Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 3/2020
DR. DAGMAR HORN
Insbesondere bei Antiinfektiva ist da- bei stets zusätzlich zu beachten, dass im Falle einer schweren Infektion, nur eine rasch erreichte, ausreichend hohe Kon- zentration einen therapeutischen Erfolg gewährleisten kann, während eine nicht- kontrollierte Infektion oft zu einer wei- teren Schädigung der Nieren führt. Da insbesondere die Unterdosierung ein in der klinischen Praxis häufiges Problem ist, sollten Antiinfektiva gerade in der Ini- tialphase, die ersten 24 – 48 Stunden der Infektionsbehandlung regelmäßig nicht in ihrer Dosis angepasst werden. Eine Aus- nahme hiervon stellen vor allen Dingen die Aminoglykosid-Antibiotika dar, die aufgrund ihrer hohen Nephro- und Oto- toxizität auch initial in ihrer Dosierung reduziert und dann durch engmaschige Kontrollen der Talspiegel auf eine mögli- che Akkumulation hin überwacht werden sollten. Allgemein errechnet sich die Initialdo- sierung anhand folgender Formel: Initialdosis = c initial x V d Hier muss jedoch beachtet werden, dass das Verteilungsvolumen (V d ) bei Patienten mit Niereninsuffizienz zum Teil deutlich verändert sein kann. In welchem Umfang sich diese Veränderung von V d bewegt, ist im Alltag jedoch oft nur schwer abschätz- bar. Insgesamt gibt es aber nur wenige Studien zu einer insgesamt geringen An- zahl an Arzneistoffen bei Patienten mit Niereninsuffizienz, anhand derer eine Ab- schätzung für die Veränderungen des Ver- teilungsvolumens erfolgen kann. Ist eine Initialdosis eines Arzneistoffs nicht notwendig, so sollte die Therapie im- mer mit einer möglichst geringen Dosie- rung begonnen und dann entsprechend des klinischen Ansprechens langsam un- ter engmaschiger Kontrolle gesteigert werden. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist regelmäßig der Grad der Proteinbindung erniedrigt. Dies trifft insbesondere auf Arzneistoffe zu, die an Albumin gebun- den sind, da sie von endogenen organi- schen Säuren aus der Bindung verdrängt werden können. Der größere freie Arz- neistoffanteil kann auf der einen Seite zu b) Proteinbindung
einer verstärkten Wirkung, aber auch zu einem erhöhten Metabolismus führen. Insbesondere bei hoch proteingebunde- nen Arzneistoffen, wie z. B. Phenytoin und Valproinsäure, sollte daher frühzeitig über eine Dosisanpassung nachgedacht wer- den. Hinzu kommt, dass im Rahmen eines Therapeutischen Drug Monitorings (TDM) häufig nur die Gesamt- und nicht die freie Konzentration im Labor gemessen wird. Werden dann anhand dieser Werte ohne weitere Überlegungen möglicherweise Dosierungen erhöht, kann es zu einer Ak- kumulation des freien Arzneistoffes kom- men und das Risiko für die Manifestation einer unerwünschten Arzneimittelwir- kung (UAW) steigt an. Die Höhe der Erhaltungsdosis ist vor allen Dingen von der Clearance (CL) des Arznei- stoffes abhängig. Werden die Wirkstoffe überwiegend renal eliminiert liegt somit bei einer Niereninsuffizienz eine Reduk- tion der CL vor, so sollte entweder die Dosis reduziert oder das Applikationsin- tervall verlängert werden. Auch hierunter sollte stets auf das klinische Ansprechen der Therapie und mögliche Zeichen einer UAW geachtet werden. c) Erhaltungsdosis Die Halbwertszeit (t 1/2 ) steht in direkter Beziehung zu Verteilungsvolumen V d und Arzneistoffclearance CL. Sie lässt sich an- hand dieser Parameter nach der folgen- den Gleichung berechnen: t 1/2 = 0.693 x V d / CL Dabei ist zu beachten, dass eine Verän- derung von t 1/2 sowohl Folge einer Verän- derung von CL als auch von V d sein kann. Allerdings gibt es Limitationen bei der Verwendung von t 1/2 zur Dosisanpassung. Um diese zu beschreiben sei das folgende Beispiel genannt: 7 Bei Patientenmit milder bis moderater Niereninsuffizienz ist V d von Digoxin un- verändert und CL um bis zu 2/3 reduziert, was in einer verlängerten t 1/2 resultiert. Entsprechend müsste hier ausschließlich die Erhaltungsdosis angepasst werden. Bei Patienten mit schwerer Niereninsuf- fizienz ist dagegen neben CL auch V d bis d) Halbwertszeit
eliminiert werden. 7 Trotzdem gibt es auch wenige Arzneistoffe, auf die diese Regel nicht zutrifft und die dennoch akkumu- lieren können. Ein Beispiel hierfür sind die NSAR – sie werden regelmäßig nicht unverändert, sondern nach hepatischer Metabolisierung als unwirksamer Meta- bolit ausgeschieden. Bei einer Nierenin- suffizienz kann dieser Metabolit im Se- rum jedoch akkumulieren und durch eine spontane Hydrolyse wieder in höheren Konzentrationen in seiner ursprünglichen Wirkform vorliegen. 7 Bei einer Niereninsuffizienz können vermehrt organische Säuren vorliegen, z. B. Harnsäure, die um die Bindungsstel- len für organische Säuren am proximalen Tubulus konkurrieren. Dadurch kommt es zu einer reduzierten aktiven Sekretion ei- niger Arzneistoffe. Noch vor der Frage nach der Dosierung einer Initialdosis, muss geklärt werden, ob diese überhaupt notwendig ist. Bei dieser Entscheidung müssen die therapeutische Notwendigkeit und Dringlichkeit, in der ein pharmakologischer Effekt erreicht werden soll, gegen die Halbwertszeit des Arzneistoffes und das Risiko der Folgen ei- ner möglichen Überdosierung abgewogen werden. Ohne Initialdosis benötigt man, um ca. 90 Prozent der Konzentration im Steady-State zu erhalten etwa 3.3-mal die Halbwertszeit des Arzneistoffs. Ist diese Zeit in Hinblick auf die klinische Situati- on zu lange, sollte eine Initialdosis verab- reicht werden. PRAXISTIPP Grundsätzlich sollte bei der Dosie- rungsanpassung immer mit in Be- tracht gezogen werden, dass die er- rechnete GFR anhand von Formeln nur eine Näherung für die tatsächli- che Nierenfunktion ist. Sollte ein Arz- neistoff nach Fachinformation z. B. erst bei einer GFR von 30 mL/min/1.73 m 2 angepasst werden, so ist es sinn- voll, dies auch schon etwas früher zu tun, da die Berechnung möglicher- weise die GFR überschätzt. 1. Dosisanpassungen bei CKD a) Initialdosis
AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 19
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