Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 4/2021

SICHERHEIT VON IMPFUNGEN

TABELLE 3: Liste der Impfstoffe, die Hühnereiweiß enthalten und Empfehlungen für Hühnereiweiß-Allergiker. 5

als nach einer Immunisierung mit einem Totimpfstoff. Menschen, die unter einem angebo- renen Immundefekt leiden oder medi- kamentös immunsupprimiert sind, dür- fen nicht mit einem Lebendimpfstoff immunisiert werden. Das gilt auch für Tumorpatienten, die gerade therapiert werden oder ihre Therapie vor weniger als 6 Monaten abgeschlossen haben. Sie können die attenuierten Pathogene nicht ausreichend bekämpfen und es kann zu den entsprechenden Erkrankungen kommen. Weil befürchtet wird, dass die Lebendviren die Plazentaschranke pas- sieren und den Fötus infizieren, der noch kein ausgereiftes Immunsystem besitzt, darf auch Schwangeren kein Lebendimpf- stoff verabreicht werden. Allerdings ist eine versehentliche Impfung mit attenu- ierten Pathogenen kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch. Im Falle elektiver therapeutischer In- terventionen ist es demnach wichtig und ratsam, noch vor Beginn der medikamen- tösen Intervention den Immunstatus zu überprüfen und Impflücken zu schließen. In seltenen Fällen verändern sich die atte- nuierten Pathogene im Wirtsorganismus derart, dass sie ihre ursprüngliche Virulenz wieder erlangen und sogar in Personen mit intaktem Immunsystem eine Erkran- kung auslösen (s. Tab. 4).

Hühnereiweiß- Gehalt

Empfehlung für Hühnereiweiß-Aller- giker

Impfstoffe aus Anzucht auf Hühnerembryonen Gelbfieber (Stamaril®) ++++

Impfung kontraindiziert Impfung kontraindiziert

Influenza (alle zugelassenen Influenza-Impfstoffe außer Optaflu®)

++

Impfstoffe aus Anzucht auf Hühnerfibroblasten Masern, Mumps (alle zugelassenen Masern- und MM(R)-Impfstoffe) +

Oftmals gelingt das bereits durch einige wenige Mutationen im Genom. Diese Vi- ren – nur in wenigen Fällen auch Bakterien – können nach wie vor Menschen infizie- ren und sich in ihnen vermehren. Sie kön- nen aber keine Krankheit mehr auslösen. Zumindest dann nicht, wenn die infizier- ten Organismen ein gut funktionierendes Immunsystem besitzen. Derartige lebend-attenuierte Patho- gene persistieren nach der Impfung für einige Zeit im Körper und stimulieren nachhaltig das Immunsystem: Sie liefern eine Vielzahl verschiedener Epitope, ge- gen die jeweils spezifische Antikörper und zytotoxische T-Zellen gebildet werden. Wie gut diese Lebendimpfstoffe wirken ist auch daran zu sehen, dass die Impfre- aktionen meist deutlich stärker ausfallen Grundsätzlich nicht kontraindiziert, aber: Kinder mit klinisch sehr schwerer Hühnereiweißallergie ggf. im Krankenhaus impfen Grundsätzlich nicht kontraindiziert, aber: Kinder mit klinisch sehr schwerer Hühnereiweißallergie ggf. im Krankenhaus impfen Präexpositionell kann als Alternative der Einsatz von Tollwutimpfstoff-HDC inaktiviert® erwogen werden

FSME (alle zugelassenen FSME-Impfstoffe)

+

Tollwut (nur: Rabipur®)

+

Impfen bei Allergikern

Besonders kritisch im Kontext einer Al- lergie sind Impfstoffe, die aus einer An- zucht auf Hühnerembryonen stammen. Für Hühnereiweiß-Allergiker ist somit eine Impfung mit dem Gelbfieber-Impfstoff Stamaril® oder mit allen in Hühnerei- ern produzierten Influenza-Impfstoffen kontraindiziert. Aber auch die Impfstof- fe gegen FSME oder gegen Masern und Mumps können noch geringe Mengen Hühnereiweiß enthalten, da die entspre- chenden Viren in Hühnerfibroblasten ge- züchtet werden. Diese Impfungen sind für Allergiker nicht prinzipiell kontraindiziert. Liegt allerdings eine sehr schwere Allergie vor, sollten die entsprechenden Personen gegebenenfalls im Krankenhaus geimpft werden, um auf eine mögliche anaphylak- tische Reaktion sofort reagieren zu kön- nen (s. Tab. 3). 5 Einige Krankheiten, die mit Immunisierun- gen in Zusammenhang gebracht werden, treten auffällig gehäuft nach der Verab- reichung bestimmter Lebendimpfstof- fe auf. Bei dieser Art Vakzine handelt es sich um Pathogene, die meist über einen längeren Zeitraum in Modellorganismen gezüchtet werden (passagiert), damit sie ihre Virulenz für den Menschen verlieren. Nebenwirkungen von Lebendimpfstoffen

Poliovakzine

Das bekannteste Beispiel dafür ist die Vakzin-assoziierte paralytische Poliomy- elitis (VAPP), die mit einer Häufigkeit von einem Fall in 2–4 Millionen Impfungen

TABELLE 4: Erkrankungen nach Impfungen. 3

Erkrankungen Häufigkeit Ursache/Pathomechanismus Arthritis, Arthralgie je nach Impfung Tage bis Wochen nach Rötelnimpfung (13–15 %) oder nach Hepatitis-B-Impfung (bis 1 %) durch Immunkomplexe Thrombopenie ca. 1:30.000 Tage bis Wochen nach MMR-Impfung durch Immunkomplexe Vaskulitis Einzelfälle Tage bis Wochen nach Hepatitis-B-, Röteln-, Mumps-,

Diphterie/Tetanus-, Polio- oder Influenzaimpfung, meist nur Befall der Haut, möglicherweise durch Immunkomplexe Tage bis Wochen nach Meningokokken-C-Impfung als immunologische Spätreaktion

Nephrotisches Syndrom

Einzelfälle

Guillain-Barré-Syn- drom

1-3:1.000.000 Zerstörung der Myelinscheide durch aktivierte T-Lymphozy- ten und Makrophagen

Poliomyelitis

1:4.000.000

Lyse der Neuronen durch Polioviren, kommt bei dem inaktivierten Impfvirus nicht vor Zellschädigung bzw. Reaktion durch das Impfvirus hervorge- rufen, z. B. nach Mumps-Impfung

Meningitis

1:1.000.000

20 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal

Made with FlippingBook Digital Publishing Software