Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 3/2020
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[Da s Jou r na l ]
04 · 2020
Über die Therapie-Optionen von COVID-19, topische Glucocorticoide und die Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz
Seite 5 Therapie von COVID-19 Seite 11 Topische Glucocorticoide Seite 17 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz
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EDITORIAL
Editorial
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor Ihnen liegt die diesjährige zweite Ausgabe unseres Fortbildungs- journals, die mit insgesamt drei Beiträgen erneut ein sehr breites The- menspektrum abdeckt. Damit bieten wir Ihnen gerade in Zeiten der andauernden Corona-Pandemie und dadurch abgesagten Präsenzveran- staltungen die Möglichkeit, sich weiterhin fortzubilden und durch erfolg- reich absolvierte Lernerfolgskontrollen Fortbildungspunkte zu sammeln. Dr. Susanne Meseke gibt in Ihrem Aufsatz einen Überblick über die seit Beginn der Corona-Pandemie diskutierten Arzneistoffe zur Behand- lung von COVID-19. Sie erklärt dabei die Wirkungsmechanismen der teils für andere Indikationen zugelassenen Arzneimittel und erläutert die zum Redaktionsschluss Ende August aktuelle Studienlage von Hydrochloro- quin, Interferon & Co. Über die sehr häufig in der Dermatologie eingesetzten topischen Glu- cocorticoide spricht Dörte Schröder-Dumke. Bildungsort und Wirkweise stehen hier ebenso im Fokus wie unerwünschte Wirkungen, Kontraindi- kationen und der Nutzen topischer Glucocorticoide für besondere Pati- entengruppen wie Schwangere, Kinder und ältere Patienten. Dr. Dagmar Horn beschäftigt sich in ihrem umfassenden Beitrag mit der Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz. Sie gibt darin einen Überblick über die typischen und alltäglichen Probleme bei der Dosierung von Arz- neimitteln bei Patientenmit eingeschränkter Nierenfunktion und Patien- ten mit Nierenersatzverfahren und erklärt exemplarisch und praxisnah, wie man sich diesen ganz praktisch nähern kann, um das eine oder ande- re vielleicht sogar zu lösen. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen, Lernen und Punkten!
Gabriele Regina Overwiening Präsidentin der Apotheker- kammer Westfalen-Lippe
Frank Dieckerhoff Vizepräsident der Apotheker- kammer Westfalen-Lippe
Impressum
„Fortbildung aktuell“ der Apothekerkammer West- falen-Lippe erscheint zweimal jährlich als „Fortbil- dung aktuell – Themen & Termine“ und zweimal pro Jahr als „Fortbildung aktuell – Das Journal“ Herausgeber: Apothekerkammer Westfalen-Lippe Bismarckallee 25 · 48151 Münster Tel.: 0251 520050 · Fax: 0251 52005-69 E-Mail: info@akwl.de · Internet: www.akwl.de
Mit freundlichen, kollegialen Grüßen
Redaktion/Grafiken: Dr. Sylvia Prinz
Layout: Sebastian Sokolowski
Gabriele Regina Overwiening
Frank Dieckerhoff
Autoren dieser Ausgabe: Susanne Meseke, Dörte Schröder-Dumke, Dr. Dagmar Horn
Titelfoto: ©Peterschreiber.Media – stock.adobe.com
Der Bezugspreis für „Fortbildung aktuell – The- men & Termine“ und „Fortbildung aktuell – Das Journal“ ist für die Mitglieder der Apothekerkammer Westfalen-Lippe im Kammerbeitrag enthalten.
Auflage: 7.500 Exemplare
Nachdruck – auch in Auszügen – nur mit schriftli- cher Genehmigung des Herausgebers. Gedruckt auf Papier aus 100 Prozent recycelten Fasern. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier.
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DR. SUSANNE MESEKE
Therapie von COVID-19 Viele Fragen – wenig Antworten: eine Übersicht derzeitiger Therapieoptionen
Abstandsregeln, Maskenpflicht, Hygi- enekonzepte und Quarantänemaß- nahmen gehören inzwischen zum All- tag. Wieviel einfacher wäre die Pan- demie, wenn es einen Impfstoff gäbe, der alle ausreichend schützt oder zu- mindest ein Arzneimittel, das schwe- re Verläufe verhindert, die Krank- heitsphase verkürzt oder bei Schwerstkranken die Überlebens- wahrscheinlichkeit erhöht. Tausende von Studien laufen im Zusammen- hang mit COVID-19, sehr viele davon untersuchen die verschiedensten Therapieoptionen – die Informations- flut ist überwältigend. Aber was sind echte Hoffnungsträger und wie wir- ken sie überhaupt? Dieser Artikel soll einen kurzen Überblick über die wich- tigsten Therapieoptionen verschaf- fen. Wirft man einen Blick in das US-ame- rikanische Studienregister clinicaltrials. gov, findet man unzählige Studien zur Arzneimitteltherapie von COVID-19. „Alte Bekannte“, wie Remdesivir, Chlo- roquin oder Lopinavir, aber auch un- bekanntere Substanzen und „Exoten“, wie z. B. Ozon, Isotretinoin, Pentoxifyl- lin, Ivermectin oder Acai-Beeren wer- den in klinischen Studien untersucht. Bei vielen ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, warum sie gegen SARS- CoV-2 überhaupt wirken könnten. Ei- nige pharmakologische Angriffspunk- te lassen sich aus den Eigenschaften des Virus ableiten. Viren sind obligat intrazelluläre Parasiten, deren metabolische Prozesse, wie z. B. die Synthese von Proteinen, von der Wirtszel- le abhängen. Viren vermehren sich nicht durch Zweiteilung, sondern durch Zusam- menlagerung einzelner Bestandteile, die mithilfe der Wirtszelle produziert werden. Ohne eine Wirtszelle sind sie nicht in der Lage, sich zu vermehren. Coronaviren, wie z. B. SARS-CoV und SARS-CoV-2 gehören zur Gruppe der einsträngigen, behüllten RNA-Viren. Zu Der Replikationszyklus von SARS-CoV-2
Dr. Susanne Meseke (Münster) ist Fachapothekerin für Arzneimittelinformation und Klinische Pharmazie und arbeitet in der Abteilung Arzneimittelinformation und Medikationsmanagement der Apothekerkammer Westfa- len-Lippe. Sie ist Antibiotic-Stewardship-Expertin und Mit- glied im Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.
