Fortbildung aktuell – Das Journal Nr. 2/2021
Animated publication
[Da s Jou r na l ]
02 · 2021
Über die Effektive Suche in PubMed, COVID-19-Impfstoffe und Hypertonie
Seite 4 Effektive Suche in PubMed Seite 10 Covid-19-Impfstoffe Seite 16 Hypertonie
Die neue ADGKAi – mehr als eine Kasse
INTELLIGENTER. INNOVATIVER. INFORMATIVER. INTUITIVER. INTEGRIERTER. INSPIRIERENDER.
Sichern Sie sich Ihren Informations- vorsprung unter www.adg.de/adgkai
www.adg.de
EDITORIAL
Editorial
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor Ihnen liegt die diesjährige erste Ausgabe unseres Fortbildungsjour- nals, die mit insgesamt drei Beiträgen erneut ein sehr breites Themen- spektrumabdeckt. Damit bietenwir Ihnen gerade in Zeiten der andauern- den Corona-Pandemie und dadurch abgesagten Präsenzveranstaltungen die Möglichkeit, sich weiterhin fortzubilden und durch erfolgreich absol- vierte Lernerfolgskontrollen Fortbildungspunkte zu sammeln. Dr. Susanne Meseke erklärt in Ihrem Aufsatz, wie man Informationen findet, wennmanmit seinem Latein am Ende ist, sich imweitenWeb kei- ne Antwort findet und auch Dr. Google nicht zum Ziel führt. Dann bleibt oft nur eine Suche nach Primär- und Sekundärliteratur in Literaturdaten- banken, wie Medline oder Embase. Ihr Artikel zeigt praxisnah, wie jeder einfach und effektiv mit Hilfe von PubMed in der Datenbank Medline suchen kann. Dr. Helga Blasius liefert einen Überblick über den Stand des Wissens zu demPortfolio an Corona-Impfstoffen und gibt einen Ausblick auf neue Vakzine, die vielleicht bald dazukommen. Da sich in diesem Bereich der- zeit viel ändert und sowohl Wissenschaft als auch die pharmazeutische Industrie ständig neue Zahlen und Fakten liefern, sei darauf hingewiesen, dass sich nach Redaktionsschluss Ende Juni noch einige Änderungen er- geben haben dürften. Matthias Bauer geht in seinem Beitrag auf ein Thema ein, das täglich in jeder Apotheke Deutschlands von Relevanz ist: Hypertonie. Der Blut- druck und die Einordnung der Werte thematisiert Bauer ebenso wie die Einflussfaktoren auf denBlutdruck und Therapieoptionenbei Hypertonie. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen, Lernen und Punkten!
Gabriele Regina Overwiening Präsidentin der Apotheker- kammer Westfalen-Lippe
Frank Dieckerhoff Vizepräsident der Apotheker- kammer Westfalen-Lippe
Impressum
„Fortbildung aktuell“ der Apothekerkammer West- falen-Lippe erscheint zweimal jährlich als „Fortbil- dung aktuell – Themen & Termine“ und zweimal pro Jahr als „Fortbildung aktuell – Das Journal“ Herausgeber: Apothekerkammer Westfalen-Lippe Bismarckallee 25 · 48151 Münster Tel.: 0251 520050 · Fax: 0251 52005-69 E-Mail: info@akwl.de · Internet: www.akwl.de
Mit freundlichen, kollegialen Grüßen
Redaktion/Grafiken: Dr. Sylvia Prinz
Layout: Sebastian Sokolowski
Gabