Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 1/2020
FEHLERMANAGEMENT
TABELLE 1: Fehlermöglichkeiten imMedikationsprozess (nach 1 )
ungewöhnliche Dosierung auf. Auf tele- fonische Nachfrage bestätigte der Ehe- mann, der Arzt habe die Dosis erhöht und er habe seiner Frau zuvor dann auch 1,5 Pflaster aufgeklebt, d. h. ein Pflaster wur- de zerschnitten. Im Telefongespräch wur- de dem Ehemann geraten, das zerschnit- tene Pflaster zu entfernen und nochmals Rücksprache mit dem Arzt zu halten, der dann auch ein Fentanylpflaster 37,5 µg/h verordnete. Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis und wie hätte es vermieden werden können? Bei der Abgabe hätte die Dosierung noch- mals überprüft werden müssen. In diesem Fall kam es an mehreren Stellen im Medikationsprozess zu einem Fehler. Zunächst ordnete der Arzt eine ungeeignete Dosierung von „1,5 Pflas- ter alle drei Tage“ an, die eine Teilung des wirkstoffhaltigen Pflasters erforderte. Im Jahr 2008 kam das Bundesinstitut für Arz- neimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Rahmen einer arzneimittelrechtlichen Bewertung zu dem Schluss, dass eine Tei- lung von transdermalen therapeutischen Systemen aus Gründen der Anwendungs- sicherheit nicht akzeptabel ist. Die fal- sche Dosierungsanweisung fiel allerdings im Rahmen der inhaltlichen Prüfung der BEINAHE-SCHADEN (ENGL. „NEAR MISS“) Ein Fehler ohne Schaden, der zu einem Schaden hätte führen können. BEISPIEL Ein falsches Arzneimittel, das dem Pa- tienten in der Apotheke ausgehändigt wurde, kann durch einen Botendienst noch vor der Einnahme gegen das richtige Medikament ausgetauscht werden. Der Fehler erreicht den Pati- enten somit nicht. ANMERKUNG Häufig wird die falsche Bezeichnung „Beinahe-Fehler“ verwendet. Hierbei handelt es sich um eine Fehlüberset- zung des englischen Begriffes „near miss“.
Mögliche Fehlerquellen Beispiele für Fehler Diagnose · Fehldiagnose Indikationsstellung
· Nicht-Beachten von Leitlinien oder patientenindividueller Situation · Nicht-Beachten von Kontraindikationen · Nicht-Beachten von Interaktionen mit bestehender Medikation · Verordnung einer ungeeigneten Dosierung · Verordnung eines falschen Arzneimittels · Weiterverordnung eines akut anzuwendenden Arzneimittels · Verordnung der vorherigen Medikation ohne erneute Überprüfung · Unvollständige, fehlerhafte oder unverständliche Information des Patienten · Nicht-Einlösen des Rezeptes · Apothekenwechsel: Nicht-Erkennen von Interaktionen mit bestehender Medikation · Nicht-Erkennen von Kontraindikationen, Interaktionen oder ungeeigne- ten Dosierungen · Unvollständige, fehlerhafte oder unverständliche Information des Patienten · Abgabe eines falschen Arzneimittels · Empfehlung eines ungeeigneten Arzneimittels
Medikationsüberprüfung in der Arztpraxis Verordnung/Information
Überbringung
Selbstmedikation
Medikationsüberprüfung in der Apotheke
Information/Abgabe
Anwendung
· Unregelmäßige Einnahme · Unter-/Überdosierung · Nicht-Einhalten zeitlicher Abstände zum Essen · Zu selten · Keine Kontrolle des Therapieerfolgs · Keine Abfrage von Symptomen · Keine Nachfrage nach korrekter Anwendung
Monitoring
Fall-Nr. 200035: Dosierung von Phenobarbital
Verordnung in der Apotheke nicht auf, da diese nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Eine ausführlichere Beratung wur- de seitens des Angehörigen der Patientin offensichtlich nicht gewünscht. Mögli- cherweise wäre der Dosierfehler hierbei aufgefallen. Alle Beteiligten imMedikationsprozess können Fehler machen, aber jeder einzel- ne hat auch die Chance, Fehler aufzude- cken und abzufangen. Damit kann jeder Beteiligte eine wichtige Sicherheitsbarrie- re sein, die den Patienten vor einem Scha- den bewahrt. Eine wichtige Sicherheitsbarriere im Me- dikationsprozess stellt die Apotheke dar – hier wird häufig ein letztes Mal die Me- dikation des Patienten überprüft, hier kön- nen auch Medikationsfehler abgefangen werden, die in der Arztpraxis oder durch den Patienten entstehen. Die wichtige Funktion der Apotheke als Sicherheitsbar- riere wird im folgenden Fall aus CIRS-NRW deutlich: Die Apotheke als wichtige Sicherheitsbarriere
Was ist passiert? Für einen drei Monate alten Säugling wurden Luminal® Tabletten (100 mg Phenobarbital) verordnet. Empfohlener Dosisbereich initial 3 bis 6 mg/kg pro Tag (hier 18 bis 36 mg). Die Nachfrage bei der Ärztin zur Dosierung ergab, dass morgens 1 und abends 1,5 Tabletten gegeben wer- den sollten. Die Bedenken einer Überdo- sierung wurden damit abgetan, dass das Kind ja in der Klinik auf die Dosis einge- stellt wurde. Bei der Nachfrage in der Kli- nik stellte sich heraus, dass Luminaletten® (15 mg Phenobarbital) hätten verordnet werden müssen - dann ergeben sich bei der Tablettenanzahl 15 mg morgens und 22,5 mg abends. Das Kind erhielt dann die richtige Stärke. Was war das Ergebnis? Kind wurde vor einer schweren Überdosie- rung bewahrt. Wo sehen Sie Gründe für dieses Ereignis? Mehrere Gründe führten zu dem Ereignis. Einerseits kam es zu einer Verwechslung
6 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
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