Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 3/2020
DR. SUSANNE MESEKE
TABELLE 1: Nationale und internationale Studienregister sowie weitere Websites, die eine Studienübersicht zu COVID-19 geben oder fortlaufend aktualisierte Therapiehin- weise zusammenstellen. Studienregister oder Organisation Internet-Adresse Studienregister der FDA www.clinicaltrials.gov Europäisches Studienregister www.clinicaltrialsregister.eu Chinesisches Studienregister www.chictr.org.cn/ Deutsches Studienregister www.drks.de Dt. Zentrum für Infektionsforschung https://dzif.clinicalsite.org STAKOB (Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathoge- ne Erreger) www.rki.de → Suchbegriff „Stakob“ → „Stellungnahmen“ Übersicht des Cochrane-Netzwerks https://covid-nma.com/dataviz/ WHO International Clinical Trials Registry Platform (ICTRP) www.who.int/ictrp/en/
Klinikalltag durchführen zu können. Das Studiendesign ist adaptiv, das bedeutet, es kann jederzeit an neue wissenschaftli- che Erkenntnisse angepasst werden. Wie wichtig unabhängige, gut designte Studi- en gerade im Rahmen der Pandemie sind, hat z. B. der Wirkstoff Chloroquin gezeigt.
Therapeutische Ansatzpunkte: antivirale Arzneistoffe und Immunmodulation
In der ersten Phase der Erkrankung stehen die viralen Prozesse, also Infektion und Virusvermehrung, im Vordergrund. Die spätere Erkrankungsphase ist von Hyper- inflammation („Zytokin-Sturm“) und pul- monaler Manifestation geprägt, hier spie- len immunologische Prozesse eine große Rolle. Bisherige Studien und Beobachtun- gen deuten darauf hin, dass der Zeitraum für den Einsatz einer direkten antiviralen Therapie ca. zehn Tage nach Symptom- beginn umfasst. 3 Substanzen, die eine überschießende Immunantwort mildern sollen, sind v. a. in der späteren Erkran- kungsphase sinnvoll. Auf die wichtigsten Substanzen wird nun eingegangen. Remdesivir (RDV) gehört zu den Nukleo- tidanaloga. Man vermutet, dass Remdesi- vir nach der Kopplung an ein Triphosphat (RDV-TP) von der viralen RNA-Polymerase als Baustein akzeptiert wird. Der Einbau in die entstehende RNA-Kopie gelingt jedoch nicht. RDV-TP bleibt in der RNA- Polymerase hängen und die Replikation stoppt. 4 Remdesivir wurde ursprünglich zur Therapie von Ebola-Infektionen entwi- ckelt. Daher lag die Vermutung nahe, dass Remdesivir auch in anderen RNA-Viren (wie z. B. SARS-CoV-2) die RNA-Polymera- se hemmen könnte. Die Vorerfahrungen mit Remdesivir waren gering. Am Men- schen wurde es zuvor lediglich in einer kleinen Studie an 175 Ebola-Patienten untersucht und konnte die Mortalität nicht senken. 5 Immerhin gab es durch diese Studie bereits erste Erfahrungen zur Anwendung am Menschen und erste Dosierungsschemata. Die Substanz konnte zunächst nur im Rahmen von klinischen Studien ange- wendet werden. Ende Januar 2020 stell- te der Hersteller Gilead die Substanz für den „compassionate use“ zur Verfügung. Das BfArM genehmigte den Einsatz im Remdesivir
Rahmen des Härtefallprogramms Anfang April 2020. Die USA erteilte als erster Staat am 1.5.2020 eine Notfallzulassung für Remdesivir. Anfang Juli 2020 erhielt Rem- desivir (Veklury®) auch in Europa eine „be- dingte“ Zulassung. Die europäische Zulassung für Veklu- ry® wurde für den Einsatz bei Erwachse- nen und Jugendlichen (ab zwölf Jahren und mind. 40 kg Körpergewicht) mit einer Pneumonie, die eine zusätzliche Sauer- stoffzufuhr erfordert, erteilt. Die Thera- pie sollte möglichst frühzeitig eingeleitet werden. Bei Patienten unter nicht-inva- siver oder invasiver Beatmungstherapie inkl. ECMO (extrakorporale Membranoxy- genierung) wurde kein Nutzen gezeigt. Initial werden 200 mg Remdesivir i. v. ge- geben, gefolgt von einer einmal täglichen Gabe von 100 mg i. v. über fünf bis maxi- mal zehn Tage. Aufgrund fehlender phar- makokinetischer Daten bei schwergra- diger Niereninsuffizienz darf Remdesivir nur bei Patienten mit einer GFR≥30 ml/ min eingesetzt werden. Empfohlen wird ein Behandlungsbeginn in der Frühphase der Erkrankung, sofern eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr erforderlich ist, ein spä- terer Einsatz (>10 Tage nach Symptombe- ginn) bringt wahrscheinlich keinen Vorteil mehr, und könnte eventuell sogar nach- teilig sein. 6 Bisher erfolgte keine europä- ische Zulassung bei Kindern unter zwölf Jahren, Studien laufen bereits. Die Dt. Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) hat Empfehlungen zur Dosierung bei Kindern unter zwölf Jahren erarbeitet. Im Gegensatz zur europäischen Zulassung umfasst die US-amerikanische Notfallzu- lassung auch die Anwendung bei Kindern
und schweren Infektionen mit Beatmung oder Lungenersatztherapie (ECMO). 7 In drei großen Studien (Simple I und II, ACTT), auf deren Zwischenauswertungen die Zulassungen der FDA und der EMA im Wesentlichen beruhen, zeigte sich, dass Remdesivir die Krankheitsdauer ver- kürzte, die Senkung der Mortalität war jedoch nicht signifikant. Es scheint, dass bei Remdesivir der Zeitpunkt der Gabe im Erkrankungsverlauf eine wesentliche Rolle für die Wirksamkeit spielt. 6 Eine antivirale Therapie in der späten Erkrankungsphase, in der hyperinflammatorische Prozesse im Vordergrund stehen, bringt möglicher- weise keinen Vorteil mehr. 6 Seinen größ- ten Nutzen könnte Remdesivir im Früh- stadium der Erkrankung haben, wenn die Patienten noch nicht hospitalisiert sind. Die bisher notwendige intravenöse Gabe ist jedoch ein Hindernis für eine ambu- lante Therapie. Gilead hat deshalb eine inhalative Formulierung entwickelt, für die eine erste Phase I-Studie an gesunden Probanden angelaufen ist. 8 Mit ersten Er- gebnissen wird für März 2021 gerechnet. Nach heutigem Stand scheint Rem- desivir einen Benefit bei COVID-19 zu bringen, sofern es früh genug gegeben wird. Es verkürzt die Krankheitsdauer, be- einflusst höchstwahrscheinlich aber nicht die Mortalität.
Favipiravir
Favipiravir ist sozusagen die japanische Version von Remdesivir. Es ist in Japan seit 2014 unter dem Namen Avigan® zur Behandlung der Influenza zugelassen. Seit kurzem ist es auch in China und in Russ- land (Avifavir) auf dem Markt. Ebenso wie
AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 7
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