Mitteilungsblatt 4/2021, 28. Oktober 2021

RATGEBER APOTHEKENPRAXIS

eine Substitution handelt, unter „Be- merkungen/Hinweise“ eintragen. • Der Apotheker, der die Substitution veranlasst hat, führt beim Eintreffen der veränderten Verordnung einen double-check durch. Stimmen Medika- ment, Dosierung, Packungsgröße etc. überein? • Der Erstabgabe von substituierten Me- dikamenten an die Patientin sollte ge- nug Aufmerksamkeit geschenkt wer- den. Schließlich nimmt die Patientin jetzt zwei Medikamente ein und mög- liche Compliance-Probleme sollten ver- hindert werden. <

um potentielle Fehler in der mündli- chen Kommunikation zu reduzieren ist das sogenannte „read back“, also das Wiedergeben von Zahlen und Num- mern als verbaler „double check“. • Beim Apotheker-Arzt Gespräch könn- te die Kommunikation so lauten: „Bitte ersetzen Sie Jodthryox® 100 mcg durch die Kombination Euthyrox® 100 mcg und Jodid 100 mcg ®! Und am Ende des Telefonats noch einmal zusammenfas- sen: „Danke für die Substitution von Jodthyrox 100 mcg!“ • Beim Vorliegen einer Patientendatei sämtliche Änderungen des Medikati- onsplans, auch wenn es sich nur um

Anweisungen, besonders telefonische Anordnungen, können zu Missver- ständnissen und Fehlinterpretationen führen. • Vielleicht nachlassende Aufmerksam- keit auf allen Ebenen (Arzt, Apotheker, Patientin), wenn „nur“ die Dosierung eines Medikaments geändert wird? Es ist hier also der Faktor Mensch, der eine große Rolle in der Fehlerentstehung spielt. Mögliche Lösungsansätze: • Teamkommunikation ist ein wichtiger Faktor für Sicherheit und Qualität. Eine erprobte Strategie aus der Luftfahrt,

Spermidin – Wundermittel oder Humbug?

Nach Abschluss der Studie war die Mor- talität in der Gruppe mit eher Spermidin- armer Ernährung deutlich höher als bei den Teilnehmern mit hohem Spermidin- Verzehr. Die Ergebnisse sind jedoch mit Vorsicht zu interpretieren: In Beobach- tungsstudien kann naturgemäß immer nur eine Korrelation nachgewiesen wer- den, niemals ein Kausalzusammenhang. Hohe Spermidingehalte finden sich vor allem in Lebensmitteln, die allgemein als „gesund“ betrachtet werden, wie Vollkorn- produkten, Obst und Gemüse. Daher ist es ebenso gut möglich, dass die geringere Sterberate auf andere gesundheitsför- dernde Bestandteile dieser Lebensmittel zurückzuführen ist. Außerdem ist die Teil- nehmerzahl der Studie viel zu gering, um belastbare Ergebnisse liefern zu können. Keine Wirkung gegen Covid-19 Auch im Zusammenhang mit der Corona- Pandemie wurde Spermidin umfangreich diskutiert. Tatsächlich konnte eine Ar- beitsgruppe der Charité zeigen, dass Sper- midin in der Zellkultur die Vermehrung von SARS-CoV-2-Viren hemmen kann [5]. Daraus die Aussage abzuleiten, dass Sper- midin vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 schützen oder gar eine Covid-Erkrankung heilen könne, wäre jedoch falsch. Die im Zellversuch wirksamen Spermidin- Konzentrationen können in vivo niemals erreicht werden, so dass Spermidin als

körperliche Anstrengung induziert wird und dem Abbau und der Verwertung ein- dringender Krankheitserreger, fehlgefalte- ter Proteine oder funktionsunfähiger Zell- bestandteile dient. An Würmern, Fliegen und Mäusen konnte gezeigt werden, dass ein zeitweiser Nahrungsverzicht zu einer Verlängerung der Lebensspanne führt [2]. Würde dieser Prozess tatsächlich durch Spermidin imitiert und könnte man somit die positiven Effekte des Fastens erzielen, ohne auf etwas verzichten zu müssen, wäre das für den Verbraucher sehr ver- lockend. Hinweise hierauf kommen aber bisher ausschließlich aus der Grundla- genforschung, nicht aus klinischen Studi- en am Menschen. Tatsächlich konnte im Mausmodell gezeigt werden, dass eine Spermidin-Supplementation die Mäuse vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützt, den Abbau von Nervenzellen hemmt und Alterungsprozesse verlangsamt [3]. Die Übertragbarkeit auf den Menschen ist je- doch mehr als fraglich, zumal die Biover- fügbarkeit von Spermidin sehr gering ist. Als Gegenargument wird häufig eine Studie aus dem Jahr 2016 zitiert, die die angeblich lebensverlängernden Effekte von Spermidin am Menschen zeigen soll [4]. Über einen Zeitraum von 20 Jahren wurden 829 Bewohnerinnen und Be- wohner eines Südtiroler Dorfes alle fünf Jahre befragt, wie viele Spermidin-hal- tige Nahrungsmittel sie zu sich nahmen.

> In verschiedenen Laienmedien liest man zurzeit wahre Wunder- dinge über die Substanz Spermidin. Ihr wird nachgesagt, den natürli- chen Alterungsprozess zu verlang- samen und einer Vielzahl altersbe- dingter Erkrankungen vorzubeugen. Auch aus Apotheken erreichen uns ver- mehrt Anfragen zu diesem Thema, wes- halb es sich lohnt, einen Blick auf die Fak- tenlage zu werfen: Spermidin ist ein ubiquitär verbreite- tes biogenes Polyamin, das vom mensch- lichen Organismus produziert wird und auch in den verschiedensten Lebensmit- teln enthalten ist. Hohe Gehalte finden sich z.B. in Pilzen, gereiftem Käse und Weizenkeimen, aber auch Vollkornpro- dukte und verschiedene Gemüsesorten wie Erbsen, Sojabohnen, Brokkoli und Blu- menkohl enthalten relevante Mengen [1]. Die Tatsache, dass der Spermidingehalt im Körper mit zunehmendem Alter ab- nimmt, ließ die Vermutung aufkommen, man könne durch äußerliche Zufuhr einen Anti-Aging-Effekt erreichen. Dieser soll durch das Nachahmen einer Stoffwech- sellage gelingen, die auch nach längerem Fasten erreicht wird, der sogenannten Au- tophagie. Dabei handelt es sich um einen zellulären Selbstreinigungsprozess, der ne- ben Fasten auch durch Infektionen, chro- nisch-entzündliche Erkrankungen und

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