Mitteilungsblatt 2/2024, 23. Februar 2024

RATGEBER APOTHEKENPRAXIS

N-Acetylcystein bei Erkältungskrankheiten Evidenz-Check unter Berücksichtigung der relevanten Leitlinien der Fachgesellschaften

> In den Wintermonaten gehören Erkältungskrankheiten wie akuter Husten und Rhinosinusitis zu den häufigsten Beratungsthemen in öffentlichen Apotheken. N-Acetyl cystein, abgekürzt ACC oder NAC, ist bei diesen Indikationen sehr beliebt, aber wie sieht es mit der Evidenz aus? Um Sie bei Ihrer Bera tung bestmöglich zu unterstützen, bieten wir Ihnen einen Überblick über den evidenzbasierten Ein satz von N-Acetylcystein unter Berücksichtigung der relevanten Leitlinien der Fachgesellschaften.

Husten N-Acetylcystein zählt zu den am häu figsten eingesetzten synthetischen Ex pektorantien bei akutem Husten und Erkältungskrankheiten. Expektorantien (Se kretolytika und Mukolytika) sollen bei produktivem Husten das Sekretvolum erhöhen oder die Viskosität von verfes tigtem Bronchialschleim herabsetzen. Dadurch soll die Reinigung der Bron chien gefördert und der Hustenreiz zu mindest teilweise gelindert werden. Als Mukolytikum soll N-Acetylcystein bzw. sein aktiver Metabolit Cystein die Disul fidbrücken der im Bronchialschleim ent haltenen Mukopolysaccharide spalten und dadurch die Viskosität des Bronchi alschleims verringern. Weiterhin soll N Acetylcystein entzündungshemmende und antioxidative Eigenschaften besitzen. Obwohl Expektorantien in der Indi kation Husten häufig verordnet werden, gibt es laut der SŠ-Leitlinie „Akuter und chronischer Husten“ der Deutschen Ge sellschaft für Allgemeinmedizin und Fami lienmedizin (DEGAM) keine ausreichende Evidenz für die Anwendung. Daher wird die Behandlung des akuten Hustens bei

Gerade in den Wintermonaten gehören Husten und Rhinosinusitis zu den häu‡gsten Beratungsthemen in der Apotheke.

Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen. Aus in vitro-Versuchen gibt es Hinweise auf eine mögliche Inaktivierung bestimm ter Antibiotikagruppen wie Tetracycline, Aminoglykoside und Penicilline durch N Acetylcystein, sodassbeigleichzeitigerora ler Anwendung aus Sicherheitsgründen ein zeitlicher Abstand von mindestens zwei Stunden eingehalten werden sollte [œ]. Rhinosinusitis In der Behandlung der akuten Rhinosi nusitis wird N-Acetylcystein zwar häufig als unterstützende Maßnahme neben der Antibiotikagabe bei schwerem Krank heitsverlauf eingesetzt, allerdings gibt es gemäß der derzeit in Überarbeitung befindlichen SšK-Leitlinie Rhinosinusi tis keine Evidenz für einen Nutzen dieser Therapie. Auch bei der chronischen Rhino sinusitis, die länger als zwölf Wochen an hält, können Mukolytika die Symptomatik

akuten Atemwegsinfektionen mit N-Ace tylcystein von der Fachgesellschaft nicht empfohlen [”]. Bei entsprechendem The rapiewunsch des Patienten kann jedoch der Einsatz bestimmter Phytopharmaka mit nachgewiesener Wirksamkeit erwo gen werden. Dazu gehören z. B. Präparate mit Efeu sowie Kombinationspräparate aus Efeu und Thymian bzw. Primel und Thymian [”,š]. Lediglich bei Patientinnen und Patien ten mit chronisch obstruktiver Lungener krankung (COPD) können ausgewählte Mukolytika (wie z. B. N-Acetylcystein) bei symptomatischen Patientinnen und Pa tienten mit überwiegend bronchitischen Beschwerden als Dauertherapie und in angemessener Dosierung zur Vermeidung von Exazerbationen eingesetzt werden [Š]. Die wichtigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen von N-Acetylcy stein bei oraler Anwendung sind allergi sche Reaktionen und gastrointestinale

AKWL Mitteilungs blatt 02-2024 / 13

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