Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2014 (Juli 2014)

Christian Schulz

deten Einzelfall kann die AMTS auf dem erreichten Niveau gehalten werden. Wei- tere Faktoren, die gegen einen Arznei- mittelaustausch sprechen können, fasst die aktualisierte Leitlinie „Gute Substitu- tionspraxis“ der Deutschen Pharmazeu- tischen Gesellschaft (DPhG) zusammen. 7 Neben der großen Herausforderung „Therapietreue“ spielen Interaktionen bei den meisten Psychopharmaka eine große Rolle. Anhand von Beispielen aus der täglichen Apothekenpraxis werden Probleme beschrieben und Lösungsvor- schläge zum Umgang mit diesen arznei- mittelbezogenen Problemen (ABP) vorge- stellt. Hustenstiller Was haben schulmedizinische OTC-Hus­ tenstiller mit dem Antidementivum Me- mantin gemeinsam? Es gibt darauf zwei wirkstoffabhängige Antworten: a) nichts und b) eine absolute Kontraindikation. Die Apotheke hat die Lotsenfunktion in der Selbstmedikation: ist die Eigenthera- pie des Patienten möglich? Und wenn ja, welches Medikament ist das am besten geeignete? Die Arzneimittelauswahl im Rahmen der Selbstmedikation obliegt so- mit alleine dem pharmazeutischen Perso- nal einer Apotheke, es handelt sich um eine hoch verantwortungsvolle Aufga- be. Folgendes Patientenbeispiel soll Ih- nen die Tragweite verdeutlichen. Ein Pa- tient leidet seit wenigen Tagen an einem erkältungsbedingten Reizhusten. Im Ge- spräch konnte festgestellt werden, dass ein Arztbesuch aktuell (noch) nicht nötig erscheint und daher ein Medikament der Selbstmedikation infrage kommt. Für die Behandlung des Reizhustens stehen be- kanntlich verschiedene Therapieoptionen zur Wahl. Wir konzentrieren uns in die- Interaktionen I: Grenzen der Selbstme- dikation

sem Fall auf die schulmedizinisch-che- mischen Vertreter Dextromethorphan (DMP) und Pentoxyverin. Grundlage einer vernünftigen Auswahl eines Wirkstoffes ist die aktuelle Situation des Patienten. Durch Hinterfragen der Begleit- und Dau- ermedikation stellen wir fest, dass unser Patient aktuell lediglich das Antidemen- tivum Memantin zur Behandlung einer moderaten Alzheimerdemenz einnimmt. Memantin entfaltet seine Hauptwirkung durch Beeinflussung des NMDA-Rezep- tors im zentralen Nervensystem. Bei der Auswahl des Hustenstillers ist es sinnvoll, sich die verschiedenen Targets der ein- zelnen Substanzen in Erinnerung zu ru- fen. DMP vermittelt seine Wirkung un- ter anderem als nichtkompetitiver NM- DA-Rezeptor-Antagonist. Pentoxyverin beeinflusst den NMDA-Rezeptor nicht. Hierin verdeutlicht sich das Problem: Bei der Kombination zweier NMDA-Rezep- tor-Antagonisten (Memantin und DMP) kann es zur deutlichen Zunahme zentral- nervöser Nebenwirkungen kommen, aus diesen Gründen sollte diese Kombination vermieden werden. 8 Die Bewertung der ABDA-Datenbank wird noch deutlicher und gibt den Hinweis auf eine kontrain- dizierte Kombination. Geeignete und besser verträgliche Phar- maka können aus dem Bereich der Phy- topharmaka stammen, auch Pentoxyverin stellt eine mögliche Alternative für die- sen Alzheimerpatienten dar. Erneut zeigt sich die Rolle der vorhandenen Informa- tionen für die Beurteilung der Situati- on im Moment der Abgabe. Weitere be- merkenswerte Interaktionen mit Psycho- pharmaka werden durch die CYP2D6-ab- hängige Metabolisierung von Dextrome- thorphan verursacht. Eine Kombination mit CYP2D6-Inhibitoren, wie Haloperidol, Thioridazin oder Fluoxetin kann zum An- stieg der Plasmakonzentration des DMP führen, gleiches gilt für Amiodaron.

mühungen.

Patientenzentrierung Aus dem Zweifel kann ein gravierendes Problem für die AMTS (Arzneimittelthe- rapiesicherheit) resultieren: Die Nichtein- nahme des Benzodiazepins kann fataler- weise zum Suizidversuch führen. Der Prä- parateaustausch kann weitere destabili- sierende Effekte auf den bereits instabilen Patienten haben. Im Ermessenspielraum des Einzelnen liegt die Entscheidung, ob Kontakt zum verordnenden Arzt aufge- nommen werden muss, um die deutlich wahrnehmbare Instabilität des Patienten nochmals zum Gegenstand eines inter- disziplinären Gesprächs zu machen (be- denke: Abgabe eines Arzneimittels ist erst nach Ausschluss aller Bedenken und Unklarheiten zulässig). Gegenstand die- ses Gesprächs kann auch das Hinwirken auf ein aut-idem-Kreuz sein. Sind alle er- kennbaren Bedenken ausgeräumt, spricht nichts gegen eine sofortige Versorgung des Patienten. Zur Sicherstellung einer hohen AMTS sind die pharmazeutischen Bedenken das Mittel der Wahl der ver- sorgenden Apotheke, sollte der Arzt kein aut-idem-Kreuz setzen (wollen). Der be- gründetete Nichtaustausch wirkt somit stabilisierend auf den an sich instabilen Patienten. Wichtig ist das abschließende Bedrucken mit der Sonderziffer Nr. 6, so- wie der Dokumentation der pharmazeu- tischen Bedenken auf dem Rezept, da sie die Kompetenzen und das pharmazeu- tische Wissen deutlich unterstreicht und andererseits die retaxsichere Abrechnung ermöglicht. Grundsätzlich ist an die Erhal- tung und Förderung der Therapietreue zu denken. Patienten müssen oft meh- rere verschiedene Psychopharmaka aus- probieren, bis schließlich das wirksame und verträgliche Regime gefunden wird. Dieses fragile Resultat eines schwierigen Findungsprozesses sollte nicht leichtfer- tigt riskiert werden. Durch Äußerung der pharmazeutischen Bedenken im begrün-

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