Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 3/2020
THERAPIE VON COVID-19
erythematodes bekannt und in diesen Indikationen zugelassen. Hydroxychloro- quin ist ein Metabolit von Chloroquin. Die Idee, Chloroquin bzw. Hydroxy- chloroquin bei COVID-19 einzusetzen, stammte aus Zellkultur- und Tierversu- chen, die eine antivirale Aktivität von Chloroquin gegenüber SARS-CoV, MERS und Influenzaviren vermuten ließen. Chi- nesische Forscher testeten daraufhin die Wirksamkeit u. a. von Chloroquin und Hy- droxychloroquin auf SARS-CoV-2 in Zell- kulturen und konnten eine Hemmung der Virusvermehrung in vitro belegen. 12,13 Der Wirkmechanismus ist nicht geklärt. Disku- tiert wird eine Erhöhung des pH-Wertes in den Zellen. Diese Alkalisierung könnte die Fusion und das Uncoating der Virionen hemmen. Auch eine Änderung der An- dockstellen des Virus an den Wirtszellen wird postuliert, so dass das Virus schlech- ter in die Epithelzellen eindringen kann. 12,13 Darüber hinaus wird ein immunmodulato- rischer Effekt diskutiert. Chloroquin ist im März 2020 auch außerhalb von Fachkreisen verstärkt ins Gespräch gekommen, nachdem US-Prä- sident Donald Trump für den Einsatz des Malaria-Medikaments bei der Behand- lung von Covid-19-Erkrankten geworben hatte. Wenige Tage nach seinem medial aufsehenerregendem Tweet erteilte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA Ende März 2020, basierend auf be- grenzten In-vitro-Daten und Fallserien, eine Emergency Use Authorization für Chloroquin und Hydroxychloroquin und widerrief sie im Juni 2020 aufgrund der geänderten Datenlage. Anfänglich vielversprechende Ergeb- nisse einiger kleiner Studien, die allerdings mitunter große methodische Mängel auf- wiesen, ließen sich in großen, klinischen Studien (Solidarity, Recovery) nicht bestä- tigen. Beide Studien zeigten unter Chloro- quin-Therapie keine Senkung der Morta- lität. Der Chloroquin-Arm beider Studien wurde daraufhin im Juni 2020 gestoppt. Ein Cochrane-Review, das mehrere klei- nere Studien zur Wirksamkeit von Chloro- quin/Hydroxychloroquin metaanalytisch auswertet, kommt zum selben Schluss: Chloroquin bzw. Hydroxychloroquin sen- ken nicht die Mortalität, sind aber ver- mehrt mit Nebenwirkungen assoziiert. 14 Die Tatsache, dass Chloroquin mögli- cherweise ein Eindringen des Virus in die Epithelzellen erschwert, lässt über einen
Einsatz des Wirkstoffs als Postexpositi- onsprophylaxe nachdenken. In einer Stu- die zur Postexpositionsprophylaxe, die in den USA und Kanada durchgeführt wurde, konnte gegenüber Placebo kein Unterschied in der Erkrankungshäufigkeit gefunden werden. 15 Die Erkrankung wur- de allerdings nicht mittels Labortest be- stätigt, sondern nur über die Ausprägung von Symptomen erfasst. Hydroxychloroquin/Chloroquin konn- te seine Wirksamkeit in großen klinischen Studien nicht beweisen. Der Einsatz außer- halb von klinischen Studien ist aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen (kar- diale und neuropsychiatrische Nebenwir- kungen, schwere Hypoglykämien) nicht zu rechtfertigen. Bisher gibt es keine Belege dafür, dass Chloroquin oder Hydroxychlo- roquin als Postexpostionsprophylaxe ef- fektiv eingesetzt werden können. Die Wirkstoffkombination Lopinavir/Ri- tonavir ist zugelassen zur HIV-Therapie. Lopinavir und Ritonavir sind spezifische Hemmstoffe der HIV-Proteasen des HI- Virus. Die Hemmung des Enzyms führt zur Kumulation unreifer, nicht infektiöser