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07 / 2014

10 Apothekerstiftung

Warum wir uns vor den falschen Dingen fürchten Vortragsveranstaltung der Apothekerstiftung im vollbesetzten Erbdrostenhof

Unbegründete Ängste, irrationale Panik und erstaunlich plausibel wirkende statistische Fakten standen im Mittelpunkt der siebten Vortragsveranstaltung der Apothekerstiftung Westfalen-Lippe, die am 6. September 180 Zuhörer in den barocken Erbdrostenhof Münster lockte. Mit Walter Krämer referierte dabei ein ebenso profilierter wie umstrittener Statistik-Professor der Technischen Universität Dortmund und Autor von erfolgreichen Büchern wie dem „Lexikon der populären Irrtümer“.

Mit auf zentrale Kernaussagen herun- tergebrochenen Beispielen erklärte Krämer, „warum wir uns vor den fal- schen Dingen fürchten“, um den Titel seines aktuellen Buches zu zitieren. „Ist es nicht paradox, dass wir Angst vorm Fliegen haben, uns aber beden- kenlos ins Auto setzen, obwohl im Straßenverkehr viel mehr Menschen ums Leben kommen?“ Hier sei es die fehlende persönliche Kontrolle, das Ausgeliefertsein im Flugzeug, die Angst mache. „Beim Autofahren hat man das Gefühl, selbst eingreifen zu können.“ Eine entscheidende Rolle für die irrati- onale Bewertung von Risiken spielten zudem die Medien, so Krämer: „Sie nutzen Statistiken, um spektakuläre

Volles Haus: Beim siebten Festvortrag der Apothekerstiftung versammelten sich 180 Zuhörer im voll besetzten Erbdrostenhof im Herzen der Stadt Münster. Fotos (2): Sebastian Sokolowski

Meldungen veröffentlichen zu kön- nen und damit ihr Produkt besser zu verkaufen.“ So kämen Nachrichten wie „Männer mit Glatze verdienen mehr Geld“ zustande. „Dass vor allem ältere Männer schlichtweg häufig ihr Haar verlieren, meistens länger im Beruf sind und dadurch mehr Geld verdienen, wird nicht erwähnt. Eine Kausalität zwischen Glatze und Ein- kommen gibt es jedenfalls nicht.“ Eine fehlende Einordnung und Bewer- tung fehle auch wenn diverse Gifte in Produkten festgestellt würden. Dass in Muttermilch, so das Ergebnis ei- ner Studie, über 300 Schadstoffe ent- halten seien, sei schlichtweg falsch. Faktisch seien „3.000, vielleicht sogar 30.000 Schadstoffe enthalten. Man hat sie nur noch nicht gefunden.“ Die

Gefahren für Leib und Leben wür- den nicht wachsen, dafür aber die Messmethoden immer genauer: „Ein Zuckerwürfel, aufgelöst im Starnber- ger See, wäre dank neuer Techniken heute ohne jeden Zweifel nachzu- weisen.“ Krämer hält sich hier an das Motto von Paracelsus: „Die Dosis macht das Gift.“ Und wie gefährlich diese Schadstoffe in der nun nachge- wiesenen Dosis seien, „darauf geben Medien und diverse Testmagazine kei- ne Antwort“. Mit einem Schokoladen- turm als Nervennahrung bedankte sich Gabriele Regina Overwiening für den anregenden Vortrag. Während des Studiums, erinnerte sich die Präsi- dentin, wollte niemand das mit einem Beipackzettel versehene „Arzneimit- tel Schokolade“ einnehmen. Aber als Süßigkeit: Kein Problem!

Provokante Thesen: Professor Dr. Walter Krämer polarisierte beim Stiftungsvortrag mit Zahlen, Daten und Fakten.

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