es bestehen außerdem grundsätz liche Risiken für Bedienungsfehler, was bei
Vorteile und Limitationen ambulanter 24h-Messungen (ABPM)
So lange Übertragbarkeit und Stellenwert unbeaufsichtigter (Dreifach-) Praxismes sungen noch unklar sind, bleiben die bei den wichtigsten Methoden zur verlässli chen Diagnosestellung einer arteriellen Hypertonie und auch vonWeißkittel- oder maskierten Hypertonien die ABPM und HBPM. 24h-Messungen haben zusätzlich den Vorteil, nächtliche Blutdruckwerte und das Blutdruckverhalten unter Alltagsbe lastungen bestimmen zu können, und sie liefern den behandelnden Ärzten grö ßere Datenmenge als Messungen in der Arztpraxis. Allerdings wird das Tragen der Geräte oft als unbequem empfunden, und sie sind relativ teuer. In der gängigen Praxis der Langzeitmessung wird zudem meist übersehen, dass bei den einzelnen, bis zu 180 Sekunden andauernden Mess vorgängen selbstverständlich dieselben Regeln zur Vermeidung von Fehlerquellen beachtet werden müssen, wie sie weiter oben beschrieben wurden. Die in vielen deutschen Arztpraxen lei der gängige Formulierung beim Anlegen eines 24h-Gerätes ("verbringen Sie den Tag einfach genauso wie jeden anderen Ihrer (Arbeits-)Tage") birgt daher ein Risiko für häufige fehlerhafte Messergebnisse bei der Tagesmessung. Auch hier werden die notwendigen fachlichen Hintergründe in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Angehörigen der Medizinberufe bisher nicht ausführlich genug vermittelt. In einigen Gebrauchsanweisungen weisen Hersteller von 24h-Blutdruck messgeräten bereits explizit auf das nö tige Vermeiden von Fehlerquellen wie Be wegungen, Sprechen, Veränderungen der Körperposition, Vibrationen und Lärmex position während des Messvorgangs hin. Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Oszillationskurven durch in der Nähe befindliche Mobiltelefone oder andere Quellen elektromagnetischer Strahlung gestört werden können, und vom Auto fahren und dem Bedienen von Maschinen während der Langzeit-Blutdruckmessung
ABBILDUNG 2: Ampel-Schema gemäß dem Informationsbogen Blutdruck. 9
20 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
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