Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2014 (Juli 2014)

Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2014 (Juli 2014)

Fortbildung aktuell Das Journal

Schwangerschaft, Genussmittel und Fallstricke der Psychopharmakotherapie

3/2014 Das Journal: Juli 2014

Seite 5 Arzneimittel in der Schwangerschaft Seite 13 Therapie-Komplikationen durch Nahrungs- und Genussmittel

Seite 23 Der Sicherheitsgurt in der Psychopharmakotherapie

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EDITORIAL

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vor Ihnen liegt die diesjährige zweite Ausgabe unseres Fortbildungsjournals, die diesmal ein sehr breites Themenspektrum abdeckt:

„So wenig wie möglich, so viel wie möglich“: Diese Grundregel bei der Ein- nahme von Arzneimitteln gilt insbesondere für die Zeit der Schwangerschaft, wie Dr. Dorothee Dartsch (Hamburg) im ersten Fachbeitrag erläutert. Zugleich gilt, dass zwar nur wenige Arzneimittel während der Schwangerschaft absolut sicher sind, aber auch nur eine geringe Anzahl an Arzneimitteln eine definitiv reproduktionstoxische Wirkung zeigen. Wechselwirkungen zwischen Arznei- und Lebensmitteln waren das Thema beimdiesjährigen „Tag der Apotheke“. Passend dazu beleuchtet Professor Dr. Eugen Verspohl (Münster) Therapiekomplikationen durch Nahrungs- und Ge- nussmittel, die insbesondere bei der Einnahme von Antibiotika und Bisphos- phonaten auftreten können. Neben vielen bekannten „Störfaktoren“ (Stich- wort: Grapefruitsaft) detektiert er auch mitunter eher unbekannte Effekte. Oder wussten Sie, dass Knoblauch die Wirkung von Blutgerinnungshemmern verstärkt bzw. die Wirkung von Saquinavir (HIV-Virustatikum) nahezu hal- biert? Im dritten und letzten Beitrag widmet sich Apotheker Christian Schulz (Hiddenhausen) Aspekten der Arzneimitteltherapiesicherheit beim Einsatz von Psychopharmaka. Sie stellen eine wichtige therapeutische Errungen- schaft dar, bergen durch vielfältige Interaktionen allerdings teils erhebliche Risiken. Apotheken können einen wichtigen Beitrag zu einer gelingenden Psychopharmakotherapie leisten, da sie durch gezielte Interventionen die AMTS stabilisieren oder erhöhen können. Nach der Lektüre können Sie sich wie immer den Lernerfolgskontrollen zu den Artikeln im internen Bereich unter www.akwl.de stellen und sich damit Fortbildungspunkte sichern. Dort finden Sie übrigens auch die Lernerfolgskon- trollen zu den bisherigen Ausgaben des Journals.

Gabriele Regina Overwiening Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

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René Graf Vizepräsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Impressum: „Fortbildung aktuell“

der Apothekerkammer Westfalen-Lippe erscheint zweimal jährlich als „Fortbildung aktuell – Themen & Termine“ und dreimal pro Jahr als „Fortbildung aktuell – Das Journal“. Herausgeber: Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Bismarckallee 25, 48151 Münster, Tel: 0251/520050, Fax: 0251/52005-69, E-Mail: info@akwl.de, Internet: www.akwl.de Redaktion/Grafiken: Dr. Sylvia Prinz Layout: Sebastian Sokolowski Autoren dieser Ausgabe: Dr. Dorothee Dartsch, Professor Eugen Verspohl, Christian Schulz Der Bezugspreis für „Fortbildung aktuell“ und „Fort- bildung aktuell – Das Journal“ ist für die Mitglieder der Apothekerkammer Westfalen-Lippe im Kammer- beitrag enthalten. Auflage: 7.400 Exemplare Nachdruck – auch in Auszügen – nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. Gedruckt auf Papier aus 100 Prozent recycelten Fasern. Titelfoto: www.fotolia.com – cirquedesprit

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen, Lernen und Punkten!

Gabriele Regina Overwiening René Graf

Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 1/2010 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 3 Fortbi dung aktuell – Das Journal der Apothe erkammer Westfalen-Lippe

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Dr. Dorothee Dartsch

Arzneimittel in der Schwangerschaft Gut gerüstet in die Beratung

trächtigte Mutter-Kind-Beziehung möglich. 5

Frau Meyer, in der 8. Woche schwanger, steht vor Ihnen in der Apotheke. Sie war gestern schon einmal da und hat ein An- tibiotikum abgeholt, das sie wegen eines Harnwegsinfekts verordnet bekommen hatte. Sie legt die Packung auf den HV- Tisch und sagt: „Ich habe den Beipack- zettel gelesen. Da steht drin, dass die- ses Mittel in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft nur nach strenger Indi- kationsstellung angewandt werden darf. Was heißt das denn? Darf ich das nun nehmen oder nicht?“ Die einfache Antwort wäre „Wenn der Arzt das so verordnet hat, dann ist das in Ordnung.“ Um einen aktiven Beitrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit zu leisten, sollten jedoch einige Aspekte hinterfragt werden, bevor die Patientin wieder „ent- lassen“ wird. Hinsichtlich der Arzneimitteltherapie in der Schwangerschaft stellen sich verschie- dene Fragen: • Ist die Erkrankung behandlungs- pflichtig, weil sie ein Risiko für die Patientin und/oder das ungeborene Kind darstellt? • Wurde der Wirkstoff mit dem besten Nutzen-Risiko-Profil gewählt? • Wurde die Dosis an die schwanger- schaftsbedingt veränderte Pharma- kokinetik angepasst? Frau Meyer aus dem vorangestellten Bei- spiel hat einen Harnwegsinfekt. Dieser bedeutet nicht nur für die werdende Mut- ter eine Beeinträchtigung und das Risiko einer Ausweitung der Infektion, sondern in der Schwangerschaft zusätzlich auch noch die Gefahr einer Frühgeburt bzw. Riskante Erkrankungen

Weniger klar ist der Sachverhalt bei vo- rübergehenden Beschwerden wie Kopf- schmerzen, Husten, Allergien etc. Für de- ren Behandlung wird daher ein deutlich geringeres Arzneimittelrisiko in Kauf ge- nommen. Mit anderen Worten: Für ei- nen Hustenlöser muss die Sicherheit des Wirkstoffs für das ungeborene Kind sehr gut belegt sein, während man für ein gut wirksames Antibiotikum bei einem kom- plizierten Infekt der Mutter ein größeres Risiko akzeptieren würde, wenn nötig. Frauen in gebährfähigem Alter, die eine chronische Arzneimitteltherapie erhalten, sollten bestärkt werden, bei bestehen- dem Kinderwunsch rechtzeitig mit dem behandelnden Arzt oder auch dem Apo- theker darüber zu beraten, ob eine Um- stellung der Therapie schon vor Eintritt der Schwangerschaft bei gleichem thera- peutischen Nutzen eine größere Sicher- heit für die Entwicklung eines Kindes bie- ten würde. Tipp: Ziel der Beratung ist es, der wer- denden Mutter eine informierte Entscheidung zu ermöglichen, wie sie mit ihrer Situation bestmöglich umgehen sollte. Dass Arzneimittel in der Schwangerschaft ein Risiko darstellen, ist weithin bekannt, dass aber eine unbehandelte Erkran- kung unter Umständen ein größeres Risiko bedeutet, kann ein wichtiger Beratungsaspekt sein, der einen verantwortungsvollen Umgang mit der Situation fördert. Ist unter einer bereits laufenden Arznei-

