Mitteilungsblatt 2/2023, 28. April 2023
RATGEBER APOTHEKENPRAXIS
„Zu Risiken und Nebenwirkungen…“ Nebenwirkungshäufigkeiten werden oft falsch interpretiert
Seltene Arzneimittel wirkungen (UAW) hingegen bleiben oft unerkannt. Gründe hierfür liegen in der statistischen Aussagekraft begrenzter Patientenkollektive, in der speziellen Pa tientenselektion im Rahmen klinischer Prüfungen sowie in der begrenzten Zeit dauer einer klinischen Studie. Zur Erken nung dieser sehr seltenen, mitunter aber schweren UAWs kommt der Meldung von Verdachtsfällen nach der Zulassung eine große Bedeutung zu. Für die formalen Inhalte der Fachin formationen und Packungsbeilagen gibt es seitens der Zulassungsbehörden ge naue Vorschriften. Den fachlichen Inhalt bestimmen dabei – mit Ausnahme von behördlichen Auflagen im Rahmen von Sicherheitsbewertungsverfahren – die Hersteller. Dies kann durchaus zu unter schiedlichen Angaben bei verschiedenen Präparaten mit demselben Wirkstoff füh ren 1, 2 . unerwünschte
> Treten im Verlauf einer Arznei mitteltherapie neue Beschwerden auf, stellen sich Patient*innen häufig die berechtigte Frage: „Könnten die Beschwerden vielleicht auch Nebenwirkungen meiner Medikamente sein?“. Ein Blick in die Packungsbeilage kann manchmal eine Antwort liefern, aber auch verunsichern. Wichtig ist es dann, die Nebenwirkungs angaben zu relativieren und deren Häufigkeit einzuordnen.
Nebenwirkungshäufigkeiten in Fachinformationen
Die Häufigkeitsangaben von Nebenwir kungen in den Fachinformationen und Packungsbeilagen stammen aus klini schen Prüfungen, Unbedenklichkeitsstu dien oder Spontanmeldungen nach der Zulassung 3 . Die Nebenwirkungshäufig keit wird dabei in Klassen gruppiert: von sehr häufig (≥ 10 %) bis hin zu sehr selten (< 0,01%). Diese Gruppen sind weit gefasst und es kann für die Beurteilung einer Ne benwirkung oder der Wahl eines alternati ven Wirkstoffs einen großen Unterschied machen, ob Nebenwirkungen zu 1 % oder zu annähernd 10 % auftreten, auch wenn beide als „häufige“ Nebenwirkung einge stuft werden. Die Angaben zur Häufigkeit sollen nach Empfehlungen der europäischen Arzneimittelbehörde EMA reine Inzidenz raten darstellen und nicht Unterschiede oder relative Risiken gegenüber Placebo oder einer anderen Vergleichsgruppe 3 . Wenn eine häufige, sehr häufige oder schwerwiegende unerwünschte Wirkung auch in der Placebo-Gruppe mit einer rele vanten Häufigkeit auftritt, können beide Inzidenzraten angegeben werden, um das Risiko zu relativieren 3 – müssen aber nicht. Zur Beurteilung einer Nebenwirkung wä ren aber gerade diese Angaben der Ver gleichsgruppen besonders nützlich!
Während die Wirksamkeit eines Arznei mittels bei Zulassung im Allgemeinen gut definiert ist, ist das Risikoprofil einer neuen Substanz zu diesem Zeitpunkt meist nur unvollständig bekannt. Häufi ge Neben- und Wechselwirkungen kön nen bereits in den Zulassungsstudien erkannt werden.
TIPP
Amerikanische Fachin formationen findet man auf der US-amerikanischen Seite www.drugs.com oder durch Googeln des Wirkstoff- oder
Präparatenamens in Kombination mit dem Begriff „USPI“. Kanadische Fachinformati onen findet man zum Beispiel, wenn man den Wirkstoff- oder Präparatenamen und „product monograph“ googelt.
Bei der Beurteilung unerwünschter Ereignisse muss bedacht werden, dass diese auch ohne Einnahme des betreffenden Wirkstoffs auftreten können. Foto: © AdobeStock - PhotoSG
18 / AKWL Mitteilungs blatt 02-2023
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