Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 3/2015 (November 2015)

Arzneimittel als Neuroenhancement

einmalig verabreicht (135 Studien). Aus- sagen über die Neuroenhancement-Wir- kung erlauben aber nur die Studien mit wiederholter Einnahme (75 Studien). Zwar zeigte sich mit zunehmender Dauer der Einnahme eine Tendenz zu positiver Wirkung auf die Stimmung, jedoch war insgesamt kein allgemeiner Effekt auf Ge- dächtnis, Aufmerksamkeit oder exekutive Funktionen nachweisbar. 13 Betablocker gehören zu den am häu- figsten verschriebenen Arzneimitteln, denn ihr therapeutischer Einsatzbereich ist sehr breit. Gesunde wollen im Sinne des Neuroenhancements mit ihrer Ein- nahme Stress, Nervosität und Lampenfie- ber abbauen. Tatsächlich erleben sie eine Verminderung von Angstsymptome wie Herzklopfen oder Zittern, und die Aufre- gung nimmt ab. Eine anschauliche Aufbereitung des vor- handenen validen Datenmaterials zum pharmakologischen Neuroenhancement wurde im Jahr 2010 von Franke und Lieb im Bundesgesundheitsblatt bekannt ge- macht (s. Tab. 3). Während Kaffee und andere Koffein- haltige Getränke den Genußmitteln zu- zurechnen sind, sind Koffeintabletten mit 200 mg Wirkstoff in Deutschland zur kurzfristigen Beseitigung von Ermü- dungserscheinungen und bis zu einer Ta- geshöchstdosis von 400 mg täglich nur in der Apotheke erhältlich (Coffeinum ® ). In randomisierten kontrollierten Studien wurden die Vigilanz und Aufmerksamkeit bei gesunden Probanden besser als unter Placebo gesteigert, und zwar nach Dosie- rungen von 50-600 mg Koffein einmalig Betablocker Datenlage zum Soft-Enhancement • Koffein

oder über 6 Tage. Nur nach Schlafentzug konnten bessere Effekte auf Gedächtnis- leistungen als für Placebo nachgewiesen werden. Nach der Datenlage rufen Me- thylphenidat, Modafinil und Ampheta- mine bei Gesunden keine stärkeren Ef- fekte hervor als Koffein. 19 Einer der bekanntesten Energy Drinks, Red Bull, wurde in zahlreichen randomi- sierten kontrollierten Studien untersucht. Er enthält 80 mg Koffein und weitere Be- standteile wie 1.000 mg Taurin, 5,25 g Glu- kose, 21,5 g Saccharose, 600 mg Glucu- ronolakton und Aromastoffe. Insgesamt zeigten sich ähnliche Effekte auf kogni- tive Domänen wie bei Koffein: Müdigkeit wird leicht reduziert, Vigilanz und Auf- merksamkeit werden deutlich gesteigert, die Reaktionszeit verringert, und einzel- ne Gedächtnisleistungen minimal verbes- sert. 19 Ginkgo-Zubereitungen sind unter ande- rem auch zur Behandlung des sogenann- ten „demenziellen Syndroms“ zugelassen (Abb. 2). Nach einer Cochrane-Metaanaly- se und einer neueren systematischen Lite- raturstudie aus den Jahren 2009 und 2010 ist dies jedoch offenbar wissenschaftlich nicht ausreichend belegt. 19,20 Bei einma- liger oder längerfristiger Applikation von Ginkgo biloba konnten weder Effekte auf die Reaktionszeit und Stimmung noch konsistente Auswirkungen auf Vigilanz, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und die sub- jektive Selbsteinschätzung nachgewiesen werden. 19 Ein ganz neuer Review aus dem Jahr 2015 stellt jedoch fest, dass die Ein- nahme von 240mg Ginkgo biloba täglich bei einer schwachen kognitivem Beein- trächtigung und Demenz zu einer Stabili- sierung oder einer verlangsamten Progre- dienz von nachlassenden kognitiven Leis- • Energy Drinks • Ginkgo

tungen und Verhaltensstörungen führt. 21

Bedeutung des Soft-Enhancements

Um das Ausmaß des „Soft-Enhance- ments“ mit nicht-rezeptpflichtigen Mit- teln (Tab. 4) abzuschätzen, wurden für den DAK-Gesundheitsreport 2015 neben der Erwerbstätigenbefragung auch Daten zum Absatz dieser Mittel aus Apotheken- verkäufen analysiert. Hiernach werden diese nur in sehr gerin- gem Umfang von Erwerbstätigen zur Lei- stungssteigerung oder Stimmungsverbes- serung eingesetzt. Gemessen am Anteil am Absatz in Packungen im Jahr 2013 ste- hen Präparate mit Ginkgo biloba-Extrakt mit Abstand auf Rang 1 der verkauften Mittel (knapp 65 %). Am zweihäufigsten wurden Präparate mit Koffein und Melis- se gekauft. Sie machen jeweils einen An- teil von rund 12 % des Gesamtabsatzes aus. Eine noch geringere Rolle innerhalb der OTC-Präparate für Neuroenhance- ment soll nach der Erhebung des DAK-Ge- sundheitsreports den Ginseng-Produkten (4,4 %), Guaraná (2,8 %) und Rosenwurz (Rhodiola rosea) (2,3 %) zukommen. Auf Johanniskraut entfällt mit 0,1 % der ge- ringste Anteil, allerdings vermuten die Autoren hier, dass die Nutzer eher auf freiverkäuflichen Präparate aus Droge- riemärkten oder höher dosierte rezept- pflichtige Antidepressiva setzen. Der DAK-Gesundheitsreport zieht aus die- sen Zahlen die Schlussfolgerung, dass der Gebrauch nicht-verschreibungspflichtiger Mittel zur Leistungssteigerung und zur Verbesserung des psychischen Wohlbefin- dens unter den befragten Erwerbstätigen kein weit verbreitetes Phänomen ist. 1

Was kann ich ab morgen umsetzen/wo- rauf kann ich ab morgen achten?

• Bei der Abgabe von Präparaten mit

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