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Membran kann nun mit der Zellmemb- ran der Wirtszelle verschmelzen und das RNA-Genom wird unter Mithilfe weiterer Proteasen in das Zytoplasma abgegeben. Die freigesetzte Virus-RNA wird nun ab- gelesen. Zum einen dient sie direkt als Matrize für die Synthese viraler Proteine. Zum anderen wird sie mit Hilfe einer RNA- gebundenen RNA-Polymerase (RdRP), also einer viruseigenen Polymerase, vervielfäl- tigt und bildet das Genom für neue Viren. Die neuen Viren werden aus den Einzel- bestandteilen zusammengebaut und aus der Wirtzelle ausgeschleust. Aus diesem Replikationszyklus ergeben sich einige denkbare Angriffspunkte für Arzneistoffe,
dieser Gruppe zählen auch HIV oder das Ebola-Virus. Anders als DNA-Viren benö- tigen RNA-Viren zur Vermehrung ihres Erbguts nicht die Replikationsmaschinerie der Wirtszelle, sondern bringen eigene En- zyme oder zumindest die Erbinformation für eigene Enzyme, wie z. B. eine RNA-ab- hängige RNA-Polymerase (RdRP), mit. Abbildung 1 zeigt den Replikations- zyklus von SARS-CoV-2. Bei einer Infekti- on bindet SARS-CoV-2 – sehr vereinfacht dargestellt – mit seinem Spike-Protein an den ACE2-Rezeptor der Wirtszelle und wird durch eine membranständige Prote- ase der Wirtszelle (die sog. TMPRSS2) „ge- schnitten“ und damit aktiviert. Die virale
ABBILDUNG 1: Zeigt – stark vereinfacht – die Replikation von SARS-CoV-2 in der Wirts- zelle und die möglichen Angriffspunkte einiger Wirkstoffe.
Modifizierte Abbildung nach 1,2
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THERAPIE VON COVID-19
auf die später noch näher eingegangen wird.
INDIVIDUELLER HEILVERSUCH §34 Strafgesetzbuch („rechtfertigender Notstand“) und die Therapiefreiheit des Arztes können den individuellen Heil- versuch begründen. Es handelt sich hier- bei um die Anwendung eines zulas- sungspflichtigen, aber noch nicht (oder nur außerhalb Deutschlands) zugelasse- nen Arzneimittels im Einzelfall und mit Zustimmung des betreffenden Patien- ten, wenn alle übrigen Therapieoptio- nen ausgeschöpft sind und der behan- delnde Arzt basierend auf wissenschaft- lichen Erkenntnissen einen Nutzen für den Patienten vermutet. Die Verantwor- tung für die Anwendung liegt beim be- handelnden Arzt und erfordert einen deutlich höheren Sorgfaltsmaßstab im Vorgehen des Arztes. Beispiele sind Favi- piravir und Camostat. „EMERGENCY USE AUTHORIZATION“ (EUA) DER FDA Diese Notfallzulassung erlaubt den Ein- satz von nicht zugelassenen oder in an- derer Indikation zugelassenen Wirkstof- fen auch außerhalb klinischer Studien – unter fortlaufender Überprüfung der wissenschaftlichen Evidenz bzgl. der Nutzen-Risiko-Abwägung der Substan- zen. Eine Notfallzulassung kann jeder- zeit widerrufen werden, sollte sich die Nutzen-Risiko-Abwägung ändern. Eine EUA wurde in den USA für Chloroquin/ Hydroxychloroquin und Remdesivir er- teilt. OFF-LABEL-USE Die Substanz ist grundsätzlich als Fer- tigarzneimittel in Deutschland zugelas- sen, d. h. arzneimittelrechtlich verkehrs- fähig, wird aber außerhalb ihrer zuge- lassenen Indikationen, Dosierung oder an anderer Population (z. B. Kindern) eingesetzt. In solchen Fällen wird sei- tens der Bundesoberbehörden zu einer erweiterten dokumentierten Aufklä- rung geraten. Als Beispiel ist Hydroxy- chloroquin zu nennen.
COMPASSIONATE USE (HÄRTEFALLPROGRAMM)
Die rechtlichen Grundlagen der Anwendung
Unter bestimmten Voraussetzungen können noch nicht zugelassene Arznei- mittel im Rahmen so genannter Arznei- mittelhärtefallprogramme an schwer erkrankte Patienten abgegeben werden. Compassionate use ermöglicht, im Ge- gensatz zum individuellen Heilversuch, die Anwendung eines bisher nicht zuge- lassenen Wirkstoffs an Patientengrup- pen – unter bestimmten Auflagen. Der Hersteller stellt den Wirkstoff kostenlos zur Verfügung. Die Anwendung im compassionate use wird sorgfältig do- kumentiert und ausgewertet. Härtefall- programme werden von den Bun- desoberbehörden veröffentlicht (www. bfarm.de/haertefallprogramme). Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat diese Ge- nehmigung für Remdesivir erteilt. BEDINGTE ZULASSUNG Die bedingte Zulassung ermöglicht es, Substanzen noch vor Abschluss der voll- ständigen klinischen Prüfung auf den Markt zu bringen, sofern hinreichende Erkenntnisse über ein positives Nutzen- Risiko-Verhältnis der Therapie vorliegen und es sich bei der Therapie um lebens- bedrohende Krankheiten, Krisensituati- onen mit Bedrohung der öffentlichen Gesundheit oder die Behandlung von seltenen Leiden handelt. Trotz des ver- kürzten Verfahrens liegt der bedingten Zulassung eine gründliche Bewertung der Vorteile und Risiken des Arzneimit- tels zugrunde. Bedingte Zulassungen er- möglichen den geregelten Einsatz von Wirkstoffen auch außerhalb von Studi- en. Sie können nur im zentralen Zulas- sungsverfahren erteilt werden und gel- ten jeweils für ein Jahr. Sie unterliegen der engmaschigen Kontrolle, bis eine re- guläre Zulassung erteilt wird. Die be- dingte Zulassung wurde Anfang Juli in Europa für Remdesivir erteilt.
Die Entwicklung neuer Wirkstoffe dauert oft mehrere Jahre. Zeit, die im Rahmen der Pandemie fehlt. Damit Substanzen möglichst schnell zum Einsatz kommen, wird auf bereits entwickelte (aber noch nicht zugelassene) oder bereits in ande- rer Indikation zugelassene Wirkstoffe zu- rückgegriffen. Zum Einsatz kommt, was aufgrund seines Wirkmechanismus po- tentiell funktionieren könnte oder bereits erste positive Ergebnisse an verwandten Viren (wie z. B. SARS-1, MERS oder Ebola) in der Zellkultur, im Tierversuch oder am Menschen gezeigt hat. Da diese Substan- zen noch nicht oder nur in einer anderen Indikation zugelassen sind, gibt es für die Anwendung außerhalb von klinischen Studien diverse rechtliche Möglichkei- ten, diese Wirkstoffe anzuwenden (siehe Infokasten). Aufgrund einer Initiative des Bun- desministeriums für Gesundheit stehen verschiedene Arzneimittel wie Hydroxy- chloroquin, Lopinavir/Ritonavir, Camostat, Favipiravir und Remdesivir in deutschen Krankenhäusern für die Anwendung zur Verfügung. Eine Auflistung der bevorra- tenden Apotheken sowie eine Erläuterung des prinzipiellen Prozederes zum Abruf der Arzneimittel findet sich auf der Inter- netseite des Robert Koch-Instituts (www. rki.de/covid-19-arzneimittelbevorratung). Tabelle 1 zeigt eine Auflistung der wich- tigsten Studienregister und Übersichts- seiten, auf denen potenzielle Therapeuti- ka und die derzeit damit durchgeführten Studien aufgeführt sind. Vorsicht ist geboten bei der Vielzahl der auf Preprint-Servern vorveröffentlich- ten Studien. Diese Preprint-Server (z. B. www.medrxiv.org und www.biorxiv.org) ermöglichen es, wissenschaftliche Inhalte sehr schnell allen Interessierten zur Ver- fügung zu stellen. Zu beachten ist dabei, dass diese Studien kein Peer-Reviewdurch- laufen haben: Sie wurden nicht durch den Verlag bzw. die Zeitschrift oder andere Gutachter vor der Veröffentlichung auf Die aktuelle Studienlage
französische Studie Discovery oder die britische Recovery-Studie (www.recove- rytrail.net), laufen pragmatischer ab als üblich, um die Durchführung auch neben einem durch die Pandemie angespannten
Qualität und Wahrheitsgehalt der Daten überprüft. Einige große, internationale und öf- fentlich geförderte Studien, beispiels- weise die Solidarity-Studie der WHO, die
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DR. SUSANNE MESEKE
TABELLE 1: Nationale und internationale Studienregister sowie weitere Websites, die eine Studienübersicht zu COVID-19 geben oder fortlaufend aktualisierte Therapiehin- weise zusammenstellen. Studienregister oder Organisation Internet-Adresse Studienregister der FDA www.clinicaltrials.gov Europäisches Studienregister www.clinicaltrialsregister.eu Chinesisches Studienregister www.chictr.org.cn/ Deutsches Studienregister www.drks.de Dt. Zentrum für Infektionsforschung https://dzif.clinicalsite.org STAKOB (Ständiger Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathoge- ne Erreger) www.rki.de → Suchbegriff „Stakob“ → „Stellungnahmen“ Übersicht des Cochrane-Netzwerks https://covid-nma.com/dataviz/ WHO International Clinical Trials Registry Platform (ICTRP) www.who.int/ictrp/en/
Klinikalltag durchführen zu können. Das Studiendesign ist adaptiv, das bedeutet, es kann jederzeit an neue wissenschaftli- che Erkenntnisse angepasst werden. Wie wichtig unabhängige, gut designte Studi- en gerade im Rahmen der Pandemie sind, hat z. B. der Wirkstoff Chloroquin gezeigt.
