Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 3/2020

DR. SUSANNE MESEKE

(Stand August 2020) wird Dexamethason bei Kindern mit COVID-19 untersucht (re- coverytrial.net). Bei Patienten mit invasi- ver Beatmung oder Sauerstoff-Therapie mit einer Krankheitsdauer von mind. sieben Tagen scheint eine Therapie mit Dexamethason indiziert. Tocilizumab (RoActemra®) ist ein mono- klonaler Antikörper gegen den Interleu- kin-6-Rezeptor und in Deutschland als Immunsuppressivum bei rheumatoider Arthritis zugelassen. Es unterbricht die inflammatorische Kaskade. In den USA ist Tocilizumab seit 2017 auch zur Behand- lung des Zytokin-Freisetzungssyndroms zugelassen. Bei COVID-19 spielt eine erhöhte Inter- leukin-6-Konzentration vermutlich v. a. ab der zweiten Erkrankungswoche eine wich- tige pathophysiologische Rolle. Einige Pa- tienten zeigen im Krankheitsverlauf eine massive Inflammation, hohes Fieber und meist deutlich erhöhte IL-6- und Ferritin- Spiegel. Als möglicher Therapie-Ansatz wird in dieser Situation eine Blockade des Interleukin-6-Rezeptors diskutiert, die den virus-getriggerten Zytokin-Sturm abmil- dern könnte. Ein Einsatz im Off-Label-Use kann bei kritisch kranken Patienten erwo- gen werden. Therapie-Studien sind initi- iert. Erste vorveröffentlichte Ergebnisse einer von Roche initiierten Phase-III-Studie mit Tocilizumab (COVACTA) zeigten keine Verbesserung des klinischen Zustands der Patienten nach 28 Tagen (primärer End- punkt) und Tocilizumab hatte keinen Ein- fluss auf die Mortalität (sekundärer End- punkt). Gleichwohl zeigte die Analyse der Studie, dass Patienten, die mit Tocilizumab behandelt wurden, früher aus dem Kran- kenhaus entlassen wurden. Neben Tocili- zumab werden auch andere Interleukin- Inhibitoren, wie z. B. Sarilumab (Kevzara®) und Siltuximab (Sylvant®), in klinischen Studien untersucht. Bei den Interferonen gibt es verschie- denste Subtypen und einige werden in anderen Indikationen therapeutisch er- folgreich genutzt. Bei COVID-19 wurde insbesondere das IFN- λ , ein Typ III-Inter- feron, als Therapieoption diskutiert, da es antiviral wirkt, aber im Gegensatz zu Tocilizumab Interferon

anderen Interferonen keine überschie- ßende und gewebeschädigende Reaktion der neutrophilen Granulozyten auslöst. Dies verwundert zunächst, da insbe- sondere schwere Krankheitsverläufe im späteren Krankheitsverlauf von einer ausgeprägten Immunantwort und einer Hochregulierung von Typ-III-Interferonen gekennzeichnet sind. Allerdings hemmt SARS-CoV-2 zu Beginn der Erkrankung die Interferon-Produktion in den obe- ren Atemwegen, was die Immunantwort schwächt und dem Virus hilft, sich zu vermehren. Eine erste Phase II-Studie mit inhalativem Interferon- β griff diese Ver- mutung auf und lieferte recht vielver- sprechende Ergebnisse. Ebenfalls in einer Phase II-Studie wird Peginterferon λ -1a gegen Placebo bei COVID-19-Patienten untersucht (NCT04331899), die Ergebnisse stehen noch aus. Forscher äußern Beden- ken, dass die Gabe von IFN- λ das Risiko für lebensbedrohliche bakterielle Superinfek- tionen erhöhen könnte. Möglicherwei- se ist der Zeitpunkt der Interferongabe entscheidend. Der Ständige Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger am RKI (STAKOB) empfiehlt, eine antibiotische Therapie nur bei Verdacht auf eine bakte- rielle Superinfektion und/oder septischem Verlauf kalkuliert einzuleiten. Eine prophy- laktische Antibiotika-Gabe ohne Hinweis auf bakterielle Infektion wird nicht emp- fohlen (Stand August 2020). Es gibt Hinweise, dass das Makrolid- Antibiotikum Azithromycin wegen seiner immunmodulatorischen Eigenschaften ei- nen positiven Einfluss auf den Krankheits- verlauf haben könnte. In-vitro-Versuche mit Azithromycin hatten eine Viruswirk- samkeit gegenüber Zikaviren und Rhi- noviren gezeigt. Azithromycin wurde in Therapieversuchen sowie in einigen klini- schen Studien (u. a. Solidarity) zunächst in Kombination mit Chloroquin eingesetzt. Klinische Studien zur Monotherapie mit Azithromycin laufen derzeit (u. a. Recove- ry), Ergebnisse stehen noch aus. Antibiotische Therapie

Ritonavir-Therapie gezeigt werden. Der Lopinavir/Ritonavir-Studienarm wurde in beiden Studien inzwischen gestoppt. Im Gegensatz zum Chloroquin-Arm gab es laut WHO keinerlei Sicherheitsbedenken, vielmehr hatte sich in diesen Studien kei- ne Wirksamkeit gezeigt. Der Protease-Inhibitor Camostat, der in Japan zur Behandlung der chronischen Pankreatitis zugelassen ist, setzt an einer anderen Stelle an, nämlich beim Eintritt des Virus in die Wirtszelle. SARS-CoV-2 benutzt zum Zelleintritt eine bestimmte Transmembran-Protease (TMPRSS2) der Wirtszelle, die von den Epithelzellen der unteren Atemwege gebildet wird. Verein- facht ausgedrückt schneidet diese Prote- ase beim Kontakt des Virus mit der Wirts- zelle die Proteinhülle des Virus auf und ermöglicht dem Virus damit den Durch- tritt durch die Zellmembran der Wirtszel- le. Camostat hemmt diese zelluläre Pro- tease und verhindert damit den Eintritt des Virus in die Wirtszelle. In Zellkulturen wurde gezeigt, dass Camostat den Eintritt von SARS-CoV-2 in Pneumozyten verhin- dert. 16 Ob Camostat eine Infektion mit SARS-CoV-2 verhindern und den Verlauf von COVID-19 günstig beeinflussen kann, ist damit natürlich noch nicht belegt. Kli- nische Studien laufen derzeit. Im Dexamethason-Arm der Recovery-Stu- die 17 zeigte Dexamethason eine Reduk- tion der Mortalität gegenüber alleiniger üblicher Therapie. Dieser Effekt war am stärksten ausgeprägt bei Patientenmit in- vasiver Beatmung und einer bei Einschluss vorliegenden Krankheitsdauer von mehr als sieben Tagen, d. h. in einer späteren Phase der Erkrankung. In der Gruppe der Patienten mit Sauerstoff-Therapie oder nicht-invasiver Beatmung war der Effekt weniger ausgeprägt, jedoch konnte auch hier eine signifikante Reduktion der Mor- talität gezeigt werden. In der Gruppe der Patienten ohne Sauerstoff-Therapie zeigte sich kein Benefit – möglicherweise erhöht Dexamethason hier sogar die Mortalität. Man vermutet, dass das Glukokortikoid ei- ner erst später im Verlauf der Erkrankung einsetzenden organschädigenden Ent- zündungsreaktion entgegenwirkt. Zurzeit Camostat Dexamethason

Rekonvaleszenten-Plasma und Antikörper-Therapie

Einen gänzlich anderen Therapie-Ansatz

AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 9

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