Viren. Ritonavir wird in dieser Kombinati- on v. a. zur Verbesserung der Pharmako- kinetik hinzugesetzt. Es inhibiert CYP3A und vermindert dadurch den Abbau von Lopinavir über CYP3A, so dass die Biover- fügbarkeit von Lopinavir steigt. Coronaviren besitzen gänzlich ande- re Proteasen als HI-Viren. In Laborexpe- rimenten hemmte Lopinavir allerdings auch eine Endopeptidase von Coronaviren, die – sehr vereinfacht ausgedrückt – am „Auspacken“ des Virusgenoms im Cyto- plasma der Wirtszelle beteiligt ist. In der SARS-Epidemie von 2002/3 wurde Lopi- navir vereinzelt eingesetzt – wie üblich in Kombination mit Ritonavir. Die Erfahrun- gen waren überwiegend positiv. Daher lag es nahe, Lopinavir/Ritonavir auch bei SARS-CoV2-Infektionen einzusetzen. Nach den anfänglich hoffnungsvol- len Ergebnissen kleinerer Studien konn- ten diese in großen Studien nicht verifi- ziert werden. In einer Datenauswertung des Therapie-Armes Lopinavir/Ritonavir im Vergleich zu standard-of-care der Recovery-Studie und der WHO Solidarity- Studie konnte kein klinischer Benefit in der Gruppe der Patienten mit Lopinavir/ Lopinavir/Ritonavir
Remdesivir hemmt Favipiravir die virale RNA-Polymerase. Es kann im Gegensatz zu Remdesivir oral eingenommen wer- den. Aus den Zulassungsstudien und der Anwendung bei Influenza kennt man das Nutzen-Risiko-Profil der Substanz, es ist allerdings eine relativ problematische Substanz. In der präklinischen Phase des Wirkstoffs zeigten mehrere Tierspezi- es fetale Missbildungen, daher ist es bei Schwangeren und Stillenden kontrain- diziert. Außerdem hat Favipiravir eine komplexe, nichtlineare, zeit- und dosi- sabhängige Pharmakokinetik, die zudem vom Körpergewicht beeinflusst wird. In klinischen Studien wurde Favipiravir ei- nigermaßen gut vertragen, war aber mit dosisbedingten, asymptomatischen Erhö- hungen des Harnsäurespiegels im Serum assoziiert. Es sollte deshalb bei Patienten mit Gicht oder Hyperurikämie mit Vor- sicht angewendet werden. In Japan ist es lediglich als Notfall-Arzneimittel bei neu- artigen Influenzaviren und wiederkeh- renden Influenza-Ausbrüchen im Einsatz und wird nur auf Anforderung durch die japanische Regierung hergestellt und zur Bevorratung von Pandemiemaßnahmen an die Regierung verkauft. In Zellkultur zeigte die Substanz gegen- über SARS-CoV-2 zwar eine antivirale Wir- kung, allerdings erst in sehr hohen Dosen. 9 Erste klinische Daten bei COVID-19 wur- den seit Februar 2020 im Rahmen eines von den japanischen Behörden genehmig- ten „compassionate use“-Programms ge- wonnen. Die Erfahrungen daraus werden in einem Register gesammelt. Inzwischen ist eine Vielzahl von Studien angelau- fen. In den ersten (vor-) veröffentlichten Studien zeichnet sich ab, dass Favipiravir möglicherweise bei leichteren Fällen die Erkrankungsdauer verkürzt. Bei schwer Er- krankten zeigte sich kein Nutzen. 10, 11 Obwohl Zellkulturversuche nicht be- sonders vielversprechend waren, zeigt die Substanz möglicherweise einen Benefit bzgl. der Erkrankungsdauer bei weniger schweren Verläufen. Die Ergebnisse der laufenden Studien müssen diese Vermu- tung allerdings erst noch belegen.
Hydroxychloroquin/Chloroquin
Chloroquin und Hydroxychloroquin sind aus der Malariaprophylaxe und -therapie sowie zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis und des systemischen Lupus
8 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
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