Therapeutische Ansatzpunkte: antivirale Arzneistoffe und Immunmodulation
In der ersten Phase der Erkrankung stehen die viralen Prozesse, also Infektion und Virusvermehrung, im Vordergrund. Die spätere Erkrankungsphase ist von Hyper- inflammation („Zytokin-Sturm“) und pul- monaler Manifestation geprägt, hier spie- len immunologische Prozesse eine große Rolle. Bisherige Studien und Beobachtun- gen deuten darauf hin, dass der Zeitraum für den Einsatz einer direkten antiviralen Therapie ca. zehn Tage nach Symptom- beginn umfasst. 3 Substanzen, die eine überschießende Immunantwort mildern sollen, sind v. a. in der späteren Erkran- kungsphase sinnvoll. Auf die wichtigsten Substanzen wird nun eingegangen. Remdesivir (RDV) gehört zu den Nukleo- tidanaloga. Man vermutet, dass Remdesi- vir nach der Kopplung an ein Triphosphat (RDV-TP) von der viralen RNA-Polymerase als Baustein akzeptiert wird. Der Einbau in die entstehende RNA-Kopie gelingt jedoch nicht. RDV-TP bleibt in der RNA- Polymerase hängen und die Replikation stoppt. 4 Remdesivir wurde ursprünglich zur Therapie von Ebola-Infektionen entwi- ckelt. Daher lag die Vermutung nahe, dass Remdesivir auch in anderen RNA-Viren (wie z. B. SARS-CoV-2) die RNA-Polymera- se hemmen könnte. Die Vorerfahrungen mit Remdesivir waren gering. Am Men- schen wurde es zuvor lediglich in einer kleinen Studie an 175 Ebola-Patienten untersucht und konnte die Mortalität nicht senken. 5 Immerhin gab es durch diese Studie bereits erste Erfahrungen zur Anwendung am Menschen und erste Dosierungsschemata. Die Substanz konnte zunächst nur im Rahmen von klinischen Studien ange- wendet werden. Ende Januar 2020 stell- te der Hersteller Gilead die Substanz für den „compassionate use“ zur Verfügung. Das BfArM genehmigte den Einsatz im Remdesivir
Rahmen des Härtefallprogramms Anfang April 2020. Die USA erteilte als erster Staat am 1.5.2020 eine Notfallzulassung für Remdesivir. Anfang Juli 2020 erhielt Rem- desivir (Veklury®) auch in Europa eine „be- dingte“ Zulassung. Die europäische Zulassung für Veklu- ry® wurde für den Einsatz bei Erwachse- nen und Jugendlichen (ab zwölf Jahren und mind. 40 kg Körpergewicht) mit einer Pneumonie, die eine zusätzliche Sauer- stoffzufuhr erfordert, erteilt. Die Thera- pie sollte möglichst frühzeitig eingeleitet werden. Bei Patienten unter nicht-inva- siver oder invasiver Beatmungstherapie inkl. ECMO (extrakorporale Membranoxy- genierung) wurde kein Nutzen gezeigt. Initial werden 200 mg Remdesivir i. v. ge- geben, gefolgt von einer einmal täglichen Gabe von 100 mg i. v. über fünf bis maxi- mal zehn Tage. Aufgrund fehlender phar- makokinetischer Daten bei schwergra- diger Niereninsuffizienz darf Remdesivir nur bei Patienten mit einer GFR≥30 ml/ min eingesetzt werden. Empfohlen wird ein Behandlungsbeginn in der Frühphase der Erkrankung, sofern eine zusätzliche Sauerstoffzufuhr erforderlich ist, ein spä- terer Einsatz (>10 Tage nach Symptombe- ginn) bringt wahrscheinlich keinen Vorteil mehr, und könnte eventuell sogar nach- teilig sein. 6 Bisher erfolgte keine europä- ische Zulassung bei Kindern unter zwölf Jahren, Studien laufen bereits. Die Dt. Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) hat Empfehlungen zur Dosierung bei Kindern unter zwölf Jahren erarbeitet. Im Gegensatz zur europäischen Zulassung umfasst die US-amerikanische Notfallzu- lassung auch die Anwendung bei Kindern
und schweren Infektionen mit Beatmung oder Lungenersatztherapie (ECMO). 7 In drei großen Studien (Simple I und II, ACTT), auf deren Zwischenauswertungen die Zulassungen der FDA und der EMA im Wesentlichen beruhen, zeigte sich, dass Remdesivir die Krankheitsdauer ver- kürzte, die Senkung der Mortalität war jedoch nicht signifikant. Es scheint, dass bei Remdesivir der Zeitpunkt der Gabe im Erkrankungsverlauf eine wesentliche Rolle für die Wirksamkeit spielt. 6 Eine antivirale Therapie in der späten Erkrankungsphase, in der hyperinflammatorische Prozesse im Vordergrund stehen, bringt möglicher- weise keinen Vorteil mehr. 6 Seinen größ- ten Nutzen könnte Remdesivir im Früh- stadium der Erkrankung haben, wenn die Patienten noch nicht hospitalisiert sind. Die bisher notwendige intravenöse Gabe ist jedoch ein Hindernis für eine ambu- lante Therapie. Gilead hat deshalb eine inhalative Formulierung entwickelt, für die eine erste Phase I-Studie an gesunden Probanden angelaufen ist. 8 Mit ersten Er- gebnissen wird für März 2021 gerechnet. Nach heutigem Stand scheint Rem- desivir einen Benefit bei COVID-19 zu bringen, sofern es früh genug gegeben wird. Es verkürzt die Krankheitsdauer, be- einflusst höchstwahrscheinlich aber nicht die Mortalität.
