Mitteilungsblatt 1/2018, 15. Februar 2018

EDITORIAL

Editorial

Erst die Wahl, dann die Qual Gabriele Regina Overwiening Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe E-Mail: praesidium@akwl.de

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir alle wissen ja, dass Ungewissheit schwer zu ertragen ist. Das gilt für fast alle Lebenslagen, sofern es nicht gerade darum geht, Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke auszupacken. Dann mag noch die Vorfreude überwiegen. Doch mehr als vier Mona- te nach der Bundestagswahl 2017 stellt sich bei mir nun wirklich keine Vorfreude mehr auf die Koalition ein, die uns vielleicht bis 2021 regieren wird, womöglich aber schon nach knapp zwei Jah- ren die Notbremse ziehen will. Oder sie kommt vielleicht erst gar nicht zustande, weil nach erfolgten Sondierungsgesprächen jetzt entweder die anstehenden Koalitionsverhandlungen scheitern oder die SPD-Mitglieder einen ausverhandelten Koalitionsvertrag ablehnen. Unser Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat es zu Beginn dieses Jahres an verschiedener Stelle gesagt: Politiker fast aller Staaten auf dieser Erde würden sich „die Finger danach lecken“ unter den aktuellen Rahmenbedingungen, die geprägt sind von Vollbeschäftigung, sprudelnden Steuereinnahmen und gefüllten Renten- und Sozialkassen, in die politische Verantwor- tung einzutreten. Wer sich politisch engagiert, der muss doch auch den Willen haben, politisch zu gestalten, andernfalls setzen wir die hervorragenden Rahmenbedingungen in Deutschland ohne Not aufs Spiel. Dass gerade wir Apothekerinnen und Apotheker aber drin- gender denn je eine verlässliche politische Führung und stabile Rahmenbedingungen benötigen, das haben wir alle und das ha- ben Sie auch in großer Zahl nach dem EuGH-Urteil vom Oktober 2016 gebetsmühlenhaft in vielen Gesprächen und Verlautbarun- gen wiederholt. Wenn wir allein in Westfalen-Lippe Tag für Tag mehr als 350.000 Patienten verlässlich, schnell und wohnortnah auf höchstem pharmazeutischen Niveau versorgen sollen, dann können wir nicht parallel noch einen ungleichen Wettbewerb

mit Versandapotheken aus dem Ausland austragen. Daher sind all die taktischen Spielchen und Verzögerungen für uns in diesen Tagen nur schwer zu ertragen. Sie werden letztlich nur dazu füh- ren, dass die Politikverdrossenheit steigt und womöglich die poli- tischen Ränder noch weiter gestärkt werden. Wenn man dem Patienten in der Arzneimittelversorgung die vermeintliche freie Wahl ermöglicht – zwischen der wohn- ortnahen Apotheke und dem Versandhandel – dann führt das auch mitunter zu Qualen. Im letzten Jahr hatte uns ja schon das Landesgesundheitsministerium bestätigt, dass es für den Versandhandel keinen Kontrahierungszwang gibt, er sich also letztlich die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken kann. An- lass unserer Anfrage waren u. a. von Versendern nicht belieferte Rezepturverordnungen. Der Westdeutsche Rundfunk hat in seinen jüngsten Apo- thekentests ähnliche Erfahrungen gesammelt: Während er den Vor-Ort-Apotheken in drei Viertel der Fällen eine umfassende Be- ratungsleistung attestierte, fiel der Test bei den Online-Apothe- ken in einem Drittel der Fälle verbesserungswürdig und in einem weiteren Drittel mangelhaft aus. Auch für diesen Testkauf gilt: Er kann nur eine kleine Stichprobe, eine Momentaufnahme sein. Er zeigt zugleich aber auch: Wenn es um eine verlässliche Versor- gung geht, dann gibt es weiterhin keine Alternative zur Apotheke vor Ort.

Mit freundlichen, kollegialen Grüßen

AKWL Mitteilungs blatt 01-2018 / 3

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