Tod des ungeborenen Kindes. 1 Die Indika- tion zur Arzneimitteltherapie ist also ein- deutig gegeben. In der Regel müssen alle behandlungs- pflichtigen Erkrankungen auch während der Schwangerschaft weiterbehandelt werden, nicht selten, weil sie auch das un- geborene Kind gefährden. Das gilt zum Beispiel für • Diabetes mellitus: bei schlechter gly- kämischer Einstellung erhöhtes Risi- ko von Fehlbildungen und Spontan­ abort 2,3 • Asthma: Sauerstoffmangel des Fetus während eines Asthma- bzw. epilep- tischen Anfalls möglich 4 • Psychosen: Wachstumsretardierung, geringes Geburtsgewicht, beein- Dorothee Dartsch (Hamburg) ist als Ge- schäftsführerin der CaP Campus Pharma- zie zuständig für alle pharmazeutischen Fragen im Rahmen des firmeneigenen Online-Fortbildungsangebots in pati- entenorientierter Pharmazie für Apo- theker. Sie ist promovierte Apothekerin und hat an der Universität Hamburg die Klinische Pharmazie in Forschung und Lehre aufgebaut.

Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 5

Arzneimittel in der Schwangerschaft

Infobox 1: Was passiert wann? Tag 1

in dem die Entwicklung besonders stör- anfällig ist. Während der Fetogenese (8. SSW bis zur Geburt) führen reprodukti- onstoxische Einflüsse eher zu Funktions- störungen, weil die Organsysteme ‚nur‘ noch reifen und sich an die bevorstehen- den Umstellungen nach der Geburt an- passen müssen. 7 Weil Auftreten und Ausmaß einer repro- duktionstoxischen Schädigung so stark zeitabhängig sind, ist es für die Risiko- abschätzung essenziell, dass genau fest- gehalten wird, wann und wie lange das fragliche Arzneimittel eingenommen wurde. Frau Meyer ist in der 8. SSW, al- so im 1. Trimenon und etwa in der Zeit, in der sich die Mund-Kiefer-Gaumenspal- te schließt. Prospektive klinische Studien an Schwan- geren sind nicht verboten, aber mit ho- hen ethischen und rechtlichen Auflagen verbunden, so dass sie nur für zwingende Indikationen durchgeführt werden, wenn ein bereits gut bekannter Wirkstoff mit einem vermutlich geringen teratogenen Risiko zur Verfügung steht. Daher basiert die Einschätzung des Risikos vor allem auf tierexperimentellen Studien, Fallbe- richten und Anwendungsbeobachtungen bzw. Spontanberichten. Davon gibt es na- türlich umso mehr, je länger ein Wirkstoff auf dem Markt ist. Ältere Wirkstoffe wer- den daher zur Arzneimitteltherapie in der Schwangerschaft bevorzugt. Allerdings sind das nicht unbedingt diejenigen mit dem größten klinischen Nutzen. Da Ergebnisse von Tierexperimenten we- gen der Unterschiede in der Pharmako- kinetik und Schwangerschaftsphysiologie nicht immer auf den Menschen übertrag- bar sind und Fallberichte einen geringen Evidenzgrad haben, ist die Einschätzung Wie lässt sich die Reproduktionstoxizität beurteilen?

die Zygote entsteht

Tag 4 die Blastozyste hat sich gebildet Tag 7-11 sie nistet sich in die Uteruswand ein Tag 13 Entstehung der Neuralfalte Tag 20 Bildung der ersten Somiten Tag 23 das Herz beginnt zu schlagen

die Knospen der vier Gliedmaßen und die Ohranlagen haben sich gebildet die Handteller an den oberen Gliedmaßen und die Linsen der Augen sind angelegt die Mund-Kiefer-Gaumenspalte hat sich geschlossen, der Fetus ist weitestgehend angelegt

Tag 28

Tag 38

Tag 60

Bis zur Geburt

Reifung

Natürlich gibt es individuelle Unterschiede in diesen Abläufen. Die Zeitangaben sind daher so zu verstehen, dass um den Tag X der jeweils beschriebene Prozess abläuft.

ben (siehe unten).

mitteltherapie dagegen eine ungeplante Schwangerschaft eingetreten, gilt es zu überlegen, ob die Wahrscheinlichkeit ei- ner fetalen Schädigung so groß ist, dass ein vorsorglicher Schwangerschaftsab- bruch gerechtfertigt ist, bzw. ob besonde- re Untersuchungen erforderlich sind, um eine Schädigung ausschließen zu können. In beiden Fällen ist die Beurteilung des re- produktionstoxischen Potenzials der ein- genommenen Arzneimittel der Dreh- und Angelpunkt der Nutzen-Risiko-Bewer- tung. Frau Meyer hat ein Antibiotikum ver- ordnet bekommen. Nicht alle Antibioti- ka dürfen während der Schwangerschaft eingenommen werden. Für die unkompli- zierte Zystitis sind für ansonsten gesunde, nicht-schwangere Frauen unter anderem 2. Generations-Cephalosporine, Fosfomy- cin oder Nitrofurantoin, für die Pyelone- phritis Gyrasehemmer oder Cephalospori- ne einsetzbar. 6 Nitrofurantoin und Gyra- sehemmer sind jedoch in der Schwanger- schaft zu vermeiden, weil sie im Verdacht stehen, teratogene Eigenschaften zu ha- Reproduktionstoxizität und Nutzen- Risiko-Bewertung

Ein Teratogen ist ein Agens, das die Ent- wicklung des Kindes im Mutterleib stören und eine Fehlbildung verursachen kann. Man unterscheidet verschiedene Klassen von Teratogenen: physikalische (Strah- lung), biologische (Infektionen) und che- mische (Chemikalien und Arzneistoffe). Teratogene haben eine phasenspezifische Wirkung 7 : Wenn sie in der sehr frühen, präembryonalen Schwangerschaft einwir- ken, ist bei einer starken Schädigung die Schwangerschaft zu Ende (meist bevor sie überhaupt bemerkt wurde). Andernfalls sind die verbleibenden, noch kaum dif- ferenzierten Zellen in der Lage, die zer- störten Zellen vollständig zu ersetzen, so dass ein ungeschädigtes Kind entsteht („Alles-oder-nichts-Prinzip“). Teratogene Schädigungen während der Embryogenese (3. bis 8. Schwanger- schaftswoche, (SSW)) erzeugen struktu- relle Fehlbildungen (Geburtsfehler), weil in dieser Zeit die Organe und Gliedmaßen angelegt werden. Für jede Organanlage existiert ein sensibles Zeitfenster, meist kurz bevor die betreffende Organanla- ge sich ausgebildet hat (siehe Infobox 1),