Favipiravir
Favipiravir ist sozusagen die japanische Version von Remdesivir. Es ist in Japan seit 2014 unter dem Namen Avigan® zur Behandlung der Influenza zugelassen. Seit kurzem ist es auch in China und in Russ- land (Avifavir) auf dem Markt. Ebenso wie
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THERAPIE VON COVID-19
erythematodes bekannt und in diesen Indikationen zugelassen. Hydroxychloro- quin ist ein Metabolit von Chloroquin. Die Idee, Chloroquin bzw. Hydroxy- chloroquin bei COVID-19 einzusetzen, stammte aus Zellkultur- und Tierversu- chen, die eine antivirale Aktivität von Chloroquin gegenüber SARS-CoV, MERS und Influenzaviren vermuten ließen. Chi- nesische Forscher testeten daraufhin die Wirksamkeit u. a. von Chloroquin und Hy- droxychloroquin auf SARS-CoV-2 in Zell- kulturen und konnten eine Hemmung der Virusvermehrung in vitro belegen. 12,13 Der Wirkmechanismus ist nicht geklärt. Disku- tiert wird eine Erhöhung des pH-Wertes in den Zellen. Diese Alkalisierung könnte die Fusion und das Uncoating der Virionen hemmen. Auch eine Änderung der An- dockstellen des Virus an den Wirtszellen wird postuliert, so dass das Virus schlech- ter in die Epithelzellen eindringen kann. 12,13 Darüber hinaus wird ein immunmodulato- rischer Effekt diskutiert. Chloroquin ist im März 2020 auch außerhalb von Fachkreisen verstärkt ins Gespräch gekommen, nachdem US-Prä- sident Donald Trump für den Einsatz des Malaria-Medikaments bei der Behand- lung von Covid-19-Erkrankten geworben hatte. Wenige Tage nach seinem medial aufsehenerregendem Tweet erteilte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA Ende März 2020, basierend auf be- grenzten In-vitro-Daten und Fallserien, eine Emergency Use Authorization für Chloroquin und Hydroxychloroquin und widerrief sie im Juni 2020 aufgrund der geänderten Datenlage. Anfänglich vielversprechende Ergeb- nisse einiger kleiner Studien, die allerdings mitunter große methodische Mängel auf- wiesen, ließen sich in großen, klinischen Studien (Solidarity, Recovery) nicht bestä- tigen. Beide Studien zeigten unter Chloro- quin-Therapie keine Senkung der Morta- lität. Der Chloroquin-Arm beider Studien wurde daraufhin im Juni 2020 gestoppt. Ein Cochrane-Review, das mehrere klei- nere Studien zur Wirksamkeit von Chloro- quin/Hydroxychloroquin metaanalytisch auswertet, kommt zum selben Schluss: Chloroquin bzw. Hydroxychloroquin sen- ken nicht die Mortalität, sind aber ver- mehrt mit Nebenwirkungen assoziiert. 14 Die Tatsache, dass Chloroquin mögli- cherweise ein Eindringen des Virus in die Epithelzellen erschwert, lässt über einen
Einsatz des Wirkstoffs als Postexpositi- onsprophylaxe nachdenken. In einer Stu- die zur Postexpositionsprophylaxe, die in den USA und Kanada durchgeführt wurde, konnte gegenüber Placebo kein Unterschied in der Erkrankungshäufigkeit gefunden werden. 15 Die Erkrankung wur- de allerdings nicht mittels Labortest be- stätigt, sondern nur über die Ausprägung von Symptomen erfasst. Hydroxychloroquin/Chloroquin konn- te seine Wirksamkeit in großen klinischen Studien nicht beweisen. Der Einsatz außer- halb von klinischen Studien ist aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen (kar- diale und neuropsychiatrische Nebenwir- kungen, schwere Hypoglykämien) nicht zu rechtfertigen. Bisher gibt es keine Belege dafür, dass Chloroquin oder Hydroxychlo- roquin als Postexpostionsprophylaxe ef- fektiv eingesetzt werden können. Die Wirkstoffkombination Lopinavir/Ri- tonavir ist zugelassen zur HIV-Therapie. Lopinavir und Ritonavir sind spezifische Hemmstoffe der HIV-Proteasen des HI- Virus. Die Hemmung des Enzyms führt zur Kumulation unreifer, nicht infektiöser Viren. Ritonavir wird in dieser Kombinati- on v. a. zur Verbesserung der Pharmako- kinetik hinzugesetzt. Es inhibiert CYP3A und vermindert dadurch den Abbau von Lopinavir über CYP3A, so dass die Biover- fügbarkeit von Lopinavir steigt. Coronaviren besitzen gänzlich ande- re Proteasen als HI-Viren. In Laborexpe- rimenten hemmte Lopinavir allerdings auch eine Endopeptidase von Coronaviren, die – sehr vereinfacht ausgedrückt – am „Auspacken“ des Virusgenoms im Cyto- plasma der Wirtszelle beteiligt ist. In der SARS-Epidemie von 2002/3 wurde Lopi- navir vereinzelt eingesetzt – wie üblich in Kombination mit Ritonavir. Die Erfahrun- gen waren überwiegend positiv. Daher lag es nahe, Lopinavir/Ritonavir auch bei SARS-CoV2-Infektionen einzusetzen. Nach den anfänglich hoffnungsvol- len Ergebnissen kleinerer Studien konn- ten diese in großen Studien nicht verifi- ziert werden. In einer Datenauswertung des Therapie-Armes Lopinavir/Ritonavir im Vergleich zu standard-of-care der Recovery-Studie und der WHO Solidarity- Studie konnte kein klinischer Benefit in der Gruppe der Patienten mit Lopinavir/ Lopinavir/Ritonavir
Remdesivir hemmt Favipiravir die virale RNA-Polymerase. Es kann im Gegensatz zu Remdesivir oral eingenommen wer- den. Aus den Zulassungsstudien und der Anwendung bei Influenza kennt man das Nutzen-Risiko-Profil der Substanz, es ist allerdings eine relativ problematische Substanz. In der präklinischen Phase des Wirkstoffs zeigten mehrere Tierspezi- es fetale Missbildungen, daher ist es bei Schwangeren und Stillenden kontrain- diziert. Außerdem hat Favipiravir eine komplexe, nichtlineare, zeit- und dosi- sabhängige Pharmakokinetik, die zudem vom Körpergewicht beeinflusst wird. In klinischen Studien wurde Favipiravir ei- nigermaßen gut vertragen, war aber mit dosisbedingten, asymptomatischen Erhö- hungen des Harnsäurespiegels im Serum assoziiert. Es sollte deshalb bei Patienten mit Gicht oder Hyperurikämie mit Vor- sicht angewendet werden. In Japan ist es lediglich als Notfall-Arzneimittel bei neu- artigen Influenzaviren und wiederkeh- renden Influenza-Ausbrüchen im Einsatz und wird nur auf Anforderung durch die japanische Regierung hergestellt und zur Bevorratung von Pandemiemaßnahmen an die Regierung verkauft. In Zellkultur zeigte die Substanz gegen- über SARS-CoV-2 zwar eine antivirale Wir- kung, allerdings erst in sehr hohen Dosen. 9 Erste klinische Daten bei COVID-19 wur- den seit Februar 2020 im Rahmen eines von den japanischen Behörden genehmig- ten „compassionate use“-Programms ge- wonnen. Die Erfahrungen daraus werden in einem Register gesammelt. Inzwischen ist eine Vielzahl von Studien angelau- fen. In den ersten (vor-) veröffentlichten Studien zeichnet sich ab, dass Favipiravir möglicherweise bei leichteren Fällen die Erkrankungsdauer verkürzt. Bei schwer Er- krankten zeigte sich kein Nutzen. 10, 11 Obwohl Zellkulturversuche nicht be- sonders vielversprechend waren, zeigt die Substanz möglicherweise einen Benefit bzgl. der Erkrankungsdauer bei weniger schweren Verläufen. Die Ergebnisse der laufenden Studien müssen diese Vermu- tung allerdings erst noch belegen.
