Mitteilungsblatt 2/2022, 12. Mai 2022

EDITORIAL

Editorial

Die Ampel-Koalition beimWort nehmen

Frank Dieckerhoff Vizepräsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe E-Mail: praesidium@akwl.de

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn Sie diese Ausgabe des Mitteilungsblattes in Ihren Händen halten bzw. digital lesen, dann stehen die Landtagswahlen im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland entweder unmit- telbar bevor oder es sind womöglich schon die Stimmen ausge- zählt. Und spätestens dann werden aus vor der Stimmabgabe so umworbene Wählerinnen und Wähler wieder „ganz profane“ Bürgerinnen und Bürger. Zu den Ritualen unseres politischen Systems gehört es, über den geneigten Wählerinnen und Wählern vor der Stimmabga- be ein Füllhorn an Ankündigungen und Versprechungen auszu- schütten, die dann allenfalls teilweise Einzug in die nach derWahl auszuhandelnden Koalitionsverträge finden, ehe sie umgesetzt werden − oder auch nicht. Sehr beliebt ist es, insbesondere nach Regierungswechseln, die eigenen Versprechungen mit der Be- gründung wieder einzukassieren, dass die vorgefundene Kassen- lage deutlich schlechter sei als noch von der Vorgängerregierung postuliert und daher Spargesetze auf den Weg gebracht werden müssen, bevor es überhaupt erst zu den imWahlkampf verspro- chenen Reform- und Entlastungsgesetzen kommen könne. Einen weiteren politik-strategischen Schachzug haben wir in der vorletzten Koalition erlebt, in der der heutige Bundeskanz- ler noch Finanzminister war. Da hatten CDU und SPD ja das Rx-Versandhandelsverbot im Koalitionsvertrag festgeschrieben (ebenso wie übrigens auch eine bundesweite Schulgeldfreiheit für PTA- und weitere medizinische Hilfsberufe). Doch der zu- ständige Gesundheitsminister Jens Spahn machte keinen Hehl daraus, dass er nicht einen ernsthaften Gedanken an die Um- setzung verschwenden wollte. Bei allzu bohrenden Nachfragen verwies er auf die Ablehnung in der Ressortabstimmung mit dem (SPD-geführten) Justiz- und Finanzministerium sowie dem (CDU-geführten) Wirtschaftsministerium. Erst gar keine Ressortabstimmung hat es in der neuen Koali- tion, die sich gerne selbst als Fortschrittskoalition rühmt, gege- ben, und dennoch war plötzlich der Entwurf eines GKV-Finanz- stabilisierungsgesetzes im politischen Berlin verteilt. Darin heißt es unter anderem: „Zur Stabilisierung der Arzneimittelausgaben

der GKV wird das Preismoratorium über den 31. Dezember 2022 hinaus umweitere vier Jahre verlängert, der Apothekenabschlag für die Dauer von zwei Jahren auf 2 Euro erhöht und die Geltung des Erstattungsbetrags (…) ab dem siebten Monat nach dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Arzneimittels und damit im Sachzusammenhang stehender Konstellationen geregelt.“ Ich habe es bereits vor einigen Wochen gesagt: Selbst wenn dies nur der allererste Entwurf eines möglichen Gesetzesvorha- bens ist, müssen wir Apothekerinnen und Apotheker ihn nach all dem, was wir in der Pandemie geleistet haben, als einen Schlag ins Gesicht werten. Das Papier konterkariert jedwede dringend notwendige und zuverlässige Zukunftsperspektive für die lokale Arzneimittelversorgung. Und dabei hat sich die Bundesregierung doch vorgenommen, die lokalen Versorgungsstrukturen im Ge- sundheitswesen zu stärken. So steht es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP, die wir jetzt beim Wort nehmen müssen. Wer sich Fortschrittskoalition nennt, darf nicht mit Instrumen- ten aus der gesundheitspolitischen Klamottenkiste der Steinzeit regieren. Unsere Apotheken haben seit Beginn der Pandemie be- wiesen, wie systemrelevant sie für die Menschen vor Ort sind. Wer uns künftig sogar mit neuen Aufgaben wie Grippeimpfun- gen in Apotheken als Regelleistung betrauen möchte, was ja gut und richtig ist, muss zwingend auch für die nötige Planungssi- cherheit sorgen. Übrigens: Mit Blick auf die Landtagswahl am 15. Mai 2022 ha- ben die Apothekerkammern und -verbände wesentliche Positio- nen mit dazugehörigen Wahlprüfsteinen entwickelt, die für die Sicherstellung einer auch künftig hochwertigen Arzneimittel- versorgung in NRW für die Menschen in unserem Land essenziell sind. Sie finden Sie auf den Seiten 6 und 7. Daran werden wir die Politik im Lande in den kommenden fünf Jahren zu messen ha- ben. Und auch Herr Lauterbach darf sich gerne daran orientieren.

Mit freundlichen, kollegialen Grüßen

AKWL Mitteilungs blatt 02-2022 / 3

Made with FlippingBook Online newsletter creator