AKWL-Geschäftsbericht 2023

Editorial | AKWL Geschäftsbericht 2023

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Editorial

Sehr geehrte Damen und Herren,

das zweiteilige chinesische Zeichen für das Wort Krise beinhaltet die beiden Begriffe Gefahr und Gelegenheit. Aus dieser Symbiose entsteht im bestmöglichen Fall eine Chance zu positiver Verände rung. Man muss allerdings schon ein unverbesserlicher Optimist sein, wenn man aus der berufspolitischen Entwicklung des Jahres 2023 mehr Gelegenheiten als Gefahren herausliest. Zwei Jahre lang hatte das im Koalitionsvertrag der Ampel-Koa lition avisierte Apotheken-Stärkungsgesetz auf sich warten lassen, ehe Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Vortag des Deutschen Apothekertages in Düsseldorf, an dem er ja eigentlich digital mit den gewählten Vertreterinnen und Vertretern des Be rufsstandes in den Austausch treten wollte, seine Eckpunkte für eine Reform über die Medien kolportieren ließ. Das Ergebnis hätte enttäuschender nicht sein können: Lauterbach legte keine Eckpunk te vor, sondern Knackpunkte. Die dringend erforderliche wirtschaft liche Stärkung der Apotheken erfolgt allenfalls in homöopathischen Dosen bzw. wird, bezogen auf eine regelhafte, jährliche Dynami sierung, auf einen Sankt-Nimmerleins-Tag irgendwann ab 2027 verschoben. Und die vorgesehenen Maßnahmen, die angeblich das Apothekensterben aufhalten und dem Personalmangel entgegen wirken sollen, sollen letztlich nur Schein- bzw. Lightapotheken den Weg ebnen. Derartige Vorhaben bedeuten in der Konsequenz die Aufhe bung des Mehrbesitzverbotes. Das führt langfristig dazu, dass un ser bewährtes heilberufliches und unabhängiges Apothekensystem den Angriffen von Fremdkapital ausgeliefert wird. Dass das der Ver sorgung der Menschen nicht zuträglich ist, kann man bereits an an derer Stelle genauestens nachvollziehen, auch ohne dafür den Blick über den Großen Teich werfen zu müssen. Wenn der Bundesgesundheitsminister, der in der ersten Hälfte der Legislaturperiode schon vieles angekündigt, aber nur weniges erreicht hat, aber eines geschafft hat, dann dieses: Der Zusammen halt innerhalb der Apothekerschaft und auch innerhalb der Apothe ken-Teams ist enorm gewachsen: Seite an Seite und in großer Zahl wurden an einem bundesweiten Protesttag und im Protestmonat November Apotheker*innen, PTA und PKA mit ihren Anliegen sicht bar – zu Tausenden auf großen Plätzen und ebenso in überregio nalen Medien wie der Tagesschau und der BILD-Zeitung sowie im Lokalradio und der Tageszeitung. Dass gemeinsamer Protest etwas

Dr. Andreas Walter Hauptgeschäftsführer

Michael Schmitz Stellvertretender Hauptgeschäftsführer

bewirken kann, zeigte sich unmittelbar nach der ersten Protestwelle am 14. Juni: Der Bundestag rang sich nicht zuletzt aufgrund dieses Druckes zu einem Bündel an Maßnahmen durch, die den Alltag in vielen Apotheken dauerhaft erleichtern wird: Der Abschied von der Präqualifizierung, eine Abkehr von ungerechten und überzogenen Null-Retaxen und die Verstetigung einiger Abgabe-Erleichterungen aus der Corona-Pandemie. Bei allem Frust und Ärger ist es wichtig, auch diese positiven Entwicklungen zur Kenntnis zu nehmen. Sie helfen im Alltag und geben uns gleichzeitig die Zuversicht, dass wir Verbesserungen erreichen können, wenn wir zusammenstehen. Dennoch bleibt die Bedrohungslage enorm: Dieser Geschäfts bericht kündet unter anderem davon, dass unser Notdienst-Team 2023 bei der Diensteinteilung 78 Apothekenschließungen berück sichtigen musste. Mit der Notdienstreform 2012 konnten wir die Nacht- und Notdienstbelastung in Westfalen-Lippe um nahezu ein Drittel von durchschnittlich 18,7 auf 12,6 Dienste reduzieren. In zwischen liegen wir, weil wir allein in diesem Zeitraum weitere 420 Apotheken verloren haben, wieder bei durchschnittlich 15,2 Diens ten. Da ist es nur wenig tröstlich, dass die Notdienstbelastung ohne unsere Reform aktuell bei im Schnitt 23 Diensten läge. Entschei dend ist die Erkenntnis: Unsere Apotheken müssen jetzt gestärkt werden. Denn sonst erreicht das bewährte System zuverlässiger und hochwertiger wohnortnaher Arzneimittelversorgung einen Kipppunkt, von dem es aus für alle Beteiligten nur noch abwärts ginge. Nutzen wir jede Gelegenheit, uns gemeinsam gegen diese Gefahr zu stemmen!

Dr. Andreas Walter

Michael Schmitz

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