Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 4/2021

INA RICHL ING

TABELLE 2: Aktuelle Laborparameter

Leberfunktion sollte bei diesem Patien- tenkollektiv mit einer niedrigen Statindo- sis begonnen werden. Nach dem Aufnahmegespräch mit Herrn P. ergeben sich folgende mögliche Arznei- mittelbezogene Probleme (ABPs): Cholecalciferol (Vitamin D3) Bei gleichzeitiger Anwendung von Calci- um-, Vitamin D- und Thiazid-Präparaten ist das Risiko fur eine Hypercalcämie er- höht, da Vitamin D die Resorption von Calcium erhöht und Thiazid-Diuretika in- direkt die Calciumausscheidung im Harn vermindern. Der Patient nimmt zurzeit 3 Präparate mit Cholecalciferol ein. Durch die Mehrfacheinnahme und der Interak- tion mit HCT besteht das Risiko einer Hy- percalciämie mit weiterer Schädigung der Niere. Sowohl das 25-OH-Cholecalciferol als auch der Calciumspiegel sind imNorm- bereich, so dass zwei Präparate mit Vita- min D3 abgesetzt werden können. Dosisanpassung an die Nierenfunktion für die zurzeit eingesetzten Arzneistoffe (dosing.de/Fachinformationen) Aus dem Laborblatt des Patienten gehen folgende Daten hervor: • Serum Kreatinin: 2,02 mg/dl • eGFR: 29 ml/min/1,73m 2 (CKD-EPI) (Stadium G4 der chronischen Nie- renerkrankung, s. Tabelle 4) Doppelmedikation und Interaktion

potenzielle Hypoglykämierisiko und die weitere Lebenserwartung des Patienten. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft emp- fiehlt in der S2k-Leitlinie „Diabetes mel- litus im Alter“ (5) auch einen Zielkorridor für Blutdruck und HbA1c nach Pflegeab- hängigkeit, kognitiver Einschränkung und Lebenserwartung (s. Tab.3). Die Dyslipidämie-Leitlinie der ESC (6) emp- fiehlt bei Älteren mit erhöhtem Neben- wirkungsrisiko eine Statintherapie mit geringerer Intensität. Das LDL-C sollte auf <1,8 mmol / l (<70 mg / dl) gesenkt oder um ≥ 50% reduziert werden, wenn der Ausgangswert darüber liegt. Statine werden mit zunehmendem Alter seltener eingesetzt, obwohl in Studien (7-9) gezeigt wurde, dass auch Ältere von einer lipidsenkenden Therapie profitie- ren können. Als Sekundärprophylaxe ist die Statintherapie für Patienten über 65 Jahre mit kardiovaskulären Erkrankungen genauso indiziert wie für jüngere Patien- ten. In der Primärprevention bei älteren Patienten werden Statine nach kardiovas- kulärem Risiko eingesetzt. Patienten über 75 Jahre und einem sehr hohen Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen sollten demnach auch mit Statinen behandelt werden. Aufgrund vonWechselwirkungen und/oder eingeschränkter Nieren- oder Therapieziel LDL-Cholesterin Einsatz von Statinen

Referenzwert aktueller Wert

Natrium

132-146 mMol/l 3,70-5,40 mMol/l 2,20-2,65 mMol/l

140 4,51 2,65

Kalium

Calcium

25-OH-Chole- calciferol

> 20 µg/l

26

Folsäure

>5,4 µg/l <174 IU/l

13,2

CK

53

Bilirubin gesamt

<1,00 mg/dl

0,41 24,0 21,0 51,0 121 152

GOT GPT GGT

10-50 IU/l

<50 IU/l

<64,0 IU/l

AP

40-129 IU/l 60-99 mg/dl

Glucose

HbA1c

4,40-5,80 % 7,0

Serum-Kreatinin <1,20 mg/dl

2,02

GFR/CKD-EPI

>90 ml/ min/1,73m2 <200 mg/dl <200 mg/dl

29

Cholesterin Triglyceride

140 130

HDL-Cholesterin 40-60 mg/dl

45 69 13

LDL-Cholesterin

<155 mg/dl <0,50 mg/dl

CRP

<150/90mmHg als Ziel (2-4). Man kann so- mit eher von einem Blutdruck-Zielkorridor sprechen als von festen Zielwerten.

Therapieziele Diabetes

Ein individueller Zielkorridor für älte- re Patienten ist auch hier sinnvoll, die- ser berücksichtigt unter anderem das

TABELLE 3: Zielkorridore fur altere Menschen mit Diabetes (*nach [Landgraf 2015], **nach [James 2014]; alle anderen Zielwerte nach [American Diabetes Association (ADA) 2015]); S2k-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter der DDG 07/2018**nach [James 2014]; alle anderen Zielwerte nach [American Diabetes Association (ADA) 2015]); S2k-Leitlinie Diagnos- tik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter der DDG 07/2018

Patientengruppe

Begründung

HbA1c

Blutglukose vor den Mahlzeiten

Blutdruck (bei den über 80-Jähri- gen gelten die "Hypertension in the Very Elderly Trial"-Zielwerte)

Wenig Begleiterkrankungen Kognitiv nicht eingeschränkt (funktionell unabhängige Patienten) Sehr alte oder multimorbide oder kognitiv leicht eingeschränkte Patienten (funktionell leicht abhängige Patienten) Pflegeabhängige oder kognitiv stark eingeschränkte Patienten (funktionell stark abhängige Patienten)

Lebenserwartung >15 Jahre Vorteile einer intensiven Therapie können erlebt werden. Lebenserwartung <15 Jahre Vorteile einer intensiven Therapie können nicht erlebt werden. Erhöhtes Hypoglykämie- und Sturzrisiko

6,5-7,5% (47,5-58,5 mmol/mol)

100-125 mg/dl 5,6-6,9 mmol/l

Über 80 Jahre: < 150 mmHg 60-80 Jahre: <140 mmHg (ESC/ESH)

≤8,0% (63,9 mmol/mol)

100-150 mg/dl 5,6-8,3 mmol/l

Sollte <150 mmHg

Begrenzte Lebenserwartung

< 8,5% (69,4 mmol/ mol)

110-180 mg/dl 6,1-10 mmol/l

Individuelle Therapieentscheidung, die den Gesamtkontext des Patienten einbezieht (da keine Zielwertevidenz)

End of Life

Individuell mit dem Ziel der Symptomfreiheit

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