6 Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 1/2014 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe de Apothek kammer Westfalen-Lippe

Dr. Dorothee Dartsch

schaft eingesetzt werden. Auch wenn ei- ne Schwangerschaft während einer kurz- zeitigen Nitrofurantointherapie erkannt wird, kann die Therapie zu Ende geführt werden. 10 Briggs, Freeman & Yaffe: Einer Beschrei- bung der verfügbaren Studien und Fall- berichte folgt die zusammenfassende Ein- schätzung, dass sich Nitrofurantoin we- der in Tierversuchen in Dosierungen, die denen der Anwendung beim Menschen entsprechen, noch aus der Anwendungs- beobachtung beim Menschen als terato- gen darstellt. Bei perinataler Anwendung scheint allerdings ein – wenn auch ge- ringes - Risiko für hämolytische Anämien zu bestehen (auf das auch Embryotox für die Anwendung im 3. Trimenon hinweist), so dass gegen Ende der Schwangerschaft andere Antibiotika gewählt werden sollten. 11

per se mit Unsicherheit behaftet. 7 Das hat zur Folge, dass Angaben zur Reprodukti- onstoxizität eines Wirkstoffs in verschie- denen Quellen (siehe Infobox 2) vonei- nander abweichen können. Am Beispiel des Nitrofurantoins, das au- ßerhalb der Schwangerschaft beim thera- pieresistenten oder rezidivierenden Harn- wegsinfekt eingesetzt werden könnte, stellt sich die Bewertung folgenderma- ßen dar: Die Rote Liste gibt an: strenge Indikati- onsstellung im 1. u 2. Trimenon und kon- traindiziert im 3. Trimenon. Es liegen kei- ne hinreichenden Daten vor. Tierexperi- mentelle Studien haben Reproduktions- toxizität gezeigt. Das potenzielle Risiko für den Menschen ist nicht bekannt. Ni- trofurantoin passiert die Plazentaschran- ke. Gefahr der hämolytischen Anämie beim Neugeborenen. 8 Bei Embryotox finden wir für Nitrofuran- toin im 1. Trimenon: Die bisherigen Er- fahrungen mit über tausend exponierten Schwangeren sprechen gegen ein tera- togenes Risiko. Lediglich einzelne Studi- en mit methodischen Schwächen fanden schwach signifikante Hinweise auf ein er- höhtes Fehlbildungsrisiko, ohne dass ein typisches Muster erkennbar war. Jedoch gibt es besser untersuchte und verträg- lichere Antibiotika, so dass der Einsatz von Nitrofurantoin kritisch geprüft wer- den sollte. 9 CRAT: Die veröffentlichten Daten zur kurzzeitigen Anwendung von Nitrofu- rantoin bei schwangeren Frauen sind um- fangreich und beruhigend. Zur langfris­ tigen Anwendung in der Schwanger- schaft gibt es keine Daten. Bei Schwan- geren sollte ein Erregernachweis im Urin durchgeführt werden. Während der War- tezeit auf das Ergebnis kann Nitrofuran- toin in jedem Abschnitt der Schwanger-

len ermöglicht also eine differenzierte- re Einschätzung des Risikos bei pauscha- len Aussagen wie „strenge Indikations- stellung in der Schwangerschaft“. Sollten also die in erster Linie empfohlenen Ce- phalosporine, zum Beispiel Cefaclor oder Fosfomycin 6 für Frau Meyer nicht in Frage kommen, könnte sie für ca. 5 bis 7 Tage auch mit Nitrofurantoin behandelt wer- den. Oft findet sich in den Fachinforma- tionen Schwangerschaft unter den Ge- genanzeigen. Ein Blick in die weiterfüh- renden Quellen gibt dann Aufschluss da- rüber, ob die Kontraindikation aus Da- tenmangel oder wegen eines nachgewie- senen Risikos besteht. Schon die reproduktionstoxische Bewer- tung eines einzelnen Wirkstoffs kann komplex sein – bei der Bewertung einer Kombinationstherapie addieren sich je- doch die Fragezeichen, die jeder einzel- ne Wirkstoff aufwirft und die Bewertung wird zunehmend unsicher, das Gesamtri-

Ein solcher Vergleich verschiedener Quel-

Infobox 2: Wo findet man Angaben zur Reproduktionstoxizität? Rote Liste/Fachinformation: Je nach Art und Umfang der verfügbaren Daten zur Reproduktionstoxizität ordnen Hersteller ihren Präparaten graviditätsbezogene Chiffren zu, die in der Roten Liste wiedergegeben sind: • Chiffren Gr 1-Gr 3: Wirkstoffe, die von sehr vielen schwangeren Frauen einge- nommen wurden, ohne dass sich Hinweise auf Reproduktionstoxizität ergeben hätten. • Chiffren Gr 4-Gr 6: Wirkstoffe, die nur von wenigen schwangeren Frauen einge- nommen wurden, die aber in diesen Fällen keine Reproduktionstoxizität verur- sachten. • Chiffren Gr 7-Gr 10: embryotoxische, fetotoxische, perinatal-toxische Wirkstoffe bzw. Wirkstoffe mit sexualhormonellen Eigenschaften. • Sind mehrere Chiffren angegeben, beziehen sie sich jeweils nur auf den 1., 2. oder 3. Trimenon. Fachliteratur: Beispiele für einschlägige Fachbücher sind: Schaefer et al.: Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit, Urban&Fischer, 8. Auflage 2012; Smollich, Jansen: Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit: Schnell und sicher beraten. GOVI, 3. Auf- lage 2012; Friese et al.: Arzneimittel in der Schwangerschaft und Stillzeit. Ein Leitfaden für Ärzte und Apotheker, DAV, 7. Auflage 2009; Briggs, Freeman, Yaffe: Drugs in Preg- nancy and Lactation, LWW, 9. Auflage 2011; Schaefer et al.: Drugs during Pregnancy and Lactation, Elsevier 2014 (in Vorbereitung). Datenbanken: Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité: http://www.embryotox.de; Institut für Reproduktionstoxikologie: http://www.reprotox.de (nur mit Registrierung; telefonische Anfragen möglich); Drugs in Pregnancy and Breastfeeding: http://www. perinatology.com; Developmental and Reproductive Toxicology Database (DART) auf www.toxnet.nlm.nih.gov (Studien zu einzelnen WIrkstoffen sortiert nach Relevanz); Centre de Référence sur les Agents Tératogènes (CRAT): http://www.lecrat.org/ (eng- lische Version in Vorbereitung).

Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 7

Arzneimittel in der Schwangerschaft

von Stoffen mit weit variierenden physi- ko-chemischen Eigenschaften gebildet wird. 12,13 Arzneistoffe passieren die Plazenta haupt- sächlich durch Diffusion. Sie ist möglich für kleine (<1000 Da), lipophile, nicht-io- nisierte Moleküle. Der geschwindigkeits- begrenzende Schritt ist die plazentare Durchblutung. Hydrophile Verbindungen (zum Beispiel Cimetidin, Fenoterol) pas- sieren die Plazenta auf dem parazellu- lären Weg. Ihre Permeabilität ist um et- wa 80 Prozent geringer als für lipophi- le Stoffe. Außerdem enthält die Plazen- ta eine große Anzahl von In- und Efflux- pumpen, die den Transport von Verbin- dungen gemäß ihrer Substratpräferenzen vermitteln. Beispiele sind organische An- ionentransporter (OAT), organische Kat- ionentransporter (OCT), das organische Anionen transportierende Peptid (OATP) und ATP-binding cassette (ABC) Transpor- ter. Außer durch Diffusion können Arznei- stoffe auch durch Transporter für Nähr- stoffe (zum Beispiel Aminosäurecarrier, Glukosecarrier etc.) transportiert werden. Phagozytose und Pinozytose sind vermut- lich zu langsam, um einen signifikanten Einfluss zu haben. 13 Arzneimittel mit einem hohen Molekular- gewicht (Heparin 6-20 kDa, Insulin 6 kDa) passieren die Plazenta dagegen nicht. 14,15 Einige Arzneistoffe mit extrem hoher Pro- teinbindung und einer kurzen Halbwerts- zeit wie zum Beispiel Glibenclamid errei- chen den Fetus vermutlich ebenfalls nicht in klinisch relevantem Ausmaß. 15 Dazu gibt es erste Studien, die sich allerdings noch nicht in veränderten Therapiege- wohnheiten für Diabetes in der Schwan- gerschaft niedergeschlagen haben: Noch immer ist Insulin das Mittel der ersten Wahl, auch wenn es sich um einen Typ 2-Diabetes handelt. 16

gerschaft_Neugeborenes_d/Schwanger- schaft_Neugeborenes_mt.htm.

siko größer. Daher sollten in der Schwan- gerschaft nach Möglichkeit Monothera- pien eingesetzt werden. Eine große Hilfe sind Leitlinien, die Emp- fehlungen für Therapien während der Schwangerschaft geben. Eine Sammlung solcher Leitlinien findet sich beispielswei- se auf den Seiten der Genfer Stiftung für Medizinische Ausbildung und Forschung: http://www.gfmer.ch/Guidelines/Schwan-

Die Plazenta: eine Schranke?

Oft wird von einer „Plazenta-Schranke“ gesprochen, ein Begriff, der analog der Blut-Hirn-Schranke eine Barrierefunkti- on suggeriert, die das Kind schützt. Aber stimmt das so? Die Plazenta ist ein fetales Organ, das ausdrücklich für den Transfer

Abbildung 1: Arzneimittel in der Schwangerschaft.                  Foto: cirquedesprit – Fotolia.com

Ein weiterer Weg der Arzneistoffexpo-

8 Fortbildung aktuell – Das Journal der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Dr. Dorothee Dartsch

sition für den Fetus ist das Verschlucken des Fruchtwassers, für das gezeigt wur- de, dass es klinisch relevante Konzentra- tionen einiger Antidepressiva, Antibioti- ka und Antikonvulsiva enthält, wenn die Mutter mit diesen Wirkstoffen behandelt wird. 17 Nebenbei: Der plazentare Transfer von Arzneistoffen, die der Mutter gegeben werden, wird manchmal genutzt, um fe- tale Arrhythmien, eine stauungsbedingte Herzinsuffizienz, Infektionen und andere Erkrankungen zu behandeln. Bedeutung hat die in-utero-Behandlung mit Korti- kosteroiden erlangt, die die fetale Lun- genreifung verstärken und angewendet werden, wenn eine Frühgeburt erwartet wird. Damit erreicht man eine 40 prozen- tige Reduktion der Mortalität bei Frühge- burten. Die begrenzenden Faktoren ei- ner Behandlung des ungeborenen Kindes durch die Mutter sind die Sicherheit und Verträglichkeit für die Mutter. Zum Bei- spiel werden kardiovaskuläre Wirkungen von Arzneistoffen von der werdenden Mutter mit einem gesunden Herz-Kreis- lauf-System oft nicht oder nur in begrenz- tem Maß toleriert. Der Wirkstoff mit dem besten Nutzen-Ri- siko-Verhältnis ist gefunden. Aber kann er in der Standarddosis gegeben werden? Einer der Grundsätze für die Arzneimit- teltherapie in der Schwangerschaft ist: so wenig wie möglich. Das bezieht sich sowohl auf die Zahl der Arzneimittel als auch auf die Dosis jedes einzelnen Medi- kaments. Aber die Wirkung erfordert im- mer eine gewisse Menge an Wirkstoff am Wirkort. Also zwar so wenig wie möglich, aber doch auch so viel wie nötig. Die physiologischen Anpassungsvorgänge der Schwangerschaft verändern die Phar- makokinetik der Arzneistoffe. Absorpti- Wieviel und wie oft?

TIPP: Der vor allem in der späteren Schwangerschaft erhöhte Dosisbedarf widerspricht dem intuitiven Bestreben, aus Vorsicht lieber weniger einzunehmen. Für die Be- ratung ist daher wichtig zu erklären, dass das Arzneimittel durch die Verände- rungen in der Schwangerschaft schneller ausgeschieden wird, weshalb eine Dosis­ erhöhung notwendig ist, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Patientinnen sollten gebeten werden, besonders aufmerksam darauf zu achten, ob Symptome der Erkrankung oder Anzeichen unerwünschter Wirkungen auftreten. Falls ein TDM durchführbar ist oder unerwünschte Wirkungen an bestimmten Laborpa- rametern erkannt werden können, ist mit dem verordnenden Arzt zu klären, ob dies geschieht.

