Mitteilungsblatt 4/2018, 5. Oktober 2018
RATGEBER APOTHEKENPRAXIS
weiter erhöht, da der für die Resorption essenzielle intrinsic factor (IF) in der Ma- genschleimhaut möglicherweise nicht mehr ausreichend gebildet wird. Zu den (unspezifischen) Anfangssymptomen ei- nes Vitamin-B12-Mangels gehören auch Kraftlosigkeit, Stimmungsschwankun- gen und Persönlichkeitsveränderungen. Im Falle eines IF-Mangels muss die The- rapie durch intramuskuläre Injektionen erfolgen. • Interaktionschecks in gängigen Da- tenbanken weisen außerdem auf ein erhöhtes Risiko für QT-Zeit-Verlänge- rungen und Torsade-de-Pointes-Arrhyth- mien hin, das zum Beispiel für Torasemid, Prednisolon, Citalopram und Pregabalin beschrieben ist. Zwar ist der Kalium- spiegel mit 4,9 im Normbereich, eine in dieser Hinsicht besonders kritische Hy- pokaliämie besteht also nicht. Dennoch empfiehlt sich auch angesichts des Al- ters des Patienten eine EKG-Kontrolle. Mit dem Einverständnis des Patienten be- spricht die Apothekerin die oben genann- ten arzneimittelbezogenen Probleme mit dem Hausarzt, der Folgendes veranlasst: • Das Prednisolon wird umgehend (aus- schleichend) abgesetzt, da die ursprüng- liche Indikation unklar ist und offensicht- lich nicht mehr besteht.
• Bei einer Magenspiegelung wird eine chronische Gastritis Typ C diagnosti- ziert; diese erklärt plausibel die Appetit- losigkeit und den Gewichtsverlust. Eine medikamentöse Therapie mit Protonen- pumpenhemmern wird zunächst nicht eingeleitet, da sich die Symptomatik möglicherweise bereits durch Abset- zen eines der beiden möglichen auslö- senden Arzneimittel sowie durch eine Schonkost bessert. Außerdem kann die Gabe von Antazida das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel erhöhen, da die Freisetzung von Vitamin B12 aus der Pro- teinbindung säureabhängig ist. • Der B12-Status wird ebenfalls überprüft und zeigt ein deutliches Defizit, wie es bei Senioren und Gastritis-Patienten häufig ist.
Grunderkrankung (Depression) neurolo- gisch-psychiatrisch abgeklärt werden.
• Äußerst kritisch ist die dauerhafte Ein- nahme von Prednisolon außerdem im Hinblick auf die gastrointestinale Ver- träglichkeit. Der hochbetagte Patient nimmt seit Jahren Prednisolon und ASS ohne einen Protonenpumpenhemmer ein. Auch wenn die zum Teil sehr groß- zügige Anwendung von PPI bei Älteren im Hinblick auf mögliche Langzeitfolgen (Osteoporose etc.) häufig in Frage ge- stellt werden muss, wäre sie in diesem Fall wohl indiziert. Die beschriebenen gastrointestinalen Symptome – Appe- titlosigkeit in Verbindung mit Gewichts- verlust – legen den Verdacht auf eine Gastritis, ein Ulcus oder gar eine gast- rointestinale Blutung nahe. Der Patient sollte unbedingt gastroenterologisch vorgestellt werden. • Differentialdiagnostisch sollte auch der Vitamin-B12-Status des Patienten über- prüft werden. Senioren haben aufgrund der im Alter abnehmenden Magensäu- reproduktion ein erhöhtes Risiko, einen Vitamin-B12-Mangel zu entwickeln (Prävalenz: 10-30 %), da das Vitamin zunächst im Sauren aus seiner Prote- inbindung gelöst werden muss. Sollte außerdem tatsächlich eine Gastritis vor- liegen, ist das Risiko eines B12-Defizits
• Das veranlasste EKG ist unauffällig, soll jedoch regelmäßig wiederholt werden.
• Darüber hinaus wird ein Termin beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, der den Patienten seit Jahren nicht gese- hen hat, vereinbart. Dabei soll die neu- rologisch-psychiatrische Medikation vor dem Hintergrund der neugewonnenen Erkenntnisse hinterfragt und die Diagno- se „Depression“ überprüft werden. <
20 / AKWL Mitteilungs blatt 04-2018
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