Hydroxychloroquin/Chloroquin
Chloroquin und Hydroxychloroquin sind aus der Malariaprophylaxe und -therapie sowie zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis und des systemischen Lupus
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(Stand August 2020) wird Dexamethason bei Kindern mit COVID-19 untersucht (re- coverytrial.net). Bei Patienten mit invasi- ver Beatmung oder Sauerstoff-Therapie mit einer Krankheitsdauer von mind. sieben Tagen scheint eine Therapie mit Dexamethason indiziert. Tocilizumab (RoActemra®) ist ein mono- klonaler Antikörper gegen den Interleu- kin-6-Rezeptor und in Deutschland als Immunsuppressivum bei rheumatoider Arthritis zugelassen. Es unterbricht die inflammatorische Kaskade. In den USA ist Tocilizumab seit 2017 auch zur Behand- lung des Zytokin-Freisetzungssyndroms zugelassen. Bei COVID-19 spielt eine erhöhte Inter- leukin-6-Konzentration vermutlich v. a. ab der zweiten Erkrankungswoche eine wich- tige pathophysiologische Rolle. Einige Pa- tienten zeigen im Krankheitsverlauf eine massive Inflammation, hohes Fieber und meist deutlich erhöhte IL-6- und Ferritin- Spiegel. Als möglicher Therapie-Ansatz wird in dieser Situation eine Blockade des Interleukin-6-Rezeptors diskutiert, die den virus-getriggerten Zytokin-Sturm abmil- dern könnte. Ein Einsatz im Off-Label-Use kann bei kritisch kranken Patienten erwo- gen werden. Therapie-Studien sind initi- iert. Erste vorveröffentlichte Ergebnisse einer von Roche initiierten Phase-III-Studie mit Tocilizumab (COVACTA) zeigten keine Verbesserung des klinischen Zustands der Patienten nach 28 Tagen (primärer End- punkt) und Tocilizumab hatte keinen Ein- fluss auf die Mortalität (sekundärer End- punkt). Gleichwohl zeigte die Analyse der Studie, dass Patienten, die mit Tocilizumab behandelt wurden, früher aus dem Kran- kenhaus entlassen wurden. Neben Tocili- zumab werden auch andere Interleukin- Inhibitoren, wie z. B. Sarilumab (Kevzara®) und Siltuximab (Sylvant®), in klinischen Studien untersucht. Bei den Interferonen gibt es verschie- denste Subtypen und einige werden in anderen Indikationen therapeutisch er- folgreich genutzt. Bei COVID-19 wurde insbesondere das IFN- λ , ein Typ III-Inter- feron, als Therapieoption diskutiert, da es antiviral wirkt, aber im Gegensatz zu Tocilizumab Interferon
anderen Interferonen keine überschie- ßende und gewebeschädigende Reaktion der neutrophilen Granulozyten auslöst. Dies verwundert zunächst, da insbe- sondere schwere Krankheitsverläufe im späteren Krankheitsverlauf von einer ausgeprägten Immunantwort und einer Hochregulierung von Typ-III-Interferonen gekennzeichnet sind. Allerdings hemmt SARS-CoV-2 zu Beginn der Erkrankung die Interferon-Produktion in den obe- ren Atemwegen, was die Immunantwort schwächt und dem Virus hilft, sich zu vermehren. Eine erste Phase II-Studie mit inhalativem Interferon- β griff diese Ver- mutung auf und lieferte recht vielver- sprechende Ergebnisse. Ebenfalls in einer Phase II-Studie wird Peginterferon λ -1a gegen Placebo bei COVID-19-Patienten untersucht (NCT04331899), die Ergebnisse stehen noch aus. Forscher äußern Beden- ken, dass die Gabe von IFN- λ das Risiko für lebensbedrohliche bakterielle Superinfek- tionen erhöhen könnte. Möglicherwei- se ist der Zeitpunkt der Interferongabe entscheidend. Der Ständige Arbeitskreis der Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger am RKI (STAKOB) empfiehlt, eine antibiotische Therapie nur bei Verdacht auf eine bakte- rielle Superinfektion und/oder septischem Verlauf kalkuliert einzuleiten. Eine prophy- laktische Antibiotika-Gabe ohne Hinweis auf bakterielle Infektion wird nicht emp- fohlen (Stand August 2020). Es gibt Hinweise, dass das Makrolid- Antibiotikum Azithromycin wegen seiner immunmodulatorischen Eigenschaften ei- nen positiven Einfluss auf den Krankheits- verlauf haben könnte. In-vitro-Versuche mit Azithromycin hatten eine Viruswirk- samkeit gegenüber Zikaviren und Rhi- noviren gezeigt. Azithromycin wurde in Therapieversuchen sowie in einigen klini- schen Studien (u. a. Solidarity) zunächst in Kombination mit Chloroquin eingesetzt. Klinische Studien zur Monotherapie mit Azithromycin laufen derzeit (u. a. Recove- ry), Ergebnisse stehen noch aus. Antibiotische Therapie
Ritonavir-Therapie gezeigt werden. Der Lopinavir/Ritonavir-Studienarm wurde in beiden Studien inzwischen gestoppt. Im Gegensatz zum Chloroquin-Arm gab es laut WHO keinerlei Sicherheitsbedenken, vielmehr hatte sich in diesen Studien kei- ne Wirksamkeit gezeigt. Der Protease-Inhibitor Camostat, der in Japan zur Behandlung der chronischen Pankreatitis zugelassen ist, setzt an einer anderen Stelle an, nämlich beim Eintritt des Virus in die Wirtszelle. SARS-CoV-2 benutzt zum Zelleintritt eine bestimmte Transmembran-Protease (TMPRSS2) der Wirtszelle, die von den Epithelzellen der unteren Atemwege gebildet wird. Verein- facht ausgedrückt schneidet diese Prote- ase beim Kontakt des Virus mit der Wirts- zelle die Proteinhülle des Virus auf und ermöglicht dem Virus damit den Durch- tritt durch die Zellmembran der Wirtszel- le. Camostat hemmt diese zelluläre Pro- tease und verhindert damit den Eintritt des Virus in die Wirtszelle. In Zellkulturen wurde gezeigt, dass Camostat den Eintritt von SARS-CoV-2 in Pneumozyten verhin- dert. 16 Ob Camostat eine Infektion mit SARS-CoV-2 verhindern und den Verlauf von COVID-19 günstig