Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 4/2021

SICHERHEIT VON IMPFUNGEN

TABELLE 2: Lokalreaktionen nach Impfungen. 3

bei der Einleitung des Entschädigungsver- fahrens helfen.

Reaktion Fieber > 38°C

Intervall nach Impfung

Pathomechanismus und Häufigkeit Ausschüttung von Interleukinen, Reaktion auf Endotoxine der Bakterienzellwand

48 Stunden 7–14 Tage

Informationen zu Nebenwirkungen

Krampfanfall bei Fieber

48–72 Stunden (Totimpfstoffe) 7–14 Tage (Lebendimpfstoffe)

Fieberanstieg (Häufigkeit 0–1 %)

Impfstoff-spezifische Informationen zu erwartenden Nebenwirkungen sind in der Fach- und Gebrauchsinformation der jeweiligen Impfstoffe aufgeführt, die bei Bedarf auch regelmäßig aktualisiert wer- den. Die Häufigkeitsangaben von Neben- wirkungen folgen diesen Regeln: • sehr häufig: größer bzw. gleich 1/10 • häufig: größer bzw. gleich 1/100 bis kleiner 1/10 • gelegentlich: größer bzw. gleich 1/1000 bis kleiner bzw. gleich 1/100 • selten: größer bzw. gleich 1/10.000 bis kleiner bzw. gleich 1/1000 • sehr selten: kleiner bzw. gleich 1/10.000. 6 Das bedeutet, dass während klinischer Studien, bei denen einige Hundert bis we- nige Tausend Probanden eingeschlossen werden, nur die sehr häufigen, häufigen oder gelegentlichen Nebenwirkungen auffallen. Werden aber anschließend weltweit Millionen oder sogar Milliarden Menschen geimpft, sind auch die selte- nen und sehr seltenen Nebenwirkungen relevant. Die sehr häufigen Impfreaktionen resul- tieren aus der Aktivierung des Immunsys- tems durch die Applikation eines Fremd- moleküls, das auch ein abgeschwächtes Pathogen sein kann. Letztlich sind dies Zeichen von Effektormechanismen, die sich als akute, lokale Entzündungsreakti- on äußern. Die in den Impfstoffen enthaltenen Antigene und gegebenenfalls Adjuvan- zien aktivieren am Ort der Einstichstelle zunächst das angeborene Immunsystem. Vor allem die Mustererkennungsrezepto- ren (pattern recognition receptors, PRR), allen voran die Toll-like-Rezeptoren auf Immunzellen, spielen dabei eine wich- tige Rolle, indem sie nach Bindung des Liganden dazu führen, dass Chemokine und Zytokine – vor allem der Tumor- nekrosefaktor (TNF) – freigesetzt wer- den. Dadurch kommt es wiederum zur Reaktionen an der Einstichstelle

Anaphylaxie

Minuten bis 2 Stunden

Exposition mit Hühnereiweiß, Hilfsstoffe, Konservierungsmittel, Impfantigen oder Stabilisatoren der Impfstoffe Mediatoren aus Mastzellen, akzidentielle i.v.-Gabe von Impfstoffen Frühgeborene im Prozentbereich nach DTP, Hib, DTPa-IPV-HIB

Anaphylaktoide Reaktion (Schock) Atemstillstand, (Apnoe), Zyanose Langanhaltendes schrilles Schreien

Minuten

Stunden

Stunden

?, Häufigkeit im Promillebereich

Hypotone hypores- ponsive Episode (HHE)

Minuten bis 48 Stunden

Vermehrtes Ansprechen auf Interleukine (?) 1:1.000–1: 100.000

Maßnahmen, z. B. durch Kühlung der Einstichstelle oder durch Einnahme ei- nes nicht-steroidalen Antirheumatikums (NSAR), gelindert werden. Die prophylak- tische Einnahme eines NSRAs wird hinge- gen nicht empfohlen, da so eventuell das Anspringen der gewünschten unspezifi- schen Immunreaktionen verhindert wird. Interessanterweise ist die Stärke der Impfreaktionen durch die Injektionstech- nik beeinflussbar. Die „Reaktogenität“, wie die Reaktion auf eine Impfung bezeichnet wird, ist geringer, wenn folgende Punkte beachtet werden: 4 • Ort der Einstichstelle für die intramus- kuläre Applikation: · Bei Säuglingen: ins Gesäß anstelle des Oberschenkels · Bei Kindern ab 1,5 Jahren, Ju- gendlichen und Erwachsenen: in den Oberarm anstelle des Oberschenkels • Intramuskuläre und nicht subkutane Applikation • Längere Nadeln (23 Gauge, 25 mm) für die Applikation verwenden • Einstichwinkel: ca. 90° Ebenfalls vom Applikationsverfahren hängt ab, ob sich an der Einstichstelle klei- ne Knötchen und Granulome oder sogar Abszesse bilden. Granulome treten vor allem dann auf, wenn ein aluminiumad- juvantierter Impfstoff versehentlich sub- kutan verabreicht wird oder wenn sich außen an der Kanüle noch Adjuvans befin- det, das dann in den oberen Hautschich- ten deponiert wird.

Mobilisierung und Aktivierung von Ef- fektorzellen und der Komponenten des Komplementsystems. Dieser Prozess beginnt einige Stunden nach der Impfung und kann für zwei bis vier Tage anhalten. Während dieser Zeit wird dann auch eine erworbene Immun­ antwort ausgelöst, die für den eigentli- chen Impferfolg notwendig ist. Wie bei einer Infektion kommt es auch bei einer Impfung zum klassischen Erscheinungsbild einer Entzündung, das mehr oder weniger stark ausgeprägt sein • die Extravasation von Leukozyten, ins- besondere von neutrophilen Granulo- zyten, und • eine erhöhte Durchlässigkeit der Ge- fäßwand, wodurch sich Flüssigkeit und Plasmaproteine wie Komplement am Infektionsherd anreichern können. Dies äußert sich in Schwellungen und Schmerz. Sinn dieser Reaktionen ist, für den Fall ei- ner Infektion, die Ausbreitung des Patho- gens zu verhindern und das spezifische Immuntraining zu induzieren. Treten diese Symptome nach einer Impfung auf, sind sie ein Hinweis darauf, dass das Immunsystem korrekt arbeitet. Im Umkehrschluss bedeutet ein Fehlen der Impfreaktion jedoch nicht, dass kein Impfschutz aufgebaut wird. Sind die Symptome der Impfreaktion zu belas- tend, können sie durch symptomatische kann. Die Folgen sind (s. Tab. 1): • eine Erweiterung lokaler Blut- gefäße mit Haut-Rötung und Wärmeentwicklung,

18 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal

Made with FlippingBook Digital Publishing Software