Mitteilungsblatt 4/2023, 27. Oktober 2023

EDITORIAL

Editorial

Klimawandel und ein Klimaleugner Frank Dieckerhoff Vizepräsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe E-Mail: praesidium@akwl.de

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Deutsche Apothekertag 2022 in München stand erstmals unter einem Leitthema: Es ging um die Folgen des menschen gemachten Klimawandels für das Gesundheitswesen, speziell die wohnortnahe Arzneimittelversorgung. Ein Jahr später müs sen wir einen weiteren Klimawandel konstatieren: Der jährliche Apothekenklima-Index zeigt in diesem Herbst: Der Pessimismus in den Apotheken, bezogen auf die eigene wirtschaftliche Lage und den anhaltenden Nachwuchs- und Personalmangel, nimmt immer weiter zu. Zugleich werden die Forderungen an die Politik nach stabilen Rah menbedingungen und einer spürbaren Honorarerhöhung immer deutlicher. Rund zwei Drittel aller Inhaberinnen und Inhaber be fürchten, dass sich die wirtschaftliche Lage ihrer eigenen Apothe ke in den nächsten zwei bis drei Jahren verschlechtert. Wenn eine Stelle für einen Apotheker oder eine Apothekerin ausgeschrieben wird, antworten zwei Fünftel (40,4 Prozent) der Befragten, dass sie mit keiner einzigen Bewerbung rechnen. Wie groß der wirtschaftliche Druck ist, der auf den Apotheken lastet, zeigt sich in den Fragen nach dem Apothekenhonorar: Neun von zehn Apothekerinnen und Apothekern (90,4 Prozent) wünschen sich, dass bessere wirtschaftliche Rahmenbedingun gen in den nächsten zwei bis drei Jahren auf der politischen Ta gesordnung stehen. Vier von fünf Befragten sagen, dass die Er höhung des Festzuschlags pro rezeptpflichtigem Arzneimittel von derzeit 8,35 Euro (80,0 Prozent) sowie dessen Dynamisierung (84,2 Prozent) für sie oberste Priorität haben.

Der Apothekenklima-Index als Stimmungsbild belegt, dass unser Bundesverband ABDA mit seinen berufspolitischen Entscheidun gen und Planungen und den daraus abgeleiteten Forderungen genau richtig liegt. Die große Rückendeckung für Protestmaß nahmen jeglicher Form belegt zudem, wie ernst die aktuelle Lage ist. Die Apothekerschaft fordert eine Erhöhung des Fixhonorars auf 12 Euro pro verordnetem Medikament oder – anders ausge drückt – 2,7 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich, um die Arznei mittelversorgung auch künftig sicherzustellen. Eine verantwor tungsvolle Gesundheitspolitik nimmt die Anliegen der Apotheken ernst – und handelt entsprechend. Der (digitale) Auftritt von Bundesgesundheitsminister Karl Lau terbach zum Auftakt des Deutschen Apothekertages 2023 in Düsseldorf und sein Vorab-Interview mit der F.A.Z. hat uns allen vor Augen geführt, dass der aktuelle Karl Lauterbach mit Blick auf das „Apothekenklima“ derzeit in der Rolle des Klimaleugners irrlichtert. Als gäbe es keine Lieferengpässe, als würde nicht alle 18 Stunden eine Apotheke in Deutschland aus wirtschaftlichen Gründen schließen, als gäbe es keine alternde und durch Migra tion wachsende Bevölkerung mit immer mehr Anforderungen an die Gesundheitsversorgung präsentiert er uns Vorschläge, die in ihrer Marktradikalität aus der politischen Klamottenkiste von Ulla Schmidt stammen könnten. Mit Verlaub, so sieht kein wertschät zender Umgang mit uns Heilberuflerinnen und Heilberuflern aus.

Mit freundlichen, kollegialen Grüßen

AKWL Mitteilungs blatt 04-2023 / 3

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