beeinflussen kann, ist damit natürlich noch nicht belegt. Kli- nische Studien laufen derzeit. Im Dexamethason-Arm der Recovery-Stu- die 17 zeigte Dexamethason eine Reduk- tion der Mortalität gegenüber alleiniger üblicher Therapie. Dieser Effekt war am stärksten ausgeprägt bei Patientenmit in- vasiver Beatmung und einer bei Einschluss vorliegenden Krankheitsdauer von mehr als sieben Tagen, d. h. in einer späteren Phase der Erkrankung. In der Gruppe der Patienten mit Sauerstoff-Therapie oder nicht-invasiver Beatmung war der Effekt weniger ausgeprägt, jedoch konnte auch hier eine signifikante Reduktion der Mor- talität gezeigt werden. In der Gruppe der Patienten ohne Sauerstoff-Therapie zeigte sich kein Benefit – möglicherweise erhöht Dexamethason hier sogar die Mortalität. Man vermutet, dass das Glukokortikoid ei- ner erst später im Verlauf der Erkrankung einsetzenden organschädigenden Ent- zündungsreaktion entgegenwirkt. Zurzeit Camostat Dexamethason
Rekonvaleszenten-Plasma und Antikörper-Therapie
Einen gänzlich anderen Therapie-Ansatz
AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 9
THERAPIE VON COVID-19
COVID-19-Erkrankten – Hinweise von Klinikern für Kliniker, Wie ist die aktuelle Datenlage zur Behandlung von COVID-19 mit Remdesivir? RKI, Stand 14.7.2020, abgerufen am 25.8.2020. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges_Coronavirus/COVRIIN_Dok/ Erfahrungen_Umgang_Erkrankten.pdf?__ blob=publicationFile 7 Fact sheet for health care providers emergency use authorization (EUA) of VEKLURY® (remdesi- vir). Stand 07/2020. https://www.fda.gov/me- dia/137566/download, abgerufen am 9.8.2020 8 A Randomized, Placebo-controlled Study of the Safety, Tolerability and Pharmacokinetics of Inhaled Nanoparticle Formulation of Remdesi- vir (GS-5734) and in Combination With NA-831 in Healthy (NEUROSIVIR), NCT04480333, www. clinicaltrials.gov, abgerufen am 31.7.2020 9 Wang M et al. Remdesivir and chloroquine effectively inhibit the recently emerged novel coronavirus (2019-nCoV) in vitro. Cell Res. 2020 Mar;30(3):269-271. 10 Chen Ch et al. Favipiravir versus Arbidol for COVID-19: A Randomized Clinical Trial, https:// www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.03.1 7.20037432v4, abgerufen am 31.7.2020 11 Cai Q et al. Experimental treatment with favipi- ravir for COVID-19: an open-label control study. Engineering Engineering (Beijing). 2020 Mar 18. 12 Wang M et al. Remdesivir and chloroquine effectively inhibit the recently emerged novel coronavirus (2019-nCoV) in vitro. Cell Res. 2020 Mar;30(3):269-271. 13 Liu J et al. Hydroxychloroquine, a less toxic de- rivative of chloroquine, is effective in inhibiting SARS-CoV-2 infection in vitro. Cell Discov. 2020 Mar 18; 6:16 14 The Cochrane Collaboration: Targeted Update: Safety and efficacy of hydroxychloroquine or chloroquine for treatment of COVID-19, Stand 17. Juni 2020; https://www.who.int/ publications/m/item/targeted-update-safety- and-efficacy-of-hydroxychloroquine-or-chloro- quine-for-treatment-of-covid-19, abgerufen am 25.8.2020 15 Boulware DR et al. A Randomized Trial of Hydro- xychloroquine as Postexposure Prophylaxis for Covid-19. N Engl J Med. 2020 Aug 6;383(6):517- 525. 16 Hoffmann M et al. SARS-CoV-2 Cell Entry De- pends on ACE2 and TMPRSS2 and Is Blocked by a Clinically Proven Protease Inhibitor. Cell. 2020 Apr 16;181(2):271-280.e8. 17 Horby P et al. Dexamethasone in Hospitalized Patients with Covid-19 - Preliminary Report. N Engl J Med. 2020 Jul 17. 18 Kreer C et al. Longitudinal Isolation of Potent Near-Germline SARS-CoV-2-Neutralizing Anti- bodies from COVID-19 Patients. Cell. 2020 Jul 13; S0092-8674(20)30821-7.
Prä- und Postexpositionsprophylaxe
stellt die Verwendung von Rekonvaleszen- ten-Plasma dar. Dabei wirdBlutplasma von genesenen COVID-19-Patienten gewon- nen und COVID-19-Patienten verabreicht. Der bisherige Einsatz bei verschiedenen anderen viralen Infektionen (SARS-CoV, MERS-CoV, Ebolavirus) hat unterschiedli- che Ergebnisse gezeigt, die Wirksamkeit von Rekonvaleszenten-Plasma wird in der Literatur daher kritisch und divergent dis- kutiert. Mehrere deutsche Krankenhäuser haben die behördliche Zulassung zur Her- stellung von therapeutischem Plasma zur COVID-19-Behandlung erhalten. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit des Plas- mas und der großen Patientenzahl wur- den primär schwer Erkrankte behandelt. Erste Erfahrungen aus China zeigen, dass die Behandlung mit Rekonvaleszenten- Plasma den Krankheitsverlauf mildern und verkürzen könnte. Die Evidenz ist bis- her aber nicht ausreichend. Ein Einsatz im individuellen Heilversuch kann bei kritisch kranken Patienten erwogen werden. Inter- national wurde eine Vielzahl von Studien mit Rekonvaleszenten-Plasma initiiert, ei- nige sind sogar schon abgeschlossen. Einer Kölner Arbeitsgruppe ist es in Zusammenarbeit mit anderen Wissen- schaftlern gelungen, hochpotente neut- ralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-2 zu isolieren. 18 Diese Antikörper werden ak- tuell zusammen mit der Firma Boehringer weiter charakterisiert und entwickelt und sollen nach Möglichkeit noch in diesem Jahr im Rahmen von klinischen Studien untersucht werden. Solche Antikörperprä- parate könnten zur passiven Immunisie- rung bei Gesunden oder zur Therapie von COVID-19 eingesetzt werden. Auch ein Einsatz in der Postexpositionsprophylaxe wäre denkbar.
