Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 3/2015 (November 2015)

Arzneimittel als Neuroenhancement

der bestimmte Fähigkeiten durch teilwei- se extreme Schlafdefizite erheblich einge- schränkt waren oder die Probanden über ein vergleichsweise weniger leistungsfä- higes Arbeitsgedächtnis verfügten bzw. geringere IQ-Werte hatten. Umgekehrt führte der Konsum von Psychostimulan- tien bei Probanden mit hohen IQ-Wer- ten oder mit sehr gutem Arbeitsgedächt- nis eher zu Leistungsverschlechterungen.

zen und zwar nicht nur als „Cognitive En- hancer“, sondern wegen seiner eupho- risierenden Wirkung auch als sogenann- te ,,Freizeitdroge“. Einen Einblick in die Missbrauchs-/Abhängigkeitssituation in Deutschland liefert eine Abfrage einer Pharmakovigilanz-Datenbank (Beobach- tungsintervall: 1993 bis 2012). Von 1.190 Berichten über unerwünschte Wirkungen mit Bezug zu Methylphenidat wurden 23 als Missbrauchsfälle identifiziert (Durch- schnittsalter 29 Jahre; 78 % männlich). Die Autoren vermuten, dass dies vor- nehmlich zum pharmakologischen Neu- roenhancement geschah. 16 Bei oraler Ga- be, vor allem in Form von Kapseln oder Tabletten mit retardierter Wirkstofffrei- setzung, ist dieses allerdings kaum zu er- warten. Repantis analysierte in seinem Systematic Review 46 Studien überwie- gend mit oralem Methylphenidat in ge- ringer Dosierung. Es zeigten sich weder ein signifikanter Effekt auf die Stimmung noch Hinweise auf eine Verbesserung der Konzentration oder der exekutiven Funk- tionen, allerdings ein schwacher positiver Effekt auf die Gedächtnisleistung. 13 Eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2014 kommt demgegenüber zu dem Ergeb- nis, dass die kognitionsfördernden Eigen- schaften auch bei gesunden Probanden, für keine andere Substanzklasse so gut belegt sind wie für D-Amphetamin und Methylphenidat. Im Hinblick auf die ge- netische Heterogenität eines Probanden- kollektivs könnten die Wirkungen im Ein- zelfall ganz erheblich sein, im Mittel seien sie jedoch nur moderat gegenüber Plaze- bo. 17

psychotischen Episoden) und kardiovas- kulären Nebenwirkungen (Hypertonie, Herzrhythmusstörungen) ist es seit 2012 nur noch gegen Narkolepsie zugelas- sen, weil hier der Nutzen das Risiko über- wiegt. In den Review von Repantis aus dem Jahr 2011 flossen 45 Studien mit Modafinil ein, davon ein Großteil (28) an Gesunden nach Schlafentzug. Bei kurzem Schlafent- zug gab es nach einer einmaligen Einnah- me einen positiven Effekt auf Wachheit, Gedächtnis und exekutive Funktionen. Bei längerem Schlafentzug mit mehrma- liger Einnahme von Modafinil blieb die Wachheit erhalten. Für die Aufmerksam- keit und exekutive Funktionen galt dies jedoch nicht. Bei Probanden, die nicht nach Schlafentzug untersucht wurden, waren die Ergebnisse inkonsistent, jedoch scheint Modafinil in diesem Fall nur ge- ringe Effekte zu haben. 13 Eine neuere systematische Übersichtsar- beit bewertete die Ergebnisse von 24 Stu- dien aus dem Zeitraum zwischen 1990 und 2014 mit insgesamt 750 Teilnehmern, in denen Modafinil an Gesunden gegen Placebo getestet worden war. Das Fazit: Je komplexer die Aufgabe, die den Pro- banden gestellt worden war, desto deut- licher wirkte Modafinil. Es verbesserte die Entscheidungsfähigkeit und das stra- tegische Denken. Bei besonders konzen- trierten oder intelligenten Personen half es allerdings sehr viel weniger. Außer- dem werden offenbar nicht alle kogni- tiven Leistungen gleichermaßen geför- dert. Es steigerte vor allem die Fähigkeit für logische Schlussfolgerungen zur Lö- sung eines Problems (konvergentes Den- ken), nicht aber die Fähigkeit für flexible Lösungen (divergentes Denken). 18

Psychostimulantien

Die „prominestesten“ zum pharmakolo- gischen Neuroenhancement eingesetzten Vertreter dieser Gruppe sind das ADHS- Medikament Methylphenidat und das „atypische Stimulans“ Modafinil.

• Methylphenidat

Methylphenidat, anfänglich in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts sogar rezeptfrei erhältlich, fällt seit 1971 un- ter das Betäubungsmittelgesetz. Im Juli 2011 wurde die Zulassung für die Thera- pie der Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperak- tivitätsstörung bei Kindern und Jugend- lichen auch auf Erwachsene ausgedehnt. Nach dem Barmer GEK Arztreport 2013 mit dem Schwerpunktthema ADHS haben die ADHS-Diagnoseraten zwischen 2006 bis 2011 um insgesamt fast die Hälfte zu- genommen. In den am stärksten betrof- fenen Gruppen im Alter von etwa 10 bis 11 Jahren finden sich auch die höchsten Methylphenidat-Verordnungsraten. 14 Das Verordnungsvolumen von Methyl- phenidat ist nach dem Arzneiverord- nungsreport 2015 in früheren Jahren stets angestiegen, aber seit 2008 weitge- hend stabil und hat in 2014 etwas abge- nommen. 15 Laut epidemiologischen Studien gehört Methylphenidat zu den am häufigsten missbräuchlich verwendeten Substan-

• Modafinil

Modafinil ist in Deutschland seit 1998 auf dem Markt. Infolge einer Empfeh- lung der Europäischen Arzneimittelagen- tur aufgrund von psychiatrischen Neben- wirkungen (Suizidgedanken, Depression,

Antidementiva und Nootropika

Die Antidementiva, auch als Nootropika

26 Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 2/2011 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe – l de Apothek kammer Westfalen-Lippe

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