Mitteilungsblatt 2/2021, 4. Mai 2021

RATGEBER APOTHEKENPRAXIS

Foto: ©Bojan Vujicic - istockphoto.com

Die Penicillinallergie: Häufig vermutet, selten bestätigt

echte BLA-Allergie. Nur selten werden vermeintliche Penicillinallergien noch ein- mal hinterfragt oder wirklich abgeklärt. Allergische Reaktion vom Soforttyp oder vom Spättyp Bei einer allergischen Reaktion auf ein Antibiotikum muss zwischen einer Re- aktion vom Soforttyp und vom Spättyp unterschieden werden. Reaktionen vom Soforttyp treten in der Regel innerhalb von 60 Minuten nach Einnahme des An- tibiotikums auf. In seltenen Fällen können sie bis zu sechs Stunden nach Einnahme eintreten. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um eine immunologische Reaktion, die IgE-vermittelt ist. Meistens geht der allergischen Reaktion ein sensi- bilisierender Erstkontakt voraus. Sofort- typreaktionen äußern sich oft als Urtika- ria oder mit Symptomen wie Atemnot, Tachykardie, Hypotonie, Übelkeit und

Diese sind zur Behandlung der jeweiligen Infektion oft nur Mittel der zweitenWahl, haben ein schlechteres Nebenwirkungs- profil oder verursachen häufiger Resis- tenzen oder auch Kollateralschäden, wie zum Beispiel Infektionen mit Clostridium difficile. Oftmals basiert der Vermerk „Penicillinallergie“ in der Patientenakte auf der anamnestischen Auskunft des Patienten. Dabei interpretieren Patienten auch allgemeine pharmakologische Ne- benwirkungen einer Antibiotika-Therapie (z. B. Übelkeit, Durchfall) gelegentlich als „Allergie“. Infektbedingte Exantheme oder eine infektgetriggerte, akute spon- tane Urtikaria können als allergische Re- aktion fehlgedeutet werden. Im Kindes- alter werden parainfektiöse Exantheme häufig als kutane Arzneimittelreaktion fehlinterpretiert [4]. Auch ein Arzneimit- telexanthem bei Gabe eines Penicillins bei infektiöser Mononukleose ist keine

> Betalaktamantibiotika (BLA) ge- hören zu den Substanzen, die am häufigsten Arzneimittelallergien auslösen. Allergische Reaktionen auf BLA sind bei fünf bis 15 Pro- zent der Patient*innen in Industrie- ländern dokumentiert [1]. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2017 zeigte, dass bei 95 Prozent der Patient*innen, die mit einer doku- mentierten Penicillin-Allergie ins Krankenhaus aufgenommen wur- den, keine Allergie nachgewiesen werden konnte [1]. Die Angabe einer „Penicillinallergie“ führt häufig aus Angst vor Kreuzallergien und schweren allergischen Reaktionen zu ei- ner Vermeidung aller Betalaktame und dadurch zwangsläufig zur Wahl anderer Antibiotikagruppen, wie zum Beispiel Flu- orchinolone, Makrolide oder Clindamycin.

AKWL Mitteilungs blatt 02-2021 / 15

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