Mitteilungsblatt 1/2023, 10. Februar 2023
EDITORIAL
Editorial
Mangelhafte Rahmenbedingungen
Gabriele Regina Overwiening Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe E-Mail: praesidium@akwl.de
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das Jahr 2022 hat uns allen in den letzten Wochen noch einmal gewaltige Herausforderungen und Zumutungen bereitet: Als wä ren fast drei Jahre Bewältigung der Corona-Pandemie nicht ge nug gewesen, haben wir alle erleben müssen, wie sich ab dem Herbst auf dramatische Weise Umfang und Intensität der Liefer engpässe verschärft haben. „Wir haben es mit der Ökonomie zu weit getrieben.“ Das sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach heute mit Blick auf die Lieferengpässe. Ein Teil der Wahrheit ist aber auch, dass Karl Lauterbach selbst über viele, viele Jahre eben dieser Ökonomisie rung das Wort geredet hat. Das Motto lautete bisher: „Es wird gespart, koste es was es wolle.“ Dabei haben insbesondere auch die Krankenkassen mit den Rabattverträgen das Rad komplett überdreht. Kein Wunder, wenn der ein oder andere Hersteller die Produktion eingestellt hat oder Nachbarstaaten mit besseren, verlässlicheren Rahmbedingungen beliefert. Es ist und bleibt die zentrale Aufgabe von Gesundheitspolitik für verlässliche Rahmenbedingungen zu sorgen, damit beispielsweise die Arzneimittelversorgung eine Arzneimittel fair sorgung bleibt bzw. wieder dazu wird. Dazu muss die Balance zwischen fairen Preisen für die Hersteller wie für GKV und PKV ebenso wieder hergestellt werden wie eine angemessene Honorierung des vom pharmazeutischen Großhandel und der öffentlichen Apotheke geleisteten logistischen und pharmazeutischen Mehraufwandes. Letztlich ist auch das Bewältigen von Lieferengpässen durch uns eine pharmazeutische Dienstleistung. Und es sei hinzugefügt, dass die Lieferengpässe längst auch mit voller Wucht die statio näre Versorgung treffen.
Was dann das Gesundheitsministerium imDezember mit seinem Eckpunktepapier zu den Lieferengpässen im Sinne hatte, war lei der keine vorweihnachtliche Bescherung. Es war womöglich gut gemeint, aber definitiv nicht gut gemacht: Jede Apotheke soll laut Ministerium genau 50 Cent für jedes erfolgreich gefunde ne Austauscharzneimittel bekommen – aber nur, wenn es zuvor als versorgungskritisch eingestuft wurde und mit der Arztpraxis Rücksprache gehalten wurde. So ein Vorschlag kann man allen falls als Frechheit bezeichnen, wird damit doch die Bürokratie noch weiter erhöht, der teilweise stundenlange Arbeitsaufwand nicht einmal ansatzweise bezuschusst – und als Zeichen der Wertschätzung kann man solch ein Almosen wohl auch kaum bezeichnen. Neues Jahr, neuer Anlauf: 2023 ist das Jahr in dem unsere Bun desregierung Farbe bekennen muss. Will sie die Versorgung der Bevölkerung stärken, dann muss sie die Apotheke vor Ort stärken. Wir werden im Schulterschluss aller Kammern und Verbände dafür konkrete Vorschläge auf den Tisch legen, die sowohl eine angemessene Vergütung für das Handling der Lieferengpässe be inhalten wie eine Entlastung der Apotheken um unnötige Büro kratie und Schikanen; als Stichworte seien Präqualifizierung und Null-Retax genannt. Wenn wir das gemeinsam erreichen, wird 2023 nach dem Krisenjahr 2022 ein Jahr des Aufbruchs!
Mit freundlichen, kollegialen Grüßen
AKWL Mitteilungs blatt 01-2023 / 3
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