Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 1/2020
FEHLERMANAGEMENT
• Wie stelle ich etwas in Frage, ohne dass sich der andere kritisiert oder in seiner Kompetenz angegriffen fühlt? In dem Wissen darum, dass Kommunika- tionsprobleme bei Fehlern in Medizin und Pflege eine zentrale Rolle spielen und eine gelebte „Speak-up“-Kultur zur Verbesse- rung der Patientensicherheit beiträgt, hat die Stiftung Patientensicherheit Schweiz einen Praxisleitfaden „speak up – Wenn Schweigen gefährlich ist“ entwickelt. 3 Die Autoren zeigen an zahlreichen Praxisbei- spielen, was „speaking up“ bedeutet und wie eine „Speak-up“-Kultur etabliert wer- den kann. Einige Empfehlungen hieraus lassen sich auch in der Apotheke leicht umsetzen (siehe Kasten). Offen kommunizierte Fehler tragen nachhaltig zu einer Verbesserung der Pa- tientensicherheit bei, wenn sie systema- tisch aufgearbeitet werden. Durch eine eingehende Analyse lassen sich Fehler- ursachen und begünstigende Faktoren
identifizieren und entsprechende Präven- tionsmaßnahmen ableiten.
die Unklarheit beseitigt ist. 2 Bedenken las- sen sich entweder im Rahmen des Bera- tungsgesprächs mit dem Patienten selbst oder in den meisten Fällen durch Rück- sprache mit dem verordnenden Arzt aus- räumen. Hierbei handelt es sich um einen selbstverständlichen Vorgang, der in der Praxis jedoch immer wieder als proble- matisch erlebt wird. In der heilberuflichen Kommunikation zwischen Ärzten und Apothekern können zahlreiche Faktoren einen konstruktiven Umgang miteinan- der verhindern. Fragen der telefonischen Erreichbarkeit, organisatorische Hürden, großer Zeitdruck sowie Missverständnisse und Kommunikationsbarrieren gehören dazu. Auch das Gespräch mit Berufskol- legen oder dem Vorgesetzten in der Apo- theke gestaltet sich manchmal schwierig, wenn Fehler dabei im Fokus stehen. Aus Angst, andere bloßzustellen und gute Ar- beitsbeziehungen zu gefährden, werden nicht selten Sicherheitsbedenken ver- schwiegen. Doch es bedarf genau dieser Ansprache, des „speaking up“ – nur hier- durch kann man den Patienten vor einem möglichen Schaden bewahren. In der Apotheke kann im Rahmen einer Teambesprechung gemeinsam überlegt werden, inwieweit bereits eine „Speak- up“-Kultur etabliert ist oder wie dieser Schritt gelingen kann: • Wie schaffen wir ein Klima in der Apo- theke, wo Nachfragen erwünscht ist? • Wie können wir uns gegenseitig unterstützen? • Wie ermutige ich andere, nachzufragen? • Wie spreche ich andere auf einen Feh- ler an? „Speaking up“ bedeutet, zu reagieren und Kollegen oder Vorgesetzte anzu- sprechen, wenn die Sicherheit von Pa- tienten gefährdet ist oder gefährdet scheint, um dadurch Risiken von Pati- enten abzuwenden. Es bedeutet auch, die eigene Expertise und die eigenen Ideen zu äußern, so dass diese in Prob- lemlösungen mit einfließen können. So wird das Synergiepotential inter- disziplinärer Teams genutzt und Prob- leme können nachhaltig anstatt kurz- fristig gelöst werden. „SPEAK-UP“ FÜR MEHR PATIENTENSICHERHEIT
Schritt 3: Fehleranalyse im Apothekenteam
Wie die Fehleranalyse praktisch durch- geführt wird, soll exemplarisch an dem nachfolgenden Fallbeispiel aus CIRS-NRW gezeigt werden:
Fall-Nr. 208178: Plausibilitätsprüfung bei Abgabe
Was ist passiert? Vom Arzt wird „Salbutamol Inhalat, 18 Tropfen“ für ein Kleinkind verordnet. Der Verordnungsfehler der Praxis bleibt in der Apotheke zunächst unbemerkt und das Medikament wird abgegeben. Eigentlich hätte „Salbubronch“ zur Einnahme verord- net werden sollen, der Kundin wurde vom Arzt auch ein Medikament zur Einnahme erklärt. Bei der Rezeptkontrolle fällt der
WAS KANN ICH AB MORGEN UMSETZEN, WORAUF KANN ICH AB MORGEN ACHTEN? Wenn mir etwas auffällt und ich Sorge habe, dass die Patientensicherheit gefähr- det ist: • Davon ausgehen, dass alle das Beste für die Patienten möchten. • Ich-Botschaften statt Du-Aussagen nutzen: „Mir erscheint die Dosierung zu hoch.“ · Kein „Hint and Hope“, das heißt, keine vagen Aussagen machen und hoffen, dass der andere darauf reagiert, z. B.: „Ich bin mir nicht ganz sicher, aber hier könnte eine zu hohe Dosierung vorliegen.“ • Lösungen vorschlagen und das Gegenüber einbeziehen. · Einen konkreten Plan oder Lösungsvorschlag anbieten, z. B.: „Ich schlage vor, dass wir nun den Arzt anrufen.“ · Die Sichtweise des Gegenübers einbinden. · Die Bestätigung erhalten, dass das Vorgebrachte Gehör findet, z. B.: „Bist du ein- verstanden?“; „Wie klingt das für dich?“ • Codewörter oder Gesten verwenden. · Diese eignen sich um Patienten oder Angehörige durch das Ansprechen von Be- denken nicht zu verunsichern und die Kollegin/den Kollegen nicht bloßzustellen. · Beispiele für Codewörter: · Klarheit: „Ich brauche hier mehr Klarheit. Können wir uns kurz besprechen?“ · Update: „Können wir uns kurz für ein Update zurückziehen?“ • Dranbleiben, auch wenn nicht gleich die gewünschte Reaktion gezeigt wird. Wenn alles zu schnell gegangen ist – auch im Nachhinein kann noch vieles angespro- chen werden. Wenn mich jemand anspricht und Bedenken ausdrückt: • Bewusst machen – der Kollegin/dem Kollegen geht es darum, Gefahren abzuwen- den und Fehler zu verhindern. Es geht nicht um Kritik oder Nörgelei. •Konstruktiv reagieren und sich für den Hinweis bedanken. • Beschreiben, nicht bewerten. · Kurz und bündig erläutern.
8 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
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