Wirkstoffe, deren Gabe aufgrund ihres Wirkungsmechanismus in einer frühen Phase der Infektion sinnvoll ist, könnten evtl. auch zur Prä- und Postexpositions- prophylaxe eingesetzt werden. In der Post- expositionsprophylaxe könnten auch An- tikörperpräparate zum Einsatz kommen. Daten zur Wirksamkeit liegen bisher nicht vor. Verschiedene klinische Studien, z. B. zu Remdesivir und Favipiravir sind ange- laufen. Eine Einnahme wird vom STAKOB aktuell weder für Kontaktpersonen noch für medizinisches Personal empfohlen. 1 Gijs Versteeg, Was ist ein Coronavirus? https:// www.maxperutzlabs.ac.at/vcdi-dt/covid- 19-fragen-und-antworten, abgerufen am 12.8.2020 2 Pressemitteilung des Dt. Primatenzentrums am 5.3.2020. Die Vermehrung von SARS-Coro- navirus-2 imMenschen verhindern. Abb. von Markus Hoffmann https://www.dpz.eu/de/ startseite/einzelansicht/news/die-vermehrung- von-sars-coronavirus-2-im-menschen-verhin- dern.html, abgerufen am 12.8.2020 3 T. Feldt et al. Wann könnte die Einleitung einer antiviralen Therapie gerechtfertigt werden? RKI, Stand 27.7.2020, doi 10.25646/6962.2, abgerufen am 25.8.2020, https://www.rki.de/ DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/ COVRIIN_Dok/Zeitpunkt-antivirale-Therapie. pdf?__blob=publicationFile 4 COVID-19: Virologen hoffen auf gute Wirkung von Remdesivir, 28.2.2020, www.aerzteblatt. de, abgerufen am 31.7.2020 5 Mulangu S et al. A Randomized, Controlled Trial of Ebola Virus Disease Therapeutics. N Engl J Med 2019 Dec 12;381(24):2293-2303. 6 Feldt T et al. Erfahrungen im Umgang mit REFERENZEN & LITERATUR
KURZZUSAMMENFASSUNG (STAND: 19.8.2020) Am Anfang der Pandemie wurden von vielen Medizinern viele potentiell wirksa- me Medikamente außerhalb von Studien und häufig auch gleichzeitig gegeben. Aus diesen „Versuchen“ konnten keinerlei valide Erkenntnisse zur Wirksamkeit oder Schädlichkeit der Substanzen gewonnen werden. Einige klinische Studien wur- den inzwischen ausgewertet und liefern erste Erkenntnisse zur Wirksamkeit oder auch Unwirksamkeit. Unter den antiviralen Arzneimitteln gibt es bislang (Stand 19.8.2020) nur für Remdesivir eine hinreichende Datengrundlage für die Anwen- dung bei COVID-19. Alle anderen antiviralen Arzneimittel sollten nach Ansicht der Bundesoberbehörden und der STAKOB nur im Rahmen von klinischen Studien ein- gesetzt werden. Unter den Arzneistoffen, die nicht direkt antiviral wirken, gibt es valide Hinweise, dass niedrig-dosiertes Dexamethason die Mortalität bei schweren Verläufen im späteren Krankheitsverlauf senken könnte.
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DÖRTE SCHRÖDER-DUMKE
Topische Glucocorticoide in der Dermatologie
Zu den sehr häufig in der Dermatolo- gie eingesetzten Substanzen zählen die topischen Glucocorticoide. Ihre Einsatzgebiete umfassen neben der Heilung und Linderung vieler ent- zündlicher und allergischer Haut- und Ekzemerkrankungen (u. a. atopische Dermatitis, Kontaktekzeme), auch Psoriasis, Autoimmunerkrankungen der Haut, physikalisch bedingte Er- krankungen, Erkrankungen der Mundschleimhaut und Analekzeme. In Deutschland wird Triamcinolona- cetonid am häufigsten als lokales Glucocorticoid bei Hauterkrankungen eingesetzt. Mit der chemischen Syn- these des Hydrocortisons, das dem physiologischen Cortisol entspricht und die Ausgangssubstanz für der- matologisch verwendete Glucocorti- coide bildet, begann auch der lokale Einsatz dieser Substanzen in der Der- matologie. Ausgangssubstanz ist das physiologisch vorkommende Glucocorticoid Cortisol. Es gehört zusammen mit dem Mineralocor- ticoid Aldosteron zur Gruppe der Corticos- teroide. Der Bildungsort für Cortisol ist die Zona fasciculata und für Aldosteron die Zona glomerulosa der Nebennierenrinde. Ihre Synthese unterliegt einem Regelkreis- lauf: Im Hypothalamus erfolgt die Bildung von Corticotropin-Releasing Hormon (CRH), das im Hypophysenvorderlappen Wirkungen von Glucocorticoiden · Hemmung von Entzündungen (antiphlogistisch) · Minderung allergischer Symptome (antialler- gisch) · Stillen von Juckreiz (antipruriginös) · Unterdrückung des Immunsystems (immunsup- pressiv) · Unterdrückung der Gewebeneubildung (antiproliferativ) · Zusammenziehen von Gefäßen (vasokonstrikto- risch) Bildungsort und Wirkweise TABELLE 1: Wirkungen von Glucocor- ticoiden.
Dörte Schröder-Dumke (Wedel) ist Apothekerin in der öf- fentlichen Apotheke, Referentin für verschiedene Apothe- kerkammern und hat neun Jahre lang den Qualitätszirkel der Apothekerkammer Hamburg Arzneimittel in Schwan- gerschaft und Stillzeit moderiert.
Dörte Schröder-Dumke
beispielsweise in der Behandlung von Nar- ben oder Hautverdickungen aus. Auch die vasokonstriktorische Eigenschaft der Glu- cocorticoide ist für die Dermatologie von Bedeutung: Durch das Zusammenziehen der Hautgefäße verschwinden Bläschen und Wasseransammlungen. Die Wirkun- gen der Glucocorticoide sind in Tabelle 1 zusammen gefasst. UmdieseWirkungen zu verstärken, hat man das Hydrocortisonmolekül modifi- ziert, gleichzeitig sollte die mineralocorti- coide Wirkung möglichst zurückgedrängt werden. So führt z. B. die Halogenierung in den Positionen C6, C9, C21 zu einer Verstärkung des antiinflammatorischen Effekts, allerdings gleichzeitig auch zu ei- nem hohen mineralocorticoiden Effekt. Letzterer kann durch eineMethylierung an C16 wieder aufgehoben werden. Beispiele hierfür sind Triamcinolon, Dexamethason oder Betamethason. Die alleinige Haloge- nierung (bevorzugt Fluoridierung) an C9 und C21 führt zu einer Wirkungsverstär- kung durch eine erhöhte Rezeptoraffini- tät, ebenso eine Doppelbindung zwischen C1 und C2. Halogenierte Glucocorticoide haben jedoch neben einem starken anti- phlogistischen Effekt auch eine starke an- tiproliferative Wirkung. Veresterungen in den Positionen C17 und C21 haben eine stärkere Lipophile der Substanz zur Folge, die alleinige Vereste- rung in C17 erhöht die Rezeptoraffinität und damit die Wirksamkeit. Die freien Alkohole sind nicht dermal wirksam. Dies zeigt sich z. B. besonders deutlich am Beispiel Betamethason: Der