on, Distribution, Metabolisierung und Ex- kretion von Arzneistoffen können daher von den allgemeinen Erfahrungswerten abweichen. Ein geeignetes Therapiemo- nitoring ist in dieser Zeit besonders wich- tig, um die Dosis an die veränderte Kine- tik anzupassen. Die gastrointestinale Absorption kann in der Schwangerschaft durch eine verzö- gerte Magenentleerung und herabge- setzte Darmmotilität verlangsamt sein. Die dadurch um 30 bis 50 Prozent erhöhte intestinale Transitzeit wirkt sich auf Dau- ertherapien nicht in relevanter Weise aus. Sie kann aber bei Einmalgabe die Wirk- samkeit herabsetzen, wenn für die Wir- kung das Erreichen eines bestimmten Mi- nimalspiegels innerhalb einer bestimmten Zeit wichtig ist, wie beispielsweise bei ei- nigen Analgetika (Paracetamol und ande- re) oder Antiemetika. Durch verminder- te Säuresekretion und erhöhte Schleim- produktion erhöht sich der Magen-pH. Schwache Säuren werden dadurch stärker ionisiert und weniger absorbiert. Ein grö- ßeres Problem für die Absorption stellt das schwangerschaftsbegleitende Erbre- chen dar. Daher sollte den Patientinnen geraten werden, die Medikamente einzu- nehmen, wenn die Übelkeit am schwäch- sten ist (meistens abends). 18

dass der Verteilungsraum deutlich zu- nimmt, besonders das wässrige Kompar- timent. Das Plasmavolumen ist um etwa 50 Prozent vermehrt, die Herzleistung ge- steigert, die regionale Durchblutung ver- ändert: Der Uterus, die Nieren, die Le- ber, die Haut und die Milchdrüsen wer- den stärker, die Skelettmuskulatur dafür weniger stark durchblutet. Durch das er- höhte Herz-Zeit-Volumen ist der Blutfluss durch die Haupteliminationsorgane, Le- ber und Niere, gesteigert. 19 Diese gesteigerte Leberperfusion und die im 3. Trimenon hinzukommende Indukti- on der Cytochrom P450-Enzyme 2C9, 2D6 und 3A4 durch Estrogen und Progesteron erhöht die Clearance vieler hepatisch eli- minierter Wirkstoffe. Zum Beispiel Prote- ase-Inhibitoren, Midazolam und Fluoxe- tin müssen daher zum Ausgleich höher dosiert werden. Dagegen werden CYP 1A2 und 2C19 durch die erhöhten Hor- monspiegel inhibiert, so dass die Clea- rance von zum Beispiel Theophyllin und Phenytoin verringert ist. Für solche Wirk- stoffe muss die Dosis reduziert werden. 20 Die glomeruläre Filtrationsrate steigt bis zum Ende der Schwangerschaft durch das erhöhte Plasma- und Herz-Zeit-Volu- men um etwa 50 Prozent an. Im gleichen Zug nimmt die renale Clearance für Wirk- stoffe wie Penicillin, Lithium und Digo-

Für die Verteilung im Körper ist relevant,

Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 3/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 9 For bildung aktuell – Das Journal der Apothekerka mer Westfalen-Li pe 9

Arzneimittel in der Schwangerschaft

Das Angebot, sich bei Fragen oder Unbe- hagen zu melden, sollte zum Schluss nicht fehlen.

Take-home-messages • Kein Arzneimittel ist absolut sicher, aber nur wenige sind definitiv reproduk- tionstoxisch. • Verschiedene Quellen zur Reproduktionstoxizität über die Fachinformation hinaus sollten bekannt und greifbar sein. • Das größte teratogene Risiko besteht im 1. Trimenon. • So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig. • Die Arzneimitteltherapie so einfach wie möglich halten (Mono- statt Kombi- nationstherapie) • Physiologische Veränderungen unter der Schwangerschaft können die Phar- makokinetik verändern und eine Dosisanpassung (nicht selten eine Dosiser- höhung!) erfordern.

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wurde kein Einfluss der Schwangerschaft auf die Clearance festgestellt. Eine Do- sisanpassung wäre für diesen Wirkstoff nicht erforderlich. 18 Fazit: Die Frage war: „Ich habe den Bei- packzettel gelesen. Da steht drin, dass dieses Mittel in den ersten drei Mona- ten der Schwangerschaft nur nach stren- ger Indikationsstellung angewandt wer- den darf. Was heißt das denn? Darf ich das nun nehmen oder nicht?“ Frau Meyer muss dahingehend aufgeklärt werden, dass ihr Harnwegsinfekt auf jeden Fall mit einem Antibiotikum behandelt werden muss, weil es sonst unter Umständen zu einer Frühgeburt kommen kann. Dass in den Gebrauchsinformationen eine stren- ge Indikationsstellung gefordert wird, ist nicht ungewöhnlich. Es bedeutet, dass für die besondere Situation schwangerer Pa- tientinnen besonders genau abgewogen werden muss, welcher Wirkstoff die bes­ te therapeutische und die wenigsten un- erwünschten Wirkungen hat. Sofern die Nutzen-Risiko-Bewertung ergeben hat, dass der optimale Wirkstoff in der rich- tigen Dosis verordnet wurde, sollte Frau Meyer bestärkt werden, das Arzneimittel genauso und auch genauso lange einzu- nehmen, wie der Arzt es verordnet hat, um für sie und das ungeborene Kind die größtmögliche Sicherheit zu erreichen.

xin zu. Auch die tubuläre Sekretion ist er- höht. Um ausreichende Wirkstoffkonzen- trationen zu erreichen, muss folglich die Dosis erhöht werden. 20 Bei Wirkstoffen, für die ein Therapeu- tisches Drug Monitoring (TDM) möglich ist - also eine validierte Analysenmethode existiert, eine Korrelation zwischen Kon- zentration und Wirkung besteht, ein the- rapeutischer Bereich definiert ist – sollte die Dosis über die Plasmaspiegelmessung optimiert werden. Für Arzneimittel, de- ren Dosis nicht auf diese Weise einge- stellt werden kann, müssen erwünschte und unerwünschte Wirkungen genau be- obachtet und die Dosis bei Auftreten von Symptomen der Erkrankung erhöht und bei Auftreten von unerwünschten Wir- kungen reduziert werden. Falls Frau Meyer ein Cephalosporin der 2. Generation verordnet bekommen hat, wäre es plausibel, wenn die Dosis rela- tiv hoch angesetzt wäre, denn beispiels- weise für Cefazolin und Cefuroxim ist ein niedrigerer Plasmaspiegel bei Schwange- ren gemessen worden, die die Standard- dosierung erhalten hatten. Um einen the- rapeutischen Effekt zu erzielen, muss al- so die Dosis erhöht und/oder das Einnah- meintervall verkürzt werden. Für das 3. Generations-Cephalosporin Ceftriaxon

10 Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe – l de Apothek kammer Westfalen-Lippe

Dr. Dorothee Dartsch

Anhang: Empfehlungen von Embryotox zur Therapie behandlungspflichtiger Erkrankungen in der Schwangerschaft

Erkrankung

Empfohlene Wirkstoffe

Systemisch: Loratadin, Cetirizin, Cromoglicinsäure, Prednisolon; Topisch: Azelastin, Levocabastin, Salbutamol, Budesonid, Hyposensibilisierung

Allergie

Reliever: Salbutamol; Controller: Budesonid, Beclomethason, Fluticason, evtl. auch andere ICS (we- niger untersucht), Formoterol oder Salmeterol (nur in Kombination mit ICS); Theophyllin, Predniso- lon (systemisch)

