Mitteilungsblatt 3/2019, 18. April 2019

KOLUMNENTITEL RATGEBER APOTHEKENPRAXIS

symptomatisch. Die beste Evidenz exis- tiert hierbei für den oralen oder paren- teralen Einsatz von Opioiden, vor allem von Morphin. Der Wirkmechanismus ist nicht vollständig geklärt. Vermutet wird, dass die Atmung durch die Dämpfung des Atemzentrums ruhiger, langsamer und tiefer wird [2]. Die Befürchtung, durch die Therapie eine Atemdepression aus- zulösen und so die Atemnot noch zu ver- schlimmern, ist unbegründet: Wenn eine Dosistitration am Effekt erfolgt, wie es auch in der Schmerztherapie praktiziert wird, ist keine klinisch relevante Atemde- pression zu erwarten. Übrigens ist eine vorbestehende Schmerztherapie mit Opi- oiden kein Hinderungsgrund, auch eine Atemnot mit Morphin zu behandeln, wenn diese weiterhin auftritt: In diesem Fall soll laut der S3-Leitlinie „Palliativme- dizin“ als Startdosis die bestehende Opi- oiddosis um 25 Prozent erhöht werden, auch wenn bereits mit der niedrigeren Dosierung eine ausreichende Analgesie erreicht wurde [1]. Neben Opioiden können auch Benzo- diazepine bei Atemnot eingesetzt wer- den, wenn Opioide nicht wirksam sind, vor allem bei gleichzeitig auftretenden Angstzuständen [1]. Ein Midazolam-Na- senspray wird hier nicht explizit erwähnt, lediglich die im vorliegenden Fall schlecht praktikable subcutane Applikation von Midazolam sowie eine orale oder sublin- guale Gabe von Lorazepam. Dennoch ist auch die Anwendung eines Nasensprays in der Praxis verbreitet [2]. Beachtet wer- den müssen mögliche additive zentral- nervöse UAW bei der Kombination von Benzodiazepinen und Opioiden. Steroide sollen zur symptomatischen Therapie der Atemnot nicht eingesetzt werden, da für diese Indikation keine Evidenz vorliegt. Eine Ausnahme stellt Atemnot in Folge von tumorbedingten Atemwegsobstruktionen dar [1]. Zurück zum Fallbeispiel: Midazolamhydrochlorid steht in der Apotheke als Rezeptursubstanz nicht zur Verfügung und kann aufgrund der fortgeschrittenen Zeit auch vor den Fei- ertagen nicht mehr beschafft werden; die Herstellung soll aber noch am sel- ben Tag erfolgen. Den Patienten bis zum nächsten Werktag unversorgt zu lassen, ist in diesem Fall keine Option – in der

Medikationsplan

ARZNEIMITTEL

INDIKATION

Simvastatin 40 mg 0-0-1

KHK

ASS 100 mg 1-0-0

Thromozytenaggregationshemmung

Candesartan/HCT 16/12,5 mg 1-0-0 Oxycodon 10 mg retard 1-0-1 Novaminsulfon 500 mg 1-1-1-1

arterielle Hypertonie

Tumorschmerzen Tumorschmerzen

Pantoprazol 20 mg 1-0-1 Macrogol Btl. 1-1-0-0

„Magenschutz“ wg. ASS

Obstipation

den Patienten nicht akut beeinträchtigt – auch Candesartan und HCT können wahrscheinlich vom Arzt abgesetzt wer- den. Im Gegensatz zu einem kurativen Ansatz stehen in der Palliativmedizin die Symptomkontrolle und der möglichst weitgehende Erhalt der Lebensqualität im Vordergrund. Nützliche Hinweise für die Arzneimit- teltherapie von Palliativpatienten bietet das Internetangebot palliativdrugs.com. Hier finden sich praxisorientierte, konkre- te Handlungsanweisungen für die Phar- makotherapie in palliativen Situationen mit Informationen zum off-label use, zu Dosierungen und alternativen Applikati- onsformen sowie zur Dosierungsanpas- sung bei Organinsuffizienz. Der Zugang, auch zum deutschsprachigen Bereich, ist nach erfolgter Registrierung kostenfrei. < [1] S3-Leitlinie Palliativmedizin [2] Rémi/Redmann: Palliativpharmazie. Deut- scher Apotheker Verlag, Stuttgart 2017 [3] DAC/NRF: Midazolamhydrochlorid-Nasen- spray 5 mg/ml, Stand 11/2016

Palliativversorgung ist Zeit ein entschei- dender Faktor. Im Rezepturenfinder des DAC/NRF findet sich jedoch der Hinweis auf eine Alternative: Ein Midazolam-HCl- Nasenspray kann auch aus einem Fertig- arzneimittel mit Midazolam zur Injektion hergestellt werden [3]. Dieses ist in der Apotheke vorrätig, sodass die Herstel- lung durch Zugabe von EDTA-haltiger Benzalkoniumchlorid-Stammlösung 0,1 % unkompliziert erfolgen kann – dem Patienten kann so geholfen werden. Ein Blick auf den bisherigen Medikationsplan (s.o.) zeigt, dass neben den tumorbeding- ten Schmerzen und der durch den Opioid- gebrauch verursachten Obstipation auch die seit langem bestehenden Begleiter- krankungen weiterhin behandelt werden. In der palliativen Situation ist dies nicht mehr unbedingt notwendig, da beispiels- weise der protektive Effekt von Statinen bei KHK angesichts der sehr begrenz- ten Lebenserwartung keine Rolle mehr spielt. Simvastatin, ASS, Pantoprazol und – wenn der sich ggf. erhöhende Blutdruck

> Die Abteilung Arzneimittelinfor- mation und Medikationsmanage- ment lädt interessierte Kolleginnen und Kollegen ein, die umfangreich ausgestattete Präsenzbibliothek im Apothekerhaus sowie die in der Ab- teilung verfügbaren Recherchemög- lichkeiten nach Terminabsprache z. B. Bibliothek im Apothekerhaus

für eigene Recherchen, Vorträge oder die Prüfungsvorbereitung zu nutzen. Die Mitarbeiterinnen der Abteilung stehen nach einer kurzen Einweisung für Fragen zur Verfügung. Interessierte melden sich bitte unter am@akwl.de oder telefonisch unter 0251 52005-57. <

AKWL Mitteilungs blatt 03-2019 / 13

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