Mitteilungsblatt 3/2020, 2. Juli 2020

RATGEBER APOTHEKENPRAXIS

ZUM NACHLESEN UND NACHHÖREN: https://wissenwaswirkt.org/positiv- getestet-und-doch-nicht-krank Viele Informationen zu Grundlagen der evidenzbasierten Medizin finden sich in diesem Podcast: https://evidenzgeschichten.podigee.io Um die Aussagekraft von Tests geht es in der Folge 14 „Falsche Sicherheiten“. Fazit Jeder Test hat falsch positive Ergebnisse. Je häufiger eine Erkrankung in der Be- völkerung ist, desto weniger fallen diese falsch positiven Ergebnisse ins Gewicht, d. h. desto besser ist der positiv prädik- tive Wert dieses Tests. Für die Praxis be- deutet das, dass bei der Auswahl eines Tests immer der Zweck der Testung (hö- here Sensitivität oder höhere Spezifität) und die Folgen eines falschen Ergebnis- ses berücksichtigt werden müssen. Um aus dem „JA“- oder „NEIN“-Ergebnis des Tests die Diagnose „krank“ oder „gesund“ abzuleiten, muss immer auch das indivi- duelle Erkrankungsrisiko (z. B. Zugehörig- keit zu einer Risikogruppe) berücksichtigt werden und das Testergebnis in eine kli- nische Gesamtbetrachtung eingebettet werden. < unter https://flexikon.doccheck.com/de/ Positiver_prädiktiver_Wert (Anmerkung: Prozentangaben der Sensitivität, Spezifi- tät und Prävalenz vorher in Dezimalzah- len umrechnen!). Analog zu diesen Berechnungen kann man auch die Wahrscheinlichkeit berech- nen, mit der ein Getesteter bei einem negativen Test auch wirklich gesund ist. Man spricht dann vom negativ prädikti- ven Wert.

Zum besseren Verständnis ein Rechenbeispiel:

Falsch positive oder falsch negative Testergebnisse lassen sich nicht vermei- den. Eine hohe Test-Sensitivität („die Kranken entdecken“) geht immer zu Las- ten der Spezifität („die Gesunden entde- cken“) und umgekehrt. Bei der Auswahl eines Tests sollte man immer den Zweck der Testung beachten. Will man beispiels- weise die Ausbreitung einer Infektion ver- hindern, ist es wichtig, alle Erkrankten als krank zu erkennen, d.h. der Test sollte im Idealfall eine sehr hohe Sensitivität ha- ben – auf Kosten einer etwas niedrigeren Spezifität. Man nimmt in Kauf, dass der Test bei einigen Gesunden falsch posi- tiv ausfällt und versucht dies durch eine zweite Testung zu korrigieren. Will man hingegen z. B. über einen Antikörper- Nachweis eine Aussage zur Immunität eines Patienten machen, sollte man im Idealfall einen Test mit hoher Spezifität benutzen, um nach Möglichkeit Falsch- Positive, die dann fälschlicherweise von Immunität ausgehen, zu vermeiden. Wichtig zu wissen Die Angaben zur Sensitivität und Spezifi- tät lassen sich nicht mit dem Test selbst bestimmen, sondern müssen vom Test- hersteller mittels Referenztestungen er- mittelt werden. Wie sicher ist es, dass ein positives Test- ergebnis auch „krank“ und ein negatives Testergebnis „gesund“ bedeutet? Ob das Testergebnis tatsächlich richtig ist, hängt nicht nur von der Genauigkeit (also von der Sensitivität und Spezifität) des Tests ab, sondern auch davon, wie häufig die Erkrankung in der jeweiligen Bevölkerungsgruppe vorkommt. Das bezeichnet man als Prävalenz einer Er- krankung. Ein genauer Test führt nicht automatisch zu einem sehr zuverlässigen Testergebnis. Konkret heißt das: Bei ei- ner niedrigen Erkrankungshäufigkeit und durchschnittlichem Erkrankungsrisiko ist ein positives Testergebnis mit einer ge- wissen Wahrscheinlichkeit falsch. Um sagen zu können, wie wahrschein- lich ein Patient bei einem positiven Test wirklich krank ist, muss man aus der Prä- valenz, der Sensitivität und der Spezifität den so genannten positiven prädiktiven Wert berechnen.

Die Sensitivität eines Tests wird von den Herstellern mit 100 Prozent angegeben. Die Spezifität liegt bei 99,8 Prozent. Die Prävalenz der Erkrankung liegt in einer Niedrigrisikogruppe bei 0,01 Prozent und in der Hochrisikogruppe bei fünf Prozent. Berechnung: Bei einer Prävalenz von 0,01 Prozent ist einer von 10.000 Menschen erkrankt, 9.999 sind also nicht erkrankt. Diese eine Infektion wird auch erkannt (Sensitivität 100 Prozent) und liefert ein positives Testergebnis. Bei einer Spezi- fität von 99,8 Prozent werden 0,998 × 9.999 = 9.979 negativ getestet, aber auch 20 positiv. Von den insgesamt 21 positi- ven Tests ist nur einer richtig, also 1/21 = 4,8 Prozent. Es ergibt sich ein positiver prädiktiver Wert von 4,8 Prozent. Das bedeutet: Nur ca. fünf Prozent der Personen mit positivem Testergebnis sind auch tatsächlich krank. Bei einer Prävalenz von fünf Prozent sind 500 von 10.000 Menschen infiziert, 9.500 sind es nicht. Der Test wird bei al- len Infizierten richtigerweise positiv = 500 positive Tests. Gleichzeitig fällt er bei den Nicht-Infizierten bei 0,998 × 9.500 = 9.481 negativ aus, aber bei 19 positiv. Von den insgesamt 519 positiven Tests sind 500 richtig, also 500/519 = 96 Prozent. Das bedeutet: 96 Prozent der Personen mit positivemTestergebnis sind auch tatsäch- lich krank. Diese Berechnungen sind relativ ein- fach, wenn man eine Testsensitivität von 100 Prozent annimmt. Bei geringerer Sen- sitivität muss die Möglichkeit eines falsch negativen Tests auch noch eingerechnet werden. Dies kann man mit der so genannten Vier-Felder-Tafel berechnen oder einfa- cher mit Hilfe eines Online-Rechners, z. B.

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AKWL Mitteilungs blatt 03-2020 / 13

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