zur Sekretion des Adrenocorticotropes Hormon (ACTH) führt. Durch ACTH wird die Synthese der Steroide stimuliert. Glu- cocorticoide wirken entweder über den Glucocorticoidrezeptor (GR) durch Hem- mung oder Induktion der Transkription sowie durch nicht genomische Effekte. Aldosteron wirkt ausschließlich über den Mineralocorticoidrezeptor. Cortisol kann beide Rezeptoren besetzen. Hierdurch haben Glucocorticoide Einflüsse auf den Kohlenhydrat- Protein- und Lipidstoff- wechsel, auf das Nervensystem und Blut- bild sowie Skelettmuskel und Knochen; die Aktivierung des Mineralocorticoidre- zeptors führt zur Natriumretention und zur Kaliumausscheidung. In der Dermatologie werden Gluco- corticoide vor allem aufgrund ihrer an- tinflammatorischen, antiallergischen und immunsuppressiven Wirkung geschätzt und eingesetzt. Dieser Effekt kommt durch die Hemmung von Transkriptions- faktoren zustande, die die Wirkung von verschiedenen Entzündungsfaktoren wie z. B. Interleukinen, Zytokinen und Tumor- nekrosefaktoren unterbinden. Durch Ihre Wirkung auf GranulozytenundMastzellen vermindern sie die Histaminausschüttung und wirken antiallergisch und Juckreiz stil- lend. Gleichzeitig senken sie an der betrof- fenen Stelle die Hauttemperatur, was den Effekt des verminderten Juckreizes noch verstärkt. Eine zusätzlich für die Dermato- logie wichtige Wirkung ist die Hemmung der Kollagen- und Glykosaminoglykansyn- these und damit die Unterdrückung der Hautneubildung. Diesen Effekt nutzt man
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GLUCOCORTICOIDE IN DER DERMATOLOGIE
ausüben. Auch größere Moleküle (> 500 D) können in diesen Fällen die Hornzell- schicht leicht passieren, was bei einer in- takten Hornzellschicht nicht der Fall ist. Glucocorticoide haben ein Molekularge- wicht umdie 500 D. Sie bilden in der Horn- zellschicht ein Depot, aus dem dann der Wirkstoff über einen längeren Zeitraum in die Epidermis abgegeben wird. Die De- potbildung ist jedoch umso schwieriger, je erkrankter und beschädigter die Haut ist. Dann ist eine Depotbildung kaum oder gar nicht möglich. Das Absorptionsverhalten lokaler Gluco- corticoide wird durch den Penetrations- index charakterisiert. Dieser beträgt bei- spielsweise für Hydrocortison im Skrotum 40 und am Arm 1. An empfindlichen Kör- perregionen, wie z. B. Augenregion, Hals oder in Bereichen, wo Hautflächen anei- nanderstoßen, sollten potente Glucocor- ticoide gemieden werden. In besonders Absorption von Glucocorticoiden
unempfindlichen Bereichen, wie bei dichter und dicker Hornzellschicht, sind oft potentere Glucocorticoide, teilwei- se unter Okklusionsbedingungen, für den Behandlungseffekt notwendig. Eine Okklusion verstärkt die Wirkung lokaler Glucocorticoide. Die relative Rezeptaffinität (RRA) spielt ebenfalls eine Rolle für die therapeutische Wirksamkeit. Sie beschreibt die Verfüg- barkeit der Substanz an den Glucocorti- coidrezeptoren, die sich vor allem in der oberen Dermis befinden. Definitionsge- mäß wird die relative Rezeptoraffinität von Dexamethason mit 100 festgelegt. Für Mometasonfuroat liegt z.B. die Rezep- toraffinität bei 2244. Relative Rezeptoraffinität
Alkohol (Betamethason) ist bei topischer Anwendung kaum wirksam. Es kommt als Lösung zur systemischen Anwendung bei Insektenstichallergien zum Einsatz. Beta- methason-21-valerat ist ebenfalls kaum dermal wirksam, hingegen zeigen Beta- methason-17-valerat und Betametha- son-17-21-propionat (oder-dipropionat) annähernd gleich gute antientzündliche Wirkung auf der Haut. Hydrocortison und Hydrocortisonacetat sowie Prednisolon und Prednisolonacetat bilden eine Aus- nahme, hier sind sowohl die freien Alko- hole als auch die Ester auf der Haut gleich pharmakologisch wirksam. Die Acetate sind jedoch oxidationsstabiler. Welche Faktoren für die Wirksamkeit von in der Dermatologie topisch einge- setzter Glucocorticoide von Bedeutung sind, zeigt Tabelle 2. Auch patientenindividuelle Faktoren, wie Hautdicke, Hautdurchblutung, Hydra- tationszustand der Haut, Rezeptordichte und Art der Dermatose sind wichtig. Glucocorticoide sind lipophile Substanzen. Die Lipophilie des Glucocorticoids ist für die Penetration der Hornschicht entschei- dend. Ist das Glucocorticoid besonders lipophil, penetriert es schnell in die Horn- zellschicht. Dies ist die Voraussetzung für dieWirksamkeit. Die Hornzellschicht (Stra- tum corneum) stellt die oberste Schicht der Epidermis dar, sie ist zwischen 4 und 30 μm stark und besonders ausgeprägt an Handflächen und Fußsohlen. Sie dient als Grenzfläche zur Umwelt und dem Schutz der Haut. Ist sie beschädigt, wie beispiels- weise beim atopischen Ekzem oder bei bestimmten Patientengruppen, wie z. B. bei Säuglingen, besonders dünn, kann das Glucocorticoid sehr schnell diese Barriere überwinden und systemische Wirkungen TABELLE 2: Faktoren, die für die Wirk- samkeit von topisch eingesetzten Gluco- corticoiden maßgeblich sind. Faktoren für die Wirksamkeit · Lipophilie · Absorptionsverhalten des Glucocorticoids · relative Rezeptoraffinität · Pharmakologische Wirksamkeit (Klassen- einteilung) · Grundlage, in der das Glucocorticoid verarbeitet wird Lipophilie
Glucocorticoide – Klassen
Lokale Glucocorticoide werden hinsicht- lich ihrer antientzündlichen und auch
TABELLE 3: Klassifizierung der Glucocorticoide Wirkstoff Handelsname
Therapeutische Konzentration
Klasse 1 schwach wirksam
Hydrocortison
z. B. Hydrogalen® z. B. Linola HN®
0,25 – 1 % 0,1 - 0,5 %
Prednisolon
Dexamethason
z. B. Dexamethason Creme LAW® z. B. in Kombinationsprodukten wie Fucidine H® Klasse 2 mittelstark wirksam
0,01 - 0,05 %, max. 0,1 %
Hydrocortisonacetat
0,25 - 1 %
Clobetasonbutyrat
z. B. Emovate®
0,05 %
Triamcinolonacetonid Betamethasonvalerat Hydrocortisonbutyrat Hydrocortisonbuteprat
z. B. Volon®, Volonimat®
0,25 - 0,1 %, max. 0,2 %
z. B. Soderm® z. B. Alfason®
0,05 %, max. 0,1 %
0,1 % 0,1 %
z. B. Neuroderm® z. B. Dermatop® z. B. Advantan® z. B. Locacorten®
Prednicarbat
0,25 %
Methylprednisolonaceponat
0,1 %
Flumetasonpivalat
0,02 %
Klasse 3 stark wirksam
Betamethasonvalerat
z. B. Betnesol® z. B. Diprosone®
0,05 %, max. 0,15 % 0,05 %, max. 0,15 %
Betamethasondipropionat
Mometasonfuroat
z. B. Ecural®
0,1 % 0,1 % 0,1 %
Amcinoid
z. B. Amciderm® z. B. Nerisona®
Diflucortolon-21-valerat Fluocinolonacetonid Fluticasonpropionat
z. B. Jellin®
0,025 % 0,05 % 0,05 %
z. B. Flutivate® z. B. Topsym®
Fluocinoid
Klasse 4 sehr stark wirksam
Clobetasol
z. B. Karison®, Dermoxin®
obere Richtkonzentration ist 0,05%!
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