Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 4/2021
SICHERHEIT VON IMPFUNGEN
Sicherheit von Impfungen Die Unterscheidung zwischen Impfreaktion, Impfkomplikation und Impfschaden
Impfungen sind eine weltweite Er- folgsstory im Gesundheitswesen. Nach Schätzungen der Weltgesund- heitsorganisation werden darüber jährlich Millionen Leben gerettet (s. Abb. 1). Mittlerweile existieren so viele verschiedene Vakzine, dass man sich vor mehr als 20 lebensbedrohli- chen Erkrankungen schützen kann. 1 Einige gefährliche Infektionskrank- heiten konnten sogar durch eine akti- ve Immunisierung weltweit ausge- rottet werden. Dazu zählen beispiels- weise die Pocken, und Polio steht kurz vor diesem Ziel. Zwar verlieren durch den Erfolg dieser spezifischen und äußerst zuverlässigen Prävention schwere Krankheiten ihren Schrecken. Dies führt jedoch dazu, dass sich für Viele die Wichtigkeit einer Impfung nicht mehr erschließt. Verschwinden aus dem Alltagsbild die Menschen, die beispielsweise durch die Begleit- symptome einer Kinderlähmung ge- zeichnet sind, fällt es vielen Men- schen schwer, sich vorzustellen, war- umman sich auch heute noch vor ei- ner Infektion durch Polioviren schüt- zen sollte. Auch können sich viele Menschen nicht vorstellen, wie ge- fährlich die oft als „harmlos“ wahrge- nommenen Kinderkrankheiten, wie Masern, Mumps, Röteln und Windpo- cken, sein können. Dies führt zu Gleichgültigkeit oder auch zur Ableh- nung von Präventionsmaßnehmen, die lebensrettend sein können. Hinzu kommt, dass Impfen eine aktive pharmazeutische Intervention ist, die bei gesunden Menschen erfolgt. Es fehlt der Anlass, der zu einer Inter- vention motiviert, mit der Konse- quenz, dass die gezielte Vermeidung von Krankheiten auf der Strecke bleibt. Als Rechtfertigung werden du- biose Vorwände bemüht, z. B. dass der Impfstoff ein Fremdkörper ist, der zudem noch mit fragwürdigen Hilfs- mitteln versetzt ist.
Dr. Ilse Zündorf , 1984-1990 Biologiestudium an der Uni- versität Erlangen; 1994 Forschungsaufenthalt an der Uni- versity of Kentucky, Lexington, USA; 1995 Promotion am Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Frankfurt; seit 1995 Akademische Rätin und seit 2001 Aka- demische Oberrätin am Institut für Pharmazeutische Bio- logie der Universität Frankfurt. Prof. Dr. Theo Dingermann, Pharmaziestudium an der Universität Erlangen; 1980 Promotion im Fach Biochemie; zweijähriger Postdoc-Aufenthalt an der Yale-University USA; 1987 Habilitation in den Fächern Biochemie und Mo- lekularbiologie; von 1990-2013 C4-Professor am Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Frankfurt; 2013- 2017 Seniorprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt/ Main; 1998-2000 Vizepräsident der Johann Wolfgang Goe- the-Universität Frankfurt; 2000-2004 Präsident der Deut- schen Pharmazeutischen Gesellschaft.
Dr. Ilse Zündorf
Prof. Dr. Theo Dingermann
Die Impfung als Teil eines natürlichen Immuntrainings
vielmehr die Folgen einer Infektion mit den entsprechenden Toxin-produzieren- den Bakterien verhindern sollen. Deshalb ist es plausibel, dass der Körper zumindest teilweise so reagiert, wie er reagieren wür- de, wenn ein infektiöses Agens in den Kör- per eindringen würde. Das sind dann die sogenannten Impfreaktionen, die nicht in jedem Fall harmlos sein müssen. Richtig krank werden kann ein Mensch durch eine Impfung jedoch üblicherweise nicht. Den- noch fürchten viele Menschen genau die- se Nebenwirkungen und wollen sich und ihre Kinder nicht dieser überbewerteten Gefahr aussetzen.
Ziel einer jeden Impfung ist, das spezifi- sche Immunsystem des Geimpften da- hingehend zu trainieren, dass es ganz bestimmte biologische Oberflächen hoch spezifisch und hochaffin erkennt. Sollten diese Oberflächenstrukturen später bei einer Infektion erneut im Körper auftau- chen, können sehr schnell Reaktionen ein- geleitet werden, die die von diesen Struk- turen ausgehenden möglichen Gefahren abwenden. Eine Impfung imitiert also Teilprozesse einer Infektion, indem Lebendimpfstof- fe, wie diejenigen gegen Masern, Mumps oder Röteln, oder Totimpfstoffe, wie bei den Grippe-Vakzinen, verabreicht werden. Anders sieht es bei den Toxoid-Impfstof- fen etwa gegen Diphtherie oder Tetanus aus, die nicht etwa die Infektion, sondern
Unterteilung von Impf-Nebenwirkungen
Wie jede pharmazeutische Intervention kann auch eine Impfung mit unerwünsch- ten Reaktionen assoziiert sein. Da sich in
16 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
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