Fortbildung aktuell - Das Journal Nr. 3/2015 (November 2015)

Dr. Helga Blasius

Verwendung von Arzneimitteln zum Neuroenhancement

Nicht über- aber auch nicht unterschätzen

Wer heute in unserem hektischen Ar- beitsleben mithalten will, muss flexi- bel, stets verfügbar und belastbar sein und zudem über ein gutes soziales An- passungsvermögen verfügen. Das schaf- fen aber längst nicht alle. Unerfreuliche Folgen der Überforderung sind „Burn- out“ und „Mobbing“, und das nicht nur im Berufsleben sondern auch schon bei Schülern und Studierenden. Immer mehr Menschen greifen aus diesen Gründen zu Medikamenten, um den Stress bes- ser bewältigen zu können, um „besser drauf“ zu sein oder um die geistige Leis- tungsfähigkeit anzukurbeln. Die Mit- tel aus verschiedenen Substanzgruppen werden von überwiegend Gesunden oh- ne therapeutische Indikation eingenom- men. Arzneimittelrechtlich betrachtet ist das als Off-label use beziehungsweise Missbrauch zu interpretieren. Apotheker haben hier eine erhebliche Verantwor- tung in der Beratung. Da heißt es Augen und Ohren auf bei der Abgabe und auch mal nachfragen.

gnitive Enhancement mit der Veröffentli- chung der Ergebnisse einer Studie im Auf- trag des Wissenschaftsmagazins „Nature“ aus dem Jahr 2008. Von 1.400 zum Thema „Hirndoping“ befragten Lesern aus 60 Ländern hatte rund ein Fünftel schon ein- mal ohne medizinische Gründe Medika- mente zur Steigerung von Konzentration und Gedächtnisleistung eingenommen, davon 62 %Methylphenidat, 44 %Moda- finil und 15 % Betablocker. 4 Nach neue- ren Publikationen scheint das Problem in den USA erheblich verbreiteter zu sein als in Europa. In Deutschland ist die Datenlage zum Neuroenhancement relativ dürftig. Im Jahr 2009 widmete sich der Gesundheits- report 2009 der Deutschen Angestell- ten-Krankenkasse (DAK) erstmals dem Schwerpunkt-Thema „Doping am Ar- beitsplatz“. Im Rahmen einer repräsenta- tiven, online-gestützten Bevölkerungsbe- fragung waren im Jahr 2008 3.000 aktiv Erwerbstätige im Alter zwischen 20 und 50 Jahren zur pharmakologischen Kom- pensation von Stressbelastungen am Ar- beitsplatz ohne medizinisch triftige Grün- de befragt worden. Der Fokus lag hierbei auf verschreibungspflichtigen Psychosti- mulantien (Methylphenidat, Modafinil), Mitteln gegen Demenz (z. B. Donepezil), Antidepressiva und Betablockern. 17 % der Befragten (10 % der Männer, mehr als 25 % der Frauen) gaben damals an, schon einmal Arzneimittel zu dem genannten Zweck eingenommen zu haben. Nicht als Doping wurde dies allerdings eingestuft, wenn die Arzneimittel über ein ärztliches Rezept oder ohne Rezept abseits der ge- regelten Abgabe von Arzneimitteln be- zogen worden waren oder wenn es sich DAK-Gesundheitsreport 2009 und 2015

Hirndoping nicht dasselbe. Sowohl in der Literatur als auch im allgemeinen Sprach- gebrauch werden die Definitionen aber nicht immer einheitlich verwendet. Dr. Helga Blasius (Remagen) ist Apothe- kerin mit der Weiterbildung als Apothe- kerin für Arzneimittelinformation und Diplom-Übersetzerin für Japanisch und Koreanisch. Seit 1991 ist sie freiberuflich in den Bereichen Fachjournalismus, wis- senschaftliche und regulatorische Bera- tung und Übersetzungen tätig.

Definitionen

Wichtige Definitionen in diesem Zusam- menhang sind Tabelle 1 zu entnehmen. Demnach sind Neuroenhancement und

Im Wesentlichen losgetreten wurde die internationale Diskussion über das ko-

Tabelle 1: Wichtige Definitionen 1,2,3

Neuroenhancement (NE)

ist jeder Versuch, die kognitive Leistung zu steigern, das psy- chische Wohlbefinden zu verbessern oder Ängste und Nervo- sität abzubauen. Dazu gehören z. B. Meditation, Alltagsstimu- lantien, wie Tee oder Kaffee, illegale Drogen, wie Kokain und verschreibungspflichtige Medikamente, die nicht indikations- gemäß zur Leistungssteigerung eingesetzt werden. Einnahme verschreibungspflichtiger Medikamente zum NE Einnahme von verschreibungspflichtigen Medikamenten oder illegalen Drogen zum NE NE mit nicht-rezeptpflichtigen Arzneimitteln (z. B. Ginkgo Biloba, Johanniskraut, Koffeintabletten) und Nicht-Arznei- mitteln, wie etwa Nahrungsergänzungsmitteln.

Pharmakologisches Neuroenhancement (pNE)

„Hirndoping“

Soft-Enhancement

23 Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 1/2014 der Apothekerkammer Westfalen-Lippe Fortbildung aktuell – D s Journal der Apoth kerkammer Westfalen-Lippe 23

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