Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 2/2022

DR. DAGMAR HORN

Bakterizidie aufweisen, sollte bei der Therapie eine möglichst hohe Maximal- konzentration (c max ) erreicht werden (das pharmakodynamische Target ist das Verhältnis c max /MHK). Die Kontrolle der Minimalkonzentration c min erfolgt im kli- nischen Alltag, um eine mögliche Akku- mulation zu vermeiden und das damit verbundene erhöhte Risiko für die Ma- nifestation schwerer UAW (insbesonder Nephro- und Ototoxizität) zu minimieren. Im klinischen Alltag wird regelmäßig eine gewichtsbasierte Initialdosierung ge- wählt. Bei adipösen Patient*Innen zeigte sich jedoch, dass V d nicht proportional zu TBW ansteigt. 11 Darum wurde auf Grund- lage pharmakokinetischer Daten der Kor- rekturfaktor 0,4 in die Berechnung des zu verwendenden Gewichts (ABW) ein- gefügt, da die Aufnahme der einzelnen Aminoglykoside ins zusätzliche Fettgewe- be zwischen 30 und 58 % schwankte. 4,11 Zu beachten ist, dass diese Anpassung anhand der ursprünglichen, mehrfach täglichen Applikation von Aminoglyko- siden vorgenommen wurde und bislang Erkenntnisse fehlen, ob sich dies auch auf die heute übliche, einmal tägliche Applika- tion übertragen lässt. Teilweise wird heu- te auch die Verwendung von LBW zur Be- rechnung der Initialdosis befürwortet. 4 In klinischen Untersuchungen unterschied sich dagegen die (überwiegend renale) Clearance der Aminoglykoside bei Adipö- sen nicht von der bei Normalgewichtigen, so dass zur Abschätzung dieser IBW ver- wendet werden sollte. 11 In der Praxis sollte die Initialdosierung basierend auf ABW errechnet werden. Ob ausreichend hohe Konzentrationen er- reicht werden, sollte durch Bestimmung des Spitzenspiegels ermittelt werden. Zu- dem sollte gerade bei Patient*Innen mit schweren Infektionen, eine engmaschige Kontrolle des Talspiegels (c min ) zusammen mit der Nierenfunktion (Abschätzung der CLCr unter Verwendung von IBW) erfol- gen, um frühzeitig eine mögliche Akku- mulation zu erkennen bzw. zu vermeiden. Anhand dieser Werte kann dann eine in- dividuelle Dosisanpassung vorgenommen werden. REFERENZEN & LITERATUR 1 Mensink GBM, Schienkiewitz A, Haftenberger M, Lampert T, Ziese T, Scheidt-Nave C: Überge- wicht und Adipositas in Deutschland: Ergebnis-

ZUSAMMENFASSUNG Das Finden der optimalen Dosierung bei adipösen Patient*Innen stellt ein wirklich „schwerwiegendes“ Problemdar, da bis heute für nahezu alle verfügbaren Arzneistoffe hinreichende Daten fehlen, um sicher therapeutische Bereiche zu erreichen und dabei Überdosierungen zu vermeiden. Wie sollte man also im Alltag vorgehen? Grundsätzlich empfiehlt sich, zunächst ei- nen Eindruck vom klinischen Zustand der Patientin bzw. des Patienten zu bekommen. Hierbei sollten zumindest BMI, TBW, IBW und LBW errechnet werden, um einen Ein- druck von bestehender Muskel- und Fettmasse zu gewinnen. Zusätzlich sollte, wenn möglich, eine Abschätzung der Nieren- und der Leberfunktion erfolgen. Wichtig ist zu- dem die Einschätzung, wie schwer die aktuelle Erkrankungssituation ist und ob sie da- bei auch zu einer Veränderung der Körperzusammensetzung geführt haben kann (z. B. Einlagerung von Flüssigkeiten, möglicher Verlust von Muskelmasse durch lange Im- mobilisierung etc.). In einem zweiten Schritt folgt die Suche nach bereits publizierten Daten zur Dosierung des Arzneistoffes bei Adipositas (ein paar Literaturtipps für den Einstieg finden sich in Tabelle 4). Sind diese zur Beurteilung nicht ausreichend, bleibt nur die Einschätzung der Eigenschaften des Arzneistoffes (Ist er eher lipo- und hydro- phil? Wie ist laut Fachinformation sein V d ? Unterliegt er einem hepatischen Metabolis- mus und in welchem Umfang wird er renal ausgeschieden?). Zudem ist abzugrenzen, wie groß der therapeutische Bereich der Substanz ist, ob man die Konzentrationen im Blut überwachen kann und welche Risiken durch Überdosierung (Manifestation von UAW) oder Unterdosierung zu erwarten (reduziertes Ansprechen auf die Therapie bzw. Therapieversagen) sind. In Zusammenschau dieser vielfältigen Parameter sollte dann eine Dosisempfehlung erarbeitet werden, die regelmäßig mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandeln- den Arzt insbesondere hinsichtlich ihrer Limitierungen zu besprechen ist.

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