Online Mitteilungsblatt 2/2022, 2. Dezember 2022

KAMMERVERSAMMLUNG

gehe wohl darum, dass allen Leistungserbringern ein Opfer ab verlangt werden sollte. Overwiening berichtete ausführlich über die Vielzahl an politischen Gesprächen, die sie zum Teil mehr fach täglich in Berlin geführt habe: Staatssekretäre, gesund heitspolitische Sprecher der Parteien und weitere Parlamenta rier hätten bis zuletzt versichert, dass es Kompensationen für die Apotheken geben sollte. Diese seien nun für 2023 in Aussicht gestellt worden. Immerhin habe man bei vielen Abgeordneten ein Bewusstsein für die alltäglichen wie existenziellen Probleme der öffentlichen Apotheken schaffen können. Mit Blick auf die im kommenden Jahr anstehenden weiteren Gesetzesvorhaben im Gesundheitswesen forderte Overwie ning: „Die nächsten Gesetze müssen den Charakter von Apo thekenstärkungsgesetzen haben.“ Als konkrete Forderungen benannte sie unter anderem eine signifikante Dynamisierung des Honorars, ein Verbot von „Null-Retaxierungen“ und eine Ab schaffung des Bürokratiemonsters der apothekerlichen Präqua lifizierung. Ganz oben auf der Agenda müsse außerdem stehen, die Arzneimittellieferengpässe zu bekämpfen und den mit den Engpässen verbundenen enormen personellen Mehraufwand in der Apotheke zu vergüten. Dies bestätigte nahezu zeitgleich zur Kammerversammlung auch eine Verlautbarung des SPD Gesundheitsexperten Dirk Heidenblut, der darin ein Apotheken stärkungsgesetz ankündigte. Digitale Sitzung mit hoher Beteiligung Noch einmal und, wie Hauptgeschäftsführer Dr. Andreas Wal ter ausführte, hoffentlich ein letztes Mal, fand die Dezember Sitzung als Digitalkonferenz statt, auch wenn die Pandemielage wieder eine Sitzung in Präsenz ermöglicht hätte. „Angesichts der weiterhin hohen Infektionszahlen und insbesondere der akuten Personalengpässe in vielen Apotheken haben wir uns daher ganz bewusst für eine digitale Sitzung entschieden“, erläutert Haupt geschäftsführer Dr. Andreas Walter. Ein Konzept, das aufging: Von 97 Delegierten beteiligten sich am Donnerstag 86 an der Debatte und der digitalen Abstimmung. Hinzu kamen 26 weite re Ehrengäste und Zuhörer*innen. Lieferengpässe verschärfen sich dramatisch Viel Raum imPräsidentinnenbericht und in der anschließend De batte nahmen die sich dramatisch verschärfenden Arzneimittel engpässe ein. Ihr Handling mache einer aktuellen Berechnung zufolge inzwischenmindestens zehn Prozent der Arbeitszeit aus, Tendenz stark steigend. „Die Lieferengpässe bringen uns alle an den Rand der Verzweiflung, da wir unsere Patienten nicht ver sorgen können”, betonte Overwiening. Auch hier suche das Bun desgesundheitsministerium derzeit das Gespräch, was aus Sicht der Apotheken getan werden kann. Die Präsidentin kündigte an, dass die Apotheken nicht länger bereit seien, hier die Fehler Drit ter auszubügeln, die andere gemacht haben, zumal es beim Ver sandhandel dann schlichtweg nur „nicht lieferbar” heiße. Die Delegierten berichteten zum Teil, dass Patient*innen in Grenzgebieten in die Niederlande geschickt wurden, weil dort noch Ibuprofen- oder Paracetamol-Präparate für Kinder vorhan den waren. Sogar Krebspatienten können nicht immer versorgt werden – und Pneumologen und Urologen stritten sich darü ber, wer das nicht lieferbare Cotrimazol für seine Patient*innen

dringender braucht und noch verordnen darf. Overwiening warb darfür, dass möglichst viele Mitglieder in ihrem Wahlkreis mit den Abgeordneten zu all diesen Themen sprechen sollten. Zahl der Apotheken sinkt weiter Rückläufig bleibt, und dies bereits im 18. Jahr in Folge, die Zahl der Apotheken im Landesteil. Sie ist von 1.797 zu Jahresbeginn auf nur noch 1.768 gesunken. Im Jahr 2002 gab es noch 500 Apo theken mehr in Westfalen-Lippe. Weil 473 Apotheken als Filialbetriebe geführt werden, „ste cken“ hinter der Gesamtzahl nur noch 1.297 Inhaberinnen und Inhaber. „Das ist der niedrigste Wert seit 55 Jahren“, konsta tiert Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening. Weite re Schließungen sind bereits bis zum Jahresende angekündigt. Handlungsempfehlungen für die Sicherung der Versorgung vor Ort erhoffen sich die beiden Apothekerkammern in NRW von einer gemeinsamen Studie mit dem Institut für Handelsfor schung, die im Februar 2023 vorliegen soll. < Signal der politischen Einsicht: Zeitgleich zur Kammerversammlung in Berlin sendete MdB Dirk Heidenblut (SPD) erste Signale für ein Apothekenstärkungs gesetz und fordert ebenso einen Verzicht auf Nullretaxationen.

4 / AKWL Mitteilungs blatt Online 02-2021

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