Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 3/2020

DR. SUSANNE MESEKE

Therapie von COVID-19 Viele Fragen – wenig Antworten: eine Übersicht derzeitiger Therapieoptionen

Abstandsregeln, Maskenpflicht, Hygi- enekonzepte und Quarantänemaß- nahmen gehören inzwischen zum All- tag. Wieviel einfacher wäre die Pan- demie, wenn es einen Impfstoff gäbe, der alle ausreichend schützt oder zu- mindest ein Arzneimittel, das schwe- re Verläufe verhindert, die Krank- heitsphase verkürzt oder bei Schwerstkranken die Überlebens- wahrscheinlichkeit erhöht. Tausende von Studien laufen im Zusammen- hang mit COVID-19, sehr viele davon untersuchen die verschiedensten Therapieoptionen – die Informations- flut ist überwältigend. Aber was sind echte Hoffnungsträger und wie wir- ken sie überhaupt? Dieser Artikel soll einen kurzen Überblick über die wich- tigsten Therapieoptionen verschaf- fen. Wirft man einen Blick in das US-ame- rikanische Studienregister clinicaltrials. gov, findet man unzählige Studien zur Arzneimitteltherapie von COVID-19. „Alte Bekannte“, wie Remdesivir, Chlo- roquin oder Lopinavir, aber auch un- bekanntere Substanzen und „Exoten“, wie z. B. Ozon, Isotretinoin, Pentoxifyl- lin, Ivermectin oder Acai-Beeren wer- den in klinischen Studien untersucht. Bei vielen ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, warum sie gegen SARS- CoV-2 überhaupt wirken könnten. Ei- nige pharmakologische Angriffspunk- te lassen sich aus den Eigenschaften des Virus ableiten. Viren sind obligat intrazelluläre Parasiten, deren metabolische Prozesse, wie z. B. die Synthese von Proteinen, von der Wirtszel- le abhängen. Viren vermehren sich nicht durch Zweiteilung, sondern durch Zusam- menlagerung einzelner Bestandteile, die mithilfe der Wirtszelle produziert werden. Ohne eine Wirtszelle sind sie nicht in der Lage, sich zu vermehren. Coronaviren, wie z. B. SARS-CoV und SARS-CoV-2 gehören zur Gruppe der einsträngigen, behüllten RNA-Viren. Zu Der Replikationszyklus von SARS-CoV-2

Dr. Susanne Meseke (Münster) ist Fachapothekerin für Arzneimittelinformation und Klinische Pharmazie und arbeitet in der Abteilung Arzneimittelinformation und Medikationsmanagement der Apothekerkammer Westfa- len-Lippe. Sie ist Antibiotic-Stewardship-Expertin und Mit- glied im Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.

Dr. Susanne Meseke

Membran kann nun mit der Zellmemb- ran der Wirtszelle verschmelzen und das RNA-Genom wird unter Mithilfe weiterer Proteasen in das Zytoplasma abgegeben. Die freigesetzte Virus-RNA wird nun ab- gelesen. Zum einen dient sie direkt als Matrize für die Synthese viraler Proteine. Zum anderen wird sie mit Hilfe einer RNA- gebundenen RNA-Polymerase (RdRP), also einer viruseigenen Polymerase, vervielfäl- tigt und bildet das Genom für neue Viren. Die neuen Viren werden aus den Einzel- bestandteilen zusammengebaut und aus der Wirtzelle ausgeschleust. Aus diesem Replikationszyklus ergeben sich einige denkbare Angriffspunkte für Arzneistoffe,

dieser Gruppe zählen auch HIV oder das Ebola-Virus. Anders als DNA-Viren benö- tigen RNA-Viren zur Vermehrung ihres Erbguts nicht die Replikationsmaschinerie der Wirtszelle, sondern bringen eigene En- zyme oder zumindest die Erbinformation für eigene Enzyme, wie z. B. eine RNA-ab- hängige RNA-Polymerase (RdRP), mit. Abbildung 1 zeigt den Replikations- zyklus von SARS-CoV-2. Bei einer Infekti- on bindet SARS-CoV-2 – sehr vereinfacht dargestellt – mit seinem Spike-Protein an den ACE2-Rezeptor der Wirtszelle und wird durch eine membranständige Prote- ase der Wirtszelle (die sog. TMPRSS2) „ge- schnitten“ und damit aktiviert. Die virale

ABBILDUNG 1: Zeigt – stark vereinfacht – die Replikation von SARS-CoV-2 in der Wirts- zelle und die möglichen Angriffspunkte einiger Wirkstoffe.

Modifizierte Abbildung nach 1,2

AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 5

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