Asthma

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Mesalazin, Sulfasalazin, Glukokortikoide, Azathioprin, Ciclosporin, falls zwingend Infliximab, Ada- limumab, Metronidazol, Ciprofloxacin

Depression

Amitriptylin, Desipramin, Imipramin, Nortriptylin, Sertralin, Citalopram

Humaninsulin (zur Neueinstellung, auch bei Typ2), Insulin lispro, aspart, detemir können weiter gegeben werden

Diabetes mellitus

Epilepsie

Lamotrigin

Antacida, zum Beispiel Magaldrat, Sucralfat; 2. Wahl: Ranitidin; 3. Wahl: Omeprazol; zur Helico- bacter pylori-Eradikation: Omeprazol, Clarithromycin, Metronidazol (oder Amoxicillin)

Gastritis

Glaukom

Augentropfen: Timolol, Dorzolamid, Brinzolamid (Latanoprost)

(Hyper-)emesis gravidarum Doxylamin (auch in Kombination mit Pyridoxin), Dimenhydrinat, Diphenhydramin, Pyridoxin mono, Ingwer

1. Wahl: Propylthiouracil; Reserve: Thiamazol (Methimazol), Carbimazol; keine Kombination mit L-Thyroxin, um den Thyreostatika-Bedarf möglichst niedrig zu halten. Schilddrüsen-Kontrolle beim Neugeborenen 2 Wochen nach der U2

Hyperthyreose

Hypertonie

Alpha-Methyldopa, Metoprolol; Reseve: Dihydralazin/Hydralazin, Nifedipin, Urapidil

Hypothyreose

L-Thyroxin

Hypotonie

Physikalische Maßnahmen, medikamentöse nur zur Not (am ehesten Dihydroergotamin)

Penicilline, Cephalosporine, β -Lactamase-Hemmer; Reserve: Makrolide

Infektionen, bakterielle

Influenza

Paracetamol zur Fiebersenkung; kaum Daten zu Oseltamivir und Zanamivir

Prophylaxe: Chloroquin evtl. in Kombination mit Proguanil; bei Resistenz: Mefloquin; Therapie: Chloroquin, Mefloquin, Chinin

Malaria

Leinsamen, Weizenkleie, indische Flohsamenschalen + ausreichend Flüssigkeit; Lactulose, Macro- gol; zur Not Bisacodyl, Glycerol, Natriumpicosulfat, Glaubersalz; rektal: Mannitol oder Sorbitol

Obstipation

Pedikulose

Dimeticon

Reflux

Antazidum (zum Beispiel Sucralfat), Ranitidin; bei Ösophagitis: Omeprazol

Ibuprofen, Diclofenac, Prednisolon, Prednison, Sulfasalazin ggf. in Kombination mit Hydroxychlo- roquin bzw. Chloroquin, falls zwingend Adalimumab, evtl. Certolizumab pegol

Rheumatoide Arthritis

leicht: Paracetamol, Ibuprofen; mittel bis stark: Paracetamol + Codein, Tramadol, Buprenorphin, Morphin;

Schmerzen

Tuberkulose

Isoniazid (+ Pyridoxin), Rifampicin, Ethambutol, Pyrazinamid

Chlamydien: Erythromycin oder anderes Makrolid (Partner: Doxycyclin); bakterielle Vaginose: Metronidazol (systemisch), Clindamycin (lokal); Mykosen: Nystatin, Clotrimazol; Herpes genitalis: Aciclovir

Vaginale Infektionen (auch symptomfreie)

Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 11 Fortbildung ktuell – Das Journal

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12 Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Prof. Eugen Verspohl

Therapie-Komplikationen durch Nahrungs- und Genussmittel

• „ausreichend Flüssigkeit“: Gemeint ist Leitungswasser und nicht Mineral- wasser. Hinweis bei älteren Patienten: 250 ml und aufrecht sitzend, zur Ver- meidung von Ösophagusulzera. Dies ist ganz wichtig beispielsweise bei Ka- lium-Präparaten und Bisphosphonaten (siehe unten). • „Nüchtern“: Ein Abstand von zwei Stunden zur Mahlzeit kann nicht als Nüchterneinnahme bezeichnet wer- den, wenn süße Limonade, Apfelsaft, Milch oder Formuladiät mit einer Arz- neistoffaufnahme kombiniert werden. Triviale, allgemein bekannte Beispiele können hier nur gestreift werden, wie „bukkale Anwendung“ nicht bei vollem Mund, Milch nicht zusammen mit be- stimmten Antibiotika, Grapefruit-Proble- matik usw. Der gefüllte Magen besitzt ein Retardie- rungsmoment mit unterschiedlichen Aus- wirkungen: • Erhöhung der Zeit zwischen Applikati- on und Erreichen der maximalen Plas- makonzentration (t max ): Wirkung tritt verspätet ein • Erniedrigung der maximalen Plas- makonzentration (C max ): Wirkung ist schwächer, hält aber evtl. länger an • Veränderung der Gesamt-AUC (Fläche unter der Kurve). Die Verringerung der Absorptionsge- schwindigkeitskonstanten k a (Abbil- dung 1, rechts) durch Nüchterneinnahme, also der Geschwindigkeit, mit der ein Arz- neistoff resorbiert wird. Dies ist bei der Kurzzeittherapie wegen des raschen An- flutens des Arzneistoffs erwünscht (ra- Resorptionsbeeinflussung allgemein durch Nahrung

Der Patient hat gerade eine Tasse Kaffee oder ein Glas Mineralwasser vor sich ste- hen. Soll er oder muss er damit jetzt die Tabletten schlucken? Im viktorianischen Zeitalter mit seinen gesellschaftlichen Zwängen gab es solche Fragen nicht: Die in einer silbernen Pillendose versteckten Arzneimittel wurden heimlich ohne nach- zudenken unter dem Tisch hervorgeholt und zum Essen eingenommen. Die Anga- ben zu Interaktionen zwischen Arznei- stoffen und Nahrungsmitteln sind heu- te noch lückenhaft, manchmal einander widersprechend oder teilweise sogar ir- reführend, wenn die Untersuchungen an gesunden jungen Menschen und nicht an älteren und kranken Menschen mit ih- rem abweichenden Metabolismus durch- geführt wurden. Die Nahrungsaufnahme ist ein Unsicherheitsfaktor für die Arznei- therapiesicherheit, dies macht die Pati- enten-Beratung unabdingbar. Der Leser soll durch die Abschnitte „Hinweise“ pra- xisnahe Hilfen bekommen. Die Problemerkennung wird dadurch er- schwert, dass Wechselwirkungen zwi- schen einem Arznei- und einem Nah- rungsstoff gelegentlich in einer Abschwä- chung der Wirkung bestehen können und dann als therapeutischer Versager missge- deutet werden. Hinweise auf Beipackzet- teln fehlen häufig oder die Angaben sind nicht konkret (siehe Abschnitt „vor dem Essen“ und „nach dem Essen“). Anma- ßende Vorhersagen aus Analogieschlüs- sen „aus dem apothekerlichen Bauch he- raus“ sind kontraproduktiv (siehe Bei- spiele für Abweichungen innerhalb einer Arzneistoffgruppe), auch wenn pharma- kokinetische Interaktionen einer gewis- sen Systematik in Bezug auf Resorption, Elimination und Metabolismus unterlie- gen. Betroffen von Nahrungs- und Ge- nussmittel-Interaktionen sind über 300

