Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 4/2021

DEPRESCRIBING

In immer größer werdender Zahl stehen konkrete Deprescribing-Leitfäden und Deprescribing-Algorithmen für spezifi- sche Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen zur Verfügung. Diese finden sich unter folgenden hilfreichen Internetadressen, die zudem weitere Materialien für Fach- personal aber auch Patienten und weiter- führende Literatur, Publikationen sowie Fallbeispiele bieten: • www.deprescribingnetwork.ca • www.deprescribing.org • www.australiandeprescribingnet- work.com.au • www.deprescribingresearch.org • www.primaryhealthtas.com.au/ resources/deprescribing-resources/ Zudem befinden sich elektronische Da- tenbanken in der Erprobung (z. B. www. medstopper.com). REFERENZEN & LITERATUR 1 Woodward MC et al. Deprescribing: Achieving Better Health Outcomes for Older People Through Reducing Medications. J Pharm Pract Res 2003; 33: 323-8. 2 Scott IA et al. Reducing Inappropriate Poly- pharmacy - The Process of Deprescribing. JAMA Intern Med 2015;175(5):827−833. doi:10.1001/ jamainternmed.2015.0324. 3 Reeve E et al. A systematic review of the emerging definition of ‘deprescribing’ with network analysis: implications for future re- search and clinical practice. Br J Clin Pharmacol 2015;80(6):1254−68. doi: 10.1111/bcp.12732. 4 Midão L et al. Polypharmacy prevalence among older adults based on the survey of health, ageing and retirement in Europe. Arch Gerontol Geriatr 2018;78:213−220. 5 Iyer S et al. Medication withdrawal trials in people aged 65 years and older: a systematic review. Drugs Aging 2008;25(12):1021−1031. 6 Page AT et al. The feasibility and effect of deprescribing in older adults on mortality and health: a systematic review and meta-analysis. Br J Clin Pharmacol 2016;82(3):583−623. 7 Garfinkel D und Mangin D. Feasibility Study of a Systematic Approach for Discontinuation of Multiple Medications in Older Adults. Arch Intern Med. 2010;170(18):1648−1654. 8 Balsom C et al. Impact of a pharmacist-admi- nistered deprescribing intervention on nursing home residents: a randomized controlled trial. Int J Clin Pharm 2020;42(4):1153−1167. 9 Blom JW et al. Describing deprescribing trials better: an elaboration of the CONSORT state- ment. J Clin Epidemiol 2020;127:87−95. doi: 10.1016/j.jclinepi.2020.07.011. 10 Böhm S. Die Kunst des Weglassens – DGIM-Ini- tiative zur Vermeidung unnötiger medizinischer Leistungen. Medscape Deutschland. 20.04.2015 http://praxis.medscapemedizin.de/artikelan- sicht/4903547 (letzter Zugriff am 25.08.2021). 11 Leitliniengruppe Hessen, DEGAM: S3-Leitlinie Multimedikation, Langfassung, AWMF-Regis- ternummer: 053 – 043. 2. Auflage 2021. https://

Aufklärung und Sensibilisierung durch Apotheker

Arzneimittel-Behandlung?“

„Welche Medikamente haben für Sie ei- nen hohen Stellenwert? Warum?“

Im Rahmen einer Medikationsanalyse und auch bei alltäglichen Verdachtsmomen- ten zu unangemessenen Arzneimitteln können Apotheker dazu beitragen, Pati- enten für das Thema „Deprescribing“ zu sensibilisieren, ohne das Arzt-Patienten- Verhältnis zu gefährden. Der Einstieg in die behutsam zu führende Kommunikati- on könnte folgendermaßen gelingen (ad- aptiert nach 14 ): „Sie nehmen eine ganze Menge Arznei- mittel ein. Wie wäre es, wenn ich regelmä- ßig (*) überprüfe, ob alles noch zusammen und zu Ihrem aktuellen Gesundheitszu- stand passt?“ „Die Nebenwirkungen vonMedikamenten können sich summieren. Es kann sein, dass X, Y und Z aus Ihrer Liste zu möglichen Ge- dächtnisproblemen beitragen könnten.“ „Mehrere Ihrer Medikamente können das Sturzrisiko erhöhen. Ich würde Sie gerne über verschiedene Möglichkeiten infor- mieren, wie man dieses Risiko verringern kann. Man könnte (*) versuchen, die Dosis zu reduzieren oder eines oder mehrere dieser Medikamente abzusetzen.“ „Mit zunehmendem Alter muss man bei manchen Arzneimitteln aufpassen. Auch wenn die Medikamente früher einmal gut gewirkt haben, könnten sie jetzt viel- leicht riskant für Sie sein/nicht mehr den gleichen Nutzen haben. Hier denke ich speziell an X, das (*) vielleicht nicht mehr benötigt wird.“ „Eine Behandlung mit diesem Medika- ment dauert normalerweise acht Wo- chen/soll nur für kurze Zeit erfolgen. Da Sie es schon länger als X Wochen einneh- men, kann man nun (*) die Dosis langsam reduzieren und es dann nach einer Weile absetzen.“ [*=in Absprachemit IhremArzt] Um Patientenpräferenzen oder -wi- derstände rund um die Arzneimittelthe- rapie zu erfragen, könnten während einer Medikationsanalyse folgende Formulie- rungen hilfreich sein (adaptiert nach 14 ):

„Was fällt Ihnen im Rahmen Ihrer Arznei- mittel-Behandlung am schwersten?“

„Welches Medikament mögen Sie am we- nigsten? Warum?“

„Welche Nebenwirkungen haben Sie unter einem dieser Arzneimittel bereits verspürt?“ Haben Sie schon einmal darüber nachge- dacht, eines Ihrer Medikamente dauerhaft wegzulassen?“ Kanadische Apotheker konnten zeigen, dass Deprescribing-Maßnahmen durch ihre Empfehlungen erfolgreich angesto- ßen werden konnten. Sie gaben Patien- ten mit inadäquate Verordnungen aus den Gruppen der Benzodiazepine und Z-Substanzen, Antihistaminika der ers- ten Generation, Glibenclamid und NSAR Aufklärungsmaterialien mit, um Patien- ten zu ermutigen, ein Gespräch mit ihrem behandelnden Arzt zu suchen. Zudem hatten Apotheker die Möglichkeit, Ärzte direkt mit einer standardisierten phar- mazeutischen Stellungnahme auf Opti- mierungspotentiale hinzuweisen. Nach sechs Monaten war bei 43 % der Patien- ten in der Interventionsgruppe die als un- geeignet angesehene Medikation abge- setzt worden, verglichen mit 12 % in der Kontrollgruppe. 15 Diverse Arbeitshilfen können zur Unter- stützung von Deprescribing-Interventio- nen eingesetzt werden und helfen bei der Einschätzung unangemessener Arznei- mittel. Eine Übersicht über gängige und nützliche Arbeitsmittel findet sich bei 16 . Exemplarisch zu nennen sind: • der Medication Appropriateness In- dex (MAI) • Negativ- und Positiv-Listen wie PRIS- CUS- und FORTA-Liste, Beers-, START- und STOPP-Kriterien, Listen zur anti- cholinergen Last, Drug Burden Index Arbeitshilfen

„Welche Ziele haben Sie bei der

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