Mitteilungsblatt 4/2023, 27. Oktober 2023

APOTHEKERSTIFTUNG

Forschung am Buchsbaum: Neue Erkennt nisse im Kampf gegen Tropenkrankheiten Interview mit Prof. Dr. Thomas Schmidt und Dr. Lara Szabó

AKWL: Wie kommen Sie an den Buchsbaum? Kann man den in pharmazeuti scher Qualität kaufen? Oder ist es wirklich der Buchsbaum aus ihremVor garten? Thomas Schmidt: Als Apo theker muss ich ja dem Sprichwort nach geizig sein [lacht]. Immer, wenn ich die Buchsbaum-Hecke vor meinem Haus ge schnitten habe, fragte ich

> Ihre Dissertationsschrift widme te Lara Szabó dem handelsüblichen Buchsbaum, seinen Inhaltsstof fen und der Frage, ob eben diese wirksam sind gegen vernachlässig te Tropenkrankheiten. Drei Jahre hat die mittlerweile promovierte Apothekerin an der Universität Münster im Arbeitskreis von Pro fessor Thomas Schmidt am Insti tut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie geforscht. Die Apothekerstiftung Westfalen-Lippe hat die Absolventin mit einem Promotionsstipendium in Höhe von insgesamt 28.800 Euro unterstützt. Nun, nach Abschluss des Projekts und Veröffentlichung von bereits vier Publi kationen hat Sebastian Sokolowski, Pres sesprecher der Apothekerkammer West falen-Lippe, Szabó und Schmidt zum Dop pelinterviewgetroffen und ganz nebenbei erfahren, warum das Klischee des „geizi gen Apothekers“ auch manchmal Impulse für die Forschung geben kann: Lara Szabó: Bevor ich am Buchsbaum forschte, gab es bereits erste vielverspre chende Ergebnisse aus dem Promotions projekt der Kollegin Dr. Julia Althaus in unserem Arbeitskreis. Darauf aufbauend bekam ich die Möglichkeit, dem Thema eine ganze Doktorarbeit zu widmen. Und dass das Forschungsmaterial im Vorgar ten meines Doktorvaters wächst, ist auch nicht ganz unpraktisch. AKWL: Welche Krankheiten wollten Sie bekämpfen, was war das Ziel der Arbeit? Lara Szabó: Wir wollten neue Leitsub stanzen gegen die Erreger verschiedener Tropenkrankheiten identifizieren und ana lysieren: Gegen Malaria, gegen die afrika nische Trypanosomiasis (Schlafkrankheit) und die vernachlässigte Pilzinfektion „My zetom“. Hier galt es, selektive und stark wirksame Leitsubstanzen aus der Natur zu finden. AKWL: Frau Szabó, jetzt mal ehrlich: war um gerade Buchsbaum?

Bei der chemischen Struktur handelt es sich um O-Benzoyl cycloprotobuxolin D, eine im Rahmen dieses Projektes neu entdeckte Substanz, die in den in vitro-Testungen eine sehr hohe antiplamodiale Aktivität gezeigt hat.

AKWL: Sie haben gemeinsam Substanzen entdeckt, die gegen Malaria wirken. Was machen Sie nunmit diesen Erkenntnissen? Thomas Schmidt: Mit unserem Buchs baum verwandte Gewächse aus dersel ben Familie (zumBeispiel eine afrikanische Buchsbaumart) sind Gegenstand weiterer Forschungen in meiner Arbeitsgruppe, die Arbeit geht weiter. Wir wollten noch weitere derartige Substanzen finden, damit wir die Palette an zur Verfügung stehenden Substanzen erweitern. Aus kleinen Unterschieden in der chemischen Struktur können große Unterschiede in der Wirkstärke resultieren. So können wir sog. Struktur-Wirkungs-Beziehungen er mitteln. Es gibt gerade bei Malaria, aber auch bei den anderen Tropenkrankheiten, immer wieder Resistenzen gegen derzeit wirksame Arzneistoffe, daher brauchen wir auch zukünftig immer wieder neue Wirkstoffe gegen diese Krankheit. AKWL: Wie geht es bei Ihnen weiter, Frau Dr. Szabó? Bleiben Sie in der Forschung über Tropenkrankheiten, oder zieht es Sie eher in die heimische Pharmazie?“ Lara Szabó: Seit meiner Promotion ar beite ich in der Hohenzollern Apotheke in Münster. Dort leite ich eine Abtei lung, die sich u.a. um die Versorgung von Patient*innen mit seltenen Erkrankungen kümmert. Nach wie vor verfolge ich die Entwicklung auf dem spannenden und vielversprechenden Forschungsgebiet im Arbeitskreis von Prof. Schmidt und freue mich immer über ein Wiedersehen. AKWL: Vielen Dank für das Gespräch. <

mich, ob man den Baumschnitt nicht zu etwas mehr benutzen könnte, als ihn nur wegzuwerfen. So habe ich den Schnitt einfach mit ins Labor genommen. Das war noch zur Zeit von Frau Althaus. Es stellte sich heraus, dass der Buchsbaum es wirklich in sich hat: Ein bestimmter Inhaltsstoff wirkte bereits recht stark ge gen Malariaparasiten, ein anderer gegen Trypanosomen. Damit war die Idee zum Forschungsprojekt von Frau Szabó gebo ren. Und für die nahm ich nicht nur einmal Buchsbaumschnitt mit ins Labor: Über ein ganzes Jahr hat Frau Szabó Proben auf ihre Inhaltsstoffe analysiert, um Änderungen im Inhaltsstoffmuster zu untersuchen. Lara Szabó: Damit konnte ich nachweisen, dass die gegenMalariaparasiten, also Plas modien, wirksamen Inhaltsstoffe im Som mer in besonders großer Menge gebildet werden. Das könnte daran liegen, dass der Gehalt an wirksamen Alkaloiden, welche die Pflanze als Fraßschutz bildet, im Som mer amhöchsten ist. Nämlich dann, wenn auch die Insekten besonders zahlreich sind. Thomas Schmidt: Frau Szabó ist bei ihrer Analyse ein Highlight geglückt: Sie hat nicht nur eine bislang unbekannte Wir kung bereits bekannter Substanzen fest gestellt, sondern sie hat insgesamt acht bis dahin völlig unbekannte, neue Natur stoffe in dem Buchsbaum entdeckt! Dass diese auch noch in acht verschiedenen Fällen Wirkung gegen die untersuchten Krankheitserreger zeigten, ist ein beson deres Highlight.

10 / AKWL Mitteilungs blatt 04-2023

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