Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 2/2021

MATTHIAS BAUER

die Senkung des Blutdrucks auf < 135/85 mm Hg. Für Hypertoniker, die an Diabetes leiden, einen Schlaganfall erlitten haben, behindert oder pflegebedürftig sind, sei ein Vorteil eines niedrigen systolischen Zielwertes nicht belegt. Die US-amerika- nischen Fachgesellschaften klassifizieren in ihren jüngsten Leitlinien bereits Blut- druckwerte von 130-139/85-89 mm Hg bereits als Hypertonie Grad I. Hier soll in der Regel noch nichtmedikamentös be- handelt werden. In den europäischen Leitlinien wird dieser Blutdruckbereich als hochnormal bezeichnet und eine medika- mentöse Behandlung nur bei einem sehr hohen kardiovaskulären Risiko in Erwä- gung gezogen. In der NICE-Leitlinie (NICE= National Institute für Health and Care Excellence) sind die Werte wieder etwas weniger streng vorgegeben. Grund für die strengeren Blutdruckvorgaben der ameri- kanischen Fachgesellschaften waren vor allem die Ergebnisse des Systolic Pressure Intervention Trial (SPRINT). Systolische Zielwerte waren in dieser Studie Werte von <120 mm Hg oder <140 mm Hg. Die Inzidenz bestimmter kardio- vaskulärer Ereignisse und das Risiko an einer kardiovaskulären Ursache zu verster- ben war in beiden Gruppen reduziert. Die Gruppe mit den niedrigeren Blutdruck- werten (im Mittel 121 mm Hg) benötigte im Durchschnitt 2,8 und die Gruppe mit einem Mittelwert von 134 mm Hg benö- tigte 1,8 verschiedene Antihypertensiva. Die Ergebnisse können aber nicht unmit- telbar auf die klinische Routine übertra- gen werden, da bei der SPRINT-Studie au- tomatisierte Blutdruckmessungen nach fünfminütiger Ruhezeit und ohne Beauf- sichtigung durchgeführt wurden. Solche Messungen führen durchschnittlich zu 12,7/12,0 mm Hg niedrigeren Werten als bei einer konventionellen Praxismessung. Metaanalysen zeigten, dass eine Reduk- tion des systolischen Blutdrucks um 10 mmHg mit einer relativen Risikoreduktion von 20 Prozent für kardiovaskuläre Ereig- nisse, 17 Prozent für KHK, 27 Prozent für Schlaganfall, 28 Prozent für Herzinsuf- fizienz sowie 13 Prozent für Mortalität einhergehen. 10

NICHTMEDIKAMENTÖSE MASS- NAHMEN ZUR BLUTDRUCKSEN- KUNG • Reduktion der Kochsalzzufuhr • Ausreichende Kaliumzufuhr • Vermeidung von exzessivem Alko- holkonsum • Nikotinverzicht • Gesunde ausgewogene Ernährung • Körperliches Training • Gewichtsreduktion

alle Patienten inklusive der Patienten mit Niereninsuffizienz oder Diabetes mellitus empfohlen, den Blutdruck auf < 140/90 mm Hg in der Praxismessung zu senken. Für die Mehrzahl der Patienten, die die Therapie gut vertragen, wird empfohlen, die Werte weiter zu reduzieren. Es soll ein Blutdruckkorridor mit einem unteren Zielwert definiert werden, der nicht un- terschritten werden sollte. Für Patienten im Alter von 18 bis 65 Jahren wird ein Zielblutdruck von 130 mm Hg systolisch aber nicht weniger als 120 mm Hg vorge- schlagen. Dies gilt auch für Diabetiker, bei Niereninsuffizienten gilt ein Zielwert von < 130 bis 140 mm Hg systolisch. FürälterePatientenüber65Jahrenwird generell ein systolischer Zielblutdruckbe- reich von < 140 bis 130 mm Hg empfoh- len. Unabhängig von der Altersgruppe sollte der diastolische Zielbereich bei < 80 bis 70 mm Hg liegen. Besonders bei älte- ren Patienten muss bei der Therapie auf Nebenwirkungen geachtet und eventuell der Zielblutdruck angepasst werden. Da ältere Patienten oft bei klinischen Studien ausgeschlossen werden, ist die Evidenzla- ge bei diesen Personen eingeschränkt. Die Deutsche Hochdruckliga empfiehlt nur bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten durch normale Praxiswerte, jedoch er- höhte ambulante Blutdruckwerte ge- kennzeichnet. Dieser Bluthochdruck findet sich häufiger bei jüngeren Per- sonen, bei Männern, Rauchern, Pati- enten mit Übergewicht, bei Diabetes sowie bei Angst- und Stresszuständen. Die Inzidenz kardiovaskulärer Ereig- nisse bei der maskierten Hypertonie ist mit der eines dauerhaft erhöhten Blutdrucks vergleichbar. ZU BEACHTEN Eine Weißkittelhypertonie liegt vor, wenn der Blutdruck regelmäßig bei Messungen in der Praxis erhöht ist, bei Messungen zuhause jedoch nor- male Werte bestimmt werden. Die Häufigkeit der Weißkittelhypertonie liegt bei etwa 13 Prozent. Bekannt ist, dass insbesondere psychische Einflüs- se den systolischen Blutdruck deut- lich, um bis zu 40 mm Hg, ansteigen lassen können. Der maskierte Bluthochdruck ist

Grundsätzlich sollten zur Blutdrucksen- kung Änderungen des Lebensstils erfol- gen und diese auch während der Therapie fortgesetzt werden. Von einer Reduktion der Kochsalzzu- fuhr profitieren nicht alle Hypertoniker gleichermaßen, doch sollte die Kochsalz- zufuhr laut der Europäischen Leitlinien 5g/Tag nicht überschreiten. Viele Perso- nen in Deutschland nehmen mehr als das Doppelte zu sich. In randomisierten kontrollierten Studi- en reduzierte regelmäßiges Ausdauertrai- ning den Blutdruck imMittel um11/5mm Hg. Am effektivsten waren 40- bis 60-mi- nütige Einheiten dreimal pro Woche. Auch regelmäßiges dynamisches Krafttraining zeigte positive Effekte. Wie bekannt, haben übergewichti- ge Personen ein höheres Risiko für eine arterielle Hypertonie und sind häufiger therapieresistent. Eine antihypertensive Therapie kann mit einer Substanz oder einem Kombinations- präparat begonnen werden. Die europä- ischen Leitlinien empfehlen für die meis- ten Hypertoniker bereits zu Beginn eine Zweierkombination möglichst in einer Tablette. Zur Erstlinientherapie kann ein Wirkstoff aus folgendenGruppen gewählt werden: Angiotensin-Converting-Enzym- (ACE)-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptor- Subtyp1-(AT1)-Blocker, langwirksame Cal- ciumkanalblocker vom Dihydropyridintyp und thiazidähnliche Diuretika. Beta-Adre- norezeptorblocker sind im Vergleich mit den genannten Substanzklassen bezüg- lich kardiovaskulärer Protektion unterle- gen, zählen aber in einigen Ländern trotz- dem zur Erstlinientherapie. Sie werden Medikamentöse Therapie des Bluthochdrucks

Die Therapie der Hypertonie

Die Therapie des Bluthochdrucks besteht aus zwei Säulen, der nichtmedikamentö- sen und der medikamentösen Therapie.

AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 21

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