Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 1/2020
DR. HELGA BLASIUS
Lebensmittel (inklusive Nahrungsergän- zungsmittel) als neuartig, die vor 1997 nicht in nennenswerten Umfang auf dem europäischen Lebensmittelmarkt vertre- ten waren. Entsprechende Produkte dür- fen in der EU nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie gesundheitlich bewer- tet und eigens zugelassen sind. Im Januar 2019 hat die Europäische Kommission den Eintrag für Cannabinoide im so genannten Novel Food-Katalog der EU erweitert. Der Katalog entfaltet zwar als Guidance-Dokument keine rechtliche Bindungswirkung, besitzt aber als Ausle- gungshilfe eine große praktische Bedeu- tung in den Mitgliedstaaten. Während die Hanfpflanze (Cannabis sativa L.) selbst, ebenso wie Hanfsamen, Hanfsamenöl oder Hanfsamenmehl kei- ne neuartigen Lebensmittel sein sollen, werden Cannabinoid-haltige Extrakte aus Cannabis sativa L. und andere Produkte, denen solche Extrakte als Zutat zugesetzt werden (z. B. Hanfsamenöl mit CBD) als neuartig eingestuft, ebenso wie die Ein- zelsubstanz Cannabidiol (CBD), auch in synthetischer Form. Ob ein konkretes Pro- dukt als Novel Food einzustufen ist oder nicht, muss stets im Einzelfall geprüft werden, wobei die Beweislast beim Her- steller liegt. Ist er sich nicht sicher, so soll er den Mitgliedstaat konsultieren, in dem er das neuartige Lebensmittel erstmals auf den Markt bringen möchte. Bislang gibt es keine Zulassung für CBD als neuartiges Lebensmittel. Seit 2016 ist ein Antrag auf Zulassung von Cannabidi- ol aus einem Cannabis-Extrakt als Novel Food anhängig, der aber von der Europäi- schen Kommission noch nicht beschieden ist. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vertritt bezüglich Cannabidiol in Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln schon seit geraumer Zeit einen klaren Stand- punkt und hatte zuletzt am 20. März 2019 auf seiner Webseite festgestellt: „Dem BVL ist derzeit keine Fallgestaltung be- kannt, wonach Cannabidiol in Lebensmit- teln, also auch in Nahrungsergänzungs- mitteln, verkehrsfähig wäre.“ Dieser Auslegung sind auch bereits ei- nige Gerichte gefolgt, so zum Beispiel das Gerichte untersagen Inverkehrbringen
sicher zu beurteilen. Zudem wurde bei 32 Proben die Kennzeichnung beanstandet.
150 µg/kg für alle anderen Lebensmittel. Sie wurden auf der Basis von 1 bis 2 µg/ kg Körpergewicht pro Tag ermittelt und werden derzeit als sicher eingeschätzt. Die Europäische Behörde für Lebensmit- telsicherheit (EFSA) hat im Jahr 2015 für THC als LOAEL (Lowest observed adverse effect level/niedrigste Dosis mit beobach- tetem toxischen Effekt) eine Dosis von 2,5 mg pro Tag festgelegt. Daraus wurde unter Hinzuziehung von Sicherheitsfakto- ren eine akute Referenzdosis (ARfD) von 1 μg THC pro kg Körpergewicht abgeleitet. Die ARfD ist die Substanzmenge, die ein Verbraucher im Verlauf eines Tages ohne erkennbares Gesundheitsrisiko aufneh- men kann. Im Jahr 2018 hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die Ergebnisse ei- ner Erhebung zum THC-Gehalt von Le- bensmitteln auf der Basis von 210 Proben aus den Jahren 2007 bis 2016 bekannt gemacht. Bei den hanfhaltigen Nahrungs- ergänzungsmitteln überschritten nahezu alle Proben den Richtwert von 150 µg/kg. Auch wurde für möglich gehalten, dass beim Verzehr hanfhaltiger Lebensmittel Mengen im Bereich der arzneilich einge- setzten THC-Dosen (≥ 2,5 mg/Person pro Tag) aufgenommen werden. Weitere Untersuchungsergebnisse von Proben aus dem Markt hat das Che- mische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) in Karlsruhe im August 2018 vor- gelegt. Dort gingen von Anfang 2018 bis Ende Juni 2019 insgesamt 49 Hanf- oder CBD-Proben der baden-württembergi- schen Lebensmittelüberwachungsbehör- den ein. Im ersten Halbjahr 2019 wurde ein Sonderprogramm durchgeführt, bei dem gezielt alle in Baden-Württemberg als Nahrungsergänzungsmittel angezeig- ten CBD-Produkte sowie alle verfügba- ren CBD-Produkte im Lager eines großen Internethändlers beprobt wurden. Elf Proben wurden aufgrund einer Über- schreitung des THC-LOAEL als gesund- heitsschädlich und weitere 17 Proben als für den Verzehr durch den Menschen un- geeignet eingestuft, weil der ARfD oder BgVV-Richtwert überschritten war. Damit war mehr als jede zweite Probe als nicht THC-Gehalte in Lebensmitteln oft zu hoch
Kriterien für den Produktstatus
Bei der Abgrenzung von Hanf- und CBD- haltigen Nahrungsergänzungsmitteln zum Arzneimittel kommen zwei wesentli- che Kriterien zum Tragen, nämlich: • die Funktion, das heißt die tatsächlich möglichen Wirkungen des Produk- tes, und • die Präsentation, das heißt, die Auf- machung bzw. die Zweckbestimmung, die der Anbieter ihm beimisst. Wie bereits dargelegt, werden Canna- bidiol verschiedene pharmakologische Wirkungen zugeschrieben, die es schon alleine dadurch wegen der „Funktion“ zu einem Arzneimittel machen könnten. Im Hinblick auf die Präsentation kommt es neben der Aufmachung im Wesentli- chen darauf an, mit welchen Aussagen und Anwendungsempfehlungen die Pro- dukte vermarktet werden. Beziehen sich diese auf die Heilung, Linderung oder Ver- hütung von Krankheiten, so kommt eine Einstufung als Lebensmittel nicht in Frage. Auch bei gesundheitsbezogenen Aussa- gen (health claims) zu den Produkten sind die Hersteller keineswegs frei. Diese dür- fen nur gemacht werden, wenn sie von der EU-Kommission ausdrücklich genehmigt wurden. Für Lebensmittel/Nahrungs- ergänzungen mit Hanf, Hanfextrakten oder Cannabidiol gibt es bislang keinen einzigen genehmigten Health Claim. Mit welchem Nutzenversprechen diese abge- geben werden, bleibt also dem Apotheker überlassen. Wer in der Apotheke mit sol- chen Produkten in Berührung kommt, tut gut daran, sie sorgfältig unter die Lupe zu nehmen und die Abgabe nicht mit irgend- welchen Heilversprechen zu verbinden. Kein „Health Claim“ vorhanden
Cannabidiol als Novel Food
Neben der Abgrenzung zum Arzneimittel kommt bei der Verkehrsfähigkeit als Le- bensmittel noch ein anderer Aspekt zum Tragen, nämlich die Einordnung als neu- artiges Lebensmittel (Novel Food). Nach der Novel Food-Verordnung der EU gelten
AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 19
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