Mitteilungsblatt 2/2023, 28. April 2023

RECHT

Gerichte stärken mit Entscheidung System der Arzneimittelversorgung

Unzulässige Fernbehandlung

Möglichkeit, seine Einschätzung mit dem äußeren Erscheinungsbild des Patienten oder der Gestik und Mimik abzugleichen. Die Angaben des Pati enten im Online-Fragebogen können nicht durch Rückfragen auf Plausibili tät geprüft werden. Die Ärzte müssen sich mithin auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Aussagen des Online-Fragebogens verlassen. Die Fehlerquote zur Ein schätzung der richtigen Indikation ist damit erhöht. Somit steigt auch die Gefahr, dass aufgrund von fehlerhaf ten Angaben das falsche Rezept aus gestellt wird und Nebenwirkungen oder allergische Reaktionen auftreten können. Nach einer Gesamtschau aller Umstände kann die Fernbe handlung durch medizinische Online Fragebögen, auch zu den konkreten Indikationen den allgemein aner kannten fachlichen Standard nicht erfüllen, weil eine potentielle Gesund heitsgefährdung der Patienten nicht ausgeschlossen werden kann. Dies gilt auch für die Behandlung von Krank heiten wie Asthma. Dies stellt keine leichte Erkrankung dar, sondern kann allgemeinbekannt erhebliche Aus wirkungen haben. Eine Einschätzung wie schwer der jeweilige Patient von der Erkrankung betroffen ist, kann der Arzt jedoch nicht allein anhand der Antworten in einem Fragebogen vornehmen.“

Zur medizinischen Behandlung per Frage bogen stellten die Gerichte fest, dass eine solche „Behandlung“ nicht den allgemei nen fachlichen Standards entspreche. Das Oberlandesgericht Köln stellte insbeson dere fest: „[…] entspricht die Einreichung und Aus wertung von Online-Fragebögen nicht dem allgemeinen fachlichen Standard im Sinne des § 630a BGB. Der Verkehr wird im vorliegenden Fall davon aus gehen, dass für eine Behandlung von jedenfalls den Krankheiten geworben wird, die als Indikation auf der Internet seite […] ausgewählt werden können. Hier finden sich die Behandlung von Erektionsstörungen oder Asthma und weitere Krankheiten. Im Rahmen der angegriffenen Werbung ist ein Button mit "Rezept anfordern" hervorgeho ben. Der Verbraucher wird daher davon ausgehen, dass er nach Ausfüllen des Online-Fragebogens jeweils ein Rezept erhält. […] Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Online-Fragebogen schon im Ausgangspunkt keine mit einer Video sprechstunde vergleichbare Kommuni kationsform ist, weil kein zweiseitiger Austausch stattfindet, der Arzt keine Rückfragen stellen kann und die Reakti on des Patienten nicht für ihn erkennbar ist. Er verfügt nur über den schriftlichen Online-Fragebogen und erhält keine

Diese Feststellungen sind besonders er freulich. So ist die medizinische Fernbe handlung zwar inzwischen erlaubt. Anzu zweifeln war aber, ob eine medizinische Behandlung ordnungsgemäß erfolgt, wenn sie ausschließlich auf dem Ausfül len eines Fragebogens durch den Patien ten basiert. Die erstrittene Entscheidung schafft hier Klarheit und erhöht gleichzei tig die Sicherheit für das pharmazeutische Personal in Apotheken, das mit Rezep ten konfrontiert wird, die Patienten über Plattformen beziehen, bei denen sie ledig lich einen Fragebogen ausfüllen müssen, ohne dass es zu einem weitergehenden unmittelbaren Arzt-Patienten-Kontakt kommt. So wird sich die Ablehnung der Belieferung solcher Rezepte wegen phar mazeutischer Bedenken nunmehr einfa cher und rechtssicherer anhand der Aus führungen der Gerichte begründen lassen. Tragendes Argument wird hier die aufge zeigte Gefahr einer Patientengefährdung infolge falsch ausgestellter Rezepte sein. Im Ergebnis haben die Gerich te damit das bisherige System der Arzneimittelversorgung und die Ver schreibungspflicht gestärkt. Zugleich dürfte das Verfahren dazu führen, dass sich vergleichbare Geschäftspraktiken in der Zukunft nicht mehr vermehrt ver- breiten. <

Verblistern im Rahmen der Heimversorgung Merkblatt zu gesetzlichen Vorgaben online

das heimbewohnerbezogene Verblistern rechtlich einordnet. <

bezogenes Verblistern rechtssicher gestal tet werden kann: Was ist hinsichtlich des Heimversorgungsvertrags zu beachten? Wie kann die Apothekenwahlfreiheit der Patientinnen und Patienten gewahrt wer den? Darf mich Heimpersonal beim Verb listern unterstützen? Ist die Durchführung der Verblisterungstätigkeit auf die Apo thekenbetriebsräume beschränkt? UmSie umfassend zu informieren, ha ben wir das Merkblatt „Heimversorgung und Verblistern“ erstellt, welches die ge setzlichen Vorgaben zur Heimversorgung und zum Verblistern zusammenfasst und r ic Heimpersonal beim Ver blisternunterstütze ? Ist i

> Apothekerinnen und Apothe ker unterliegen bei ihrer Tätigkeit dem Abspracheverbot: Sie dürfen keine Absprache treffen, die eine Zuführung von Patientinnen und Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen zum Ge genstand hat. Eine gesetzliche Ausnahme vom Abspracheverbot besteht für die Heimversorgung.

WWW.AKWL.DE

Das Merkblatt finden Sie auf www. akwl.de im internen Bereich unter „Rat geber Recht“, Rubrik „Wissenswertes“.

In diesem Zusammenhang erreichen uns häufig Fragen, wie heimbewohner-

AKWL Mitteilungs blatt 02-2023 / 13

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