Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 3/2020
DOSISANPASSUNG BEI NIERENINSUFFIZIENZ
einsetzende, potentiell reversible Abnah- me der exkretorischen Nierenfunktion. 8 Während sich international mehr der Be- griff der akuten Nierenschädigung (acute kidney injury) durchgesetzt hat, da auch der frühe Funktionsverlust im Sinne einer reduzierten glomerulären Filtrationsrate (GFR), als auch eine Schädigung der Niere bei noch nicht reduzierter Funktion er- fasst werden soll, wird von der deutschen Gesellschaft für Nephrologie immer noch der Begriff des akuten Nierenversagens empfohlen. 9 Und dies auch unabhängig vom Ausmaß der Funktionseinschrän- kung. Es ist inzwischen unumstritten, dass bereits eine geringe Reduktion der Nieren- funktion, die Morbidität und Mortalität von Patienten signifikant erhöht. 8,9 Grundsätzlich ist dabei auch relevant, die dem AKI zugrundeliegende Ätiologie zu kennen, nicht zuletzt, um die mögli- chen zugrundeliegenden Ursachen in die therapeutischen Überlegungen mit ein- zubeziehen. Klassischerweise werden die Formen der Nierenschädigung in drei Ka- tegorien eingeteilt, wobei diese z. T. auch parallel vorliegen können: • Die prä-renale Nierenschädigung tritt mit etwa 60 Prozent der Fälle am häu- figsten auf und beruht auf einer Min- derperfusion der Niere. Beispiele für Ursachen einer prä-renalen Nieren- schädigung sind Syndrome, die asso- ziiert sind mit einem verminderten arteriellen Blutvolumen, z. B. im Rah- men einer schweren Infektion oder ei- ner Herzinsuffizienz, einem Abfall des arteriellen Blutdrucks oder erhöhten Flüssigkeitsverlusten, z. B. durch die Einnahme von Diuretika oder das Vor- liegen von relevanten Blutungen. • Eine intra-renale Nierenschädigung macht etwa in 35 Prozent der Fälle aus. Sie tritt durch eine direkte Schädi- gung der Niere auf und beruht in der Regel auf einer parenchymalen oder vaskulären Erkrankung. Die häufigs- te Ursache hierfür ist eine akute Tubu- lusnekrose, die sowohl durch eine Is- chämie als auch durch eine toxische Arzneimittelwirkung entstehen kann. Zu den weiteren möglichen Ursachen einer direkten Schädigung der Niere gehören eine Pigment-Nephropathie, Nierenarterienstenosen, Niereninfark- te oder Aortendissektionen.
• Eine post-renale Nierenschädigung, etwa in 5 Prozent der Fälle, tritt in Fol- ge von Faktoren auf, die zu einer Obs- truktion des Harntraktes führen. Bei- spiele hierfür sind eine Hypertrophie der Prostata, eine Nephrolithiasis oder die Obstruktion durch einen Tumor Die Einteilung in die unterschiedlichen Schweregrade eines AKI nach KDIGO fin- det sich in Tabelle 2. Bei einem AKI handelt es sich um ei- nen sehr dynamischen Prozess, da das AKI zumeist die Folge anderer akut auftreten- der Erkrankungen ist. Eine Akkumulation des Kreatinins erfolgt zudem erst bei ei- ner Schädigung der Nierenfunktion und tritt mit zeitlicher Verzögerung auf. Somit kann sich die errechnete Nierenfunktion nach der initialen Diagnose in kurzer Zeit noch deutlich verändern und (weitere) Dosisreduktionen notwendig machen. Aus diesemGrund sollte bei einem AKI bereits frühzeitig eine Dosisanpassung in Erwägung gezogen werden. Potentiell nephrotoxische Arzneistof- fe sollten, soweit therapeutisch möglich, frühzeitig abgesetzt werden. Sollte eine Unterbrechung oder Umstellung nicht möglich sein, sollte die niedrigste effekti- ve Dosierung gewählt werden und der Pa- tient auf das therapeutische Ansprechen hin engmaschig überwacht werden. Eine Übersicht mit wichtigen, potentiell neph- rotoxischen Arzneistoffen findet sich in Tabellen 3 und 4. Alle Diuretika haben im Rahmen eines AKI weder einen Einfluss auf die Mortalität noch auf die Inzidenz einer Nierenersatz- therapie 8 und sollten beendet werden. Trotzdem ist der Einsatz der Schleifendi- uretika unter speziellen Voraussetzungen auch bei einem AKI sinnvoll: Furosemid kann das Flüssigkeitsmanagement (z. B. bei Vorliegen von peripheren Ödemen bei Patienten mit Herzinsuffizienz) und bei Patienten mit einer akuten Lungenschä- digung (ARDS) und hämodynamischer Stabilität die Beatmung erleichtern. Auch bei Bestehen einer Hyperkaliämie und ei- ner Hypercalciämie kann Furosemid ein- gesetzt werden. Gerade bei peripheren Ödemen kann die Dosierung von Furose- mid graduell gesteigert werden, um eine suffiziente Diurese zu gewährleisten. Zu beachten ist hierbei, dass gerade Patien- ten mit einer Herzinsuffizienz regelmäßig
zu 2/3 reduziert, so dass auch die Initial- dosis reduziert werden muss. Wird dies bei der Betrachtung übersehen und das Augenmerk lediglich auf t 1/2 gelegt, kann es zu schwerwiegenden Überdosierungen kommen. Da auf Grundlage von t 1/2 keine direkte Aussage über eine Anpassung der Initial- oder Erhaltungsdosis getroffen werden kann, sollte sie ausschließlich dazu ver- wendet werden, die Zeit abzuschätzen, in der das Steady State erreicht wird. e) Messung des klinischen Effektes und Therapeutisches Drug Monitoring (TDM) Bei wenigen Arzneistoffen lässt sich der klinische Effekt direkt messen. Hierzu gehören insbesondere die Antihyperto- nika. Gerade bei Patienten mit Nieren- funktionsstörungen sollte der Blutdruck engmaschig kontrolliert werden und ggf. auch eine Anpassung erfolgen, wenn Hypo- oder Hypertonie auftreten. Ist der klinische Effekt jedoch nicht messbar, so können Messungen der Konzentrationen des Arzneistoffes oder der entsprechen- der Surrogatparameter, beispielsweise. der INR bei Marcumar, der Faktor AntiXa bei niedermolekularen Heparinen und der Blutzuckerspiegel bei Antidiabetika, im Blut nützlich sein, um die Dosierung beim individuellen Patienten zu optimie- ren. Ist ein TDM möglich, so sollte es in Zusammenschau der klinischen Situation genutzt werden. Mit Ausnahme von vor allen Dingen Antikoagulantien, Antidiabetika, Antibio- tika und Immunsuppressiva nach Trans- plantationen sind engmaschige Konzen- trationsmessungen bei Patienten mit chronischer stabiler Nierenfunktion für die meisten Arzneistoffe überflüssig. Dies gilt insbesondere dann, wenn es keinen Anhaltspunkt für ein unzureichendes kli- nisches Ansprechen oder eine UAW gibt. Hier reichen Kontrollen im Rahmen der routinemäßigen Blutuntersuchungen beim Haus- bzw. Facharzt. Bei einer aku- ten Nierenschädigung sollten aufgrund der Dynamik der Situation dagegen eng- maschigere Kontrollen erfolgen.
2. Dosisanpassungen bei AKI
Unter einem AKI versteht man die akut
20 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
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