Arzneistoffe, die in ca. 5.000 Präparaten enthalten sind und damit ca. zwölf Pro- zent aller Fertigarzneimittel betreffen. In den Arzneimittel-Zulassungsrichtlinien verschiedener Länder ist dieser Nahrungs- aspekt inzwischen berücksichtigt. Prof. Eugen Verspohl (Münster) studierte Pharmazie in Münster und wurde 1993 in Düsseldorf promoviert. Er habilitierte sich im Bereich der Pharmakologie und Toxikologie 1982 in Tübingen. Von 1991 bis zu seiner Emeritierung 2012 lehrte er als Professor für Pharmakologie in Müns­ ter. Er gründete die „Verspohl Stiftung“ und ist Träger der Verdienstmedaille der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Vorab präzisierende Hinweise zur Weiter- gabe an den Patienten • „Einnahme vor dem Essen“: ca. 60 bis 120 Minuten vor der Mahlzeit (nüch- tern) • „Einnahme während des Essens“: spä- testens fünf Minuten nach der Mahl- zeit • „Einnahme nach dem Essen“: Zwischen Mahlzeit und Einnahme sollte ein Ab- stand von 60 bis 120 Minuten liegen. Gemeint ist also nicht unmittelbar nach dem Essen.

13 Fortbildung aktuell – Das J urnal Nr. 1/2014 der Apothekerkammer Westfalen-Lipp Fortbildung ktuell – D s Journal

Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 13

Komplikationen durch Nahrungs- und Genussmittel

Tabelle 1: Die Magenentleerungsgeschwindigkeit ist . . .

scher Anstieg der Kurve). Ein Beispiel ist die auf nüchternen Magen gegebene Acetylsalicylsäure (ASS) zur schnellen Be- seitigung von Kopfschmerzen. Dagegen als Antirheumatikum (Dauertherapie) an- gewendet setzt man auf eine Langzeit- wirkung mit unveränderter AUC: Hier ist der Einnahmezeitpunkt unbedeutend, da nur die k a durch Nahrung beeinträchtigt ist und nicht die AUC. Genauso werden Methotrexat (Zytostatikum, Antirheu- matikum) und Verapamil (Calcium-Ka- nal Modulator) bei Einnahme zum Essen zwar verzögert absorbiert, aber die AUC ist ähnlich wie bei nüchternem Magen; nur dieser Wert AUC ist bei einer Dau- ertherapie für die Blutspiegel im steady- state entscheidend. Die AUC (Abbildung 1, links) sollte nicht erniedrigt werden, da dies eine Abnahme der Bioverfügbarkeit bis zur Wirkungslosigkeit bedeutet. Der Magen ist allein wegen seiner ge- ringen resorbierenden Oberfläche von 0,1 m 2 kein bedeutendes Resorptionsor- gan. Seine Bedeutung für Nahrungs-In- teraktionen liegt in der Verweildauer der Nahrung und damit auch des mitge- führten Medikamentes, denn das Tempo der Magenentleerung bestimmt, wann der Arzneistoff den Dünndarm, seinen Der Magen: seine Bedeutung für Nahrungs-Interaktionen

. . . unbedeutend:

. . . problematisch:

Einzel-Dosis-Formen, da • unterschiedlich rasche Magenentleerung • retiniert in digestiver Phase

Mehrfach-Dosis-Formen: Subunits sind < 1mm, das heißt Teilchen können kon- tinuierlich den Magen auch bei geschlossenem Sphinkter verlassen

verspätetes, unvorhersehbares Verlassen bei plötzlicher Aktivität des interdigestiven, myoelektrischen Motorkom- plexes

Tabelle 2: Zwei Typen magensaftresistenter Arzneiformen (Mups=multiple unit pellet system):

1. Pellets, multiple units (modern) Diclofenac (Rewodina® Dual) Indometacin Retard-Präparate PPI (Antra MUPS®; Nexium® mups; Omedoc® als Hartkapseln = überzo- gene Pellets; Omap®)

blette ist, desto weniger wahrscheinlich ist ihr normal schneller Weitertransport zusammen mit dem Nahrungsbrei in den Darm, denn große Teilchen (>2 mm) ver- lassen den Magen erst im späteren Nüch- ternzustand; dies führt zu dem Problem der unvorhersehbaren und interindividu- ell stark schwankenden Verzögerung der Resorption im Darm (Tabelle 1). Die Hemmung der Magenentleerung, be- stimmend für Menge und Zeitpunkt des Auftauchens des Arzneistoffs im Resorpti- onsort Darm, hängt ab von: • Nahrungszusammensetzung (kohlen- hydratreich, fettreich, hohe Viskosität, hohe Osmolarität) • Aufbereitung und Partikelgröße der Nahrung (kaufauler Patient) • Temperatur (eiskalte Getränke, heiße Mahlzeiten) • Kaloriengehalt (energiefreie Flüssig- keiten verlassen den Magen nach zehn bis 35 Minuten). 2. Monolithen, single units (nicht so modern) Diclofenac (Arthrotec® Manteltabletten; Voltaren® retard Dragees (außer Handel)) kein Indometacin-Präparat mehr, PPI (Antra®; Nexium®; Omedoc® Hartkapseln; Omap®)

Resorptionsort, erreicht. Der Magen ent- leert sich portionsweise durch peristal- tische Bewegungen im Antrumbereich bei gleichzeitiger Öffnung des Pylorus. Etwa 30 bis 50 Prozent einer festen Mahlzeit werden vom Magen pro Stunde an den Dünndarm abgegeben. Die Magenentlee- rungsgeschwindigkeit beträgt 3 kcal/min, bei einem 500 kcal-Frühstück dauert es al- so ca. drei Stunden. Die Art des Nahrungs- breis verändert die Motorik des Magens von Grund auf. Es dauert bis der Magen- inhalt im unteren Bereich des Magens, dem Antrum, zerkleinert ist (sogenannte „Antrummühle“). Erst wenn die Partikel klein genug sind, werden sie in den Darm transportiert. Medikamente sind ein „Be- triebsunfall“, sie werden behandelt wie Nahrungsbestandteile. Je größer eine Ta-

-AUC

-k

a

Magensaftresistente Arzneiformen

Magensaftresistent überzogene Arznei- formen sollen die Magenschleimhaut vor aggressiven Arzneistoffen schützen (zum Beispiel nicht-steroidale Antiphlogistika, wie Diclofenac, Eisensalze, Valproinsäu- re) oder eine Inaktivierung/Umwandlung

Konzentration

Abbildung 1: Abnahme der AUC (area under the curve) (links, ein Problem der Lang- zeittherapie) oder Abnahme der k a (rechts, ein Problem der Kurzzeittherapie, schnelles Anfluten erwünscht). Zeit Zeit

14 Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe Fortbildung aktuell – Das J urnal Nr. 1/2014 der Apothek rkammer Westfalen-Lippe 14 F rtbildung aktuell – Das Journal Nr. 1/2014 der Apothe erkammer Westfalen-Lippe – as Jo rnal de Apothek rk mmer Westfalen-Lipp

Prof. Eugen Verspohl

achtmal besser im alkalischen als im sau- ren Milieu extrahiert. So ließe sich erklä- ren, warum es sehr große individuelle Un- terschiede im maximalen Serumspiegel gibt. Deshalb sollte Theophyllin besser re- tardiert eingesetzt werden. Auf den pH-Wert des Urins bezogen ver- hält es sich analog. Wenn aber eine Alka- lisierung des Harns (stark pflanzlich be- tonte Ernährung oder vegetarische Er- nährung) auftritt, erfolgt eine lang- samere Ausscheidung von basischen Arz- neistoffen, wie Antiarrhythmika vom Chinidintyp, Imipramin, Amphetamine. Das Gegenteil trifft bei sauren Arznei- stoffen, wie ASS, Phenobarbital zu. Dann erfolgt eine schnellere Elimination. Al- les ist umgekehrt bei Ansäuerung durch eiweißreiche Ernährung, also verstärkte Ausscheidung basischer Arzneimittel, wie Chloroquin, Imipramin und Chinidin. hinweis: Die pH-Werte im Magensaft sind schwer vorhersehbar, geschweige denn steuerbar und somit auch die daran gekoppelten Resorptionsvor- gänge (einiger weniger Arzneistoffe). Stärker von Bedeutung ist der verän- derte Harn-pH durch vegetarische Kost, eine verstärkte Ausscheidung saurer Arzneistoffe (beispielsweise ASS, Penicilline und Sulfonamide), eine verringerte von Basen (beispiels- weise Allopurinol und Chinin). Auch an die vorzeitige Auflösung ma- gensaftresistenter Überzüge durch pH-Wert anhebende Nahrung muss gedacht werden, zum Beispiel Dulco- lax® und Milch.

zum Essen tritt eine Verzögerung bis zu elf Stunden auf, mit der Gefahr der Zerstörung des magensaftresistenten Überzugs. Bei Diclofenac somit erst nach sieben Stunden ein, selbst dann noch nicht einmal gleichmäßiger, An- stieg der Plasmaspiegel auftreten (Ta- belle 1). Im Nüchternzustand beträgt der pH-Wert im Magen etwa 1 bis 3, bei Nahrungsauf- nahme kommt er auf Grund der Verdün- nung des Säureanteils auf 6 oder 7. Einige Nahrungsmittel sind aber „Säurelocker“, beispielsweise Fleisch, Fisch, Eier, Käse, Ze- realien, Linsen, Mais, Pflaumen und Prei- selbeeren. Basen-bildende Nahrungsmit- tel (lakto-vegetabile Kost) sind Milch und Milchprodukte (außer Käse), Gemüse (au- ßer Linsen und Mais) und Obst (außer Pflaumen und Preiselbeeren). Saure Arzneistoffe werden aus dem sau- ren Milieu besser resorbiert, basische Arz- neistoffe werden besser aus alkalischem Milieu resorbiert. Als Beispiel dient The- ophyllin als Single-unit-Präparat (Theo- phyllin-Tabletten auf Alginatbasis, lang- sam freisetzend): Diese Substanz wird pH-Gefüge von Magen und Harn

säure- bzw. hydrolyseempfindlicher Arz- neistoffe verhindern (zum Beispiel Pan- kreasenzyme, Protonenpumpen-Hemmer (PPI), wie Omeprazol und Erythromycin). 1. Wirkstoff-Pellets werden mit einer ma- gensaftresistenten (säurefesten) Hülle versehen in normale Kapseln abgefüllt oder zu Tabletten verpresst, die sich im Magen lösen bzw. zerfallen und dann den Magen zeitig zusammen mit dem Chymus verlassen (Tabelle 1). 2. Die ganze Arzneiform (als Mono- lith vorliegend, Tablette, Kapsel, Dra- gee) ist außen mit einem magensaft- resistenten Film überzogen und behält deshalb im sauren Milieu des Magens ihre Form bei. Nach der Nahrungsauf- nahme reicht die Stärke der Magen- peristaltik nicht aus, um größere Par- tikel, wie beispielsweise monolithische Tabletten, ins Duodenum zu beför- dern. Erst wenn der Magen nach Stun- den bis auf große unverdaubare Par- tikel entleert ist, werden auch diese durch starke propulsive Kontraktionen (Housekeeper-Waves) in den Dünn- darm ausgetrieben. Diese magensaft- resistenten Monolithen verlassen bei Nüchterneinnahme den Magen spätes­ tens nach zwei Stunden; bei Einnahme

hinweise • Monolithen (magensaftresistent): nüchtern (wenn aber zur Mahlzeit gegeben, ist kinetisches Verhalten kaum vorhersehbar). Häufige Mahlzeiten – auch kleinere – verhindern die Housekeeper-Waves, so dass magensaftresistente Monolithen zum Teil erst sehr spät, beispielsweise nachts den Magen verlassen, das heißt mit groß- em Abstand nach der Einnahme zur Wirkung kommen. Vorsicht: Es gibt manch- mal fehlerhafte Angabe von Herstellern in der Fachinformation. • Pellets: nüchtern oder zur Mahlzeit; generell korrekte Gebrauchsanweisungen der Hersteller • Magensaftresistente Granulate: unabhängig vom Essen (zum Beispiel Budeno- falk®) • Nicht magensaftresistent: Dolo Filmtabletten (zwei Stunden vor dem Essen); bei Magenempfindlichkeit: auch zum Essen; dergleichen Monoflann® retard N Hart- kapseln; Diclofenac Dolo® Liquid (ist nicht-retardiert) zur Mahlzeit. Zum Essen (Magenempfindlichkeit) oder nüchtern kann alles mit den Bezeichnungen dispers und Tabs (nicht magensaftresistent) angewendet werden.

Antibiotika

a) allgemein: Viele Penicilline sollten bevorzugt nüch- tern mit einem Glas Leitungswasser einge- nommen werden, damit sie auf schnells-

15 Fortbildung aktuell – Das J urnal Nr. 1/ d r Apothekerkammer Westfalen-Lip e Fortbildung ktu ll – Das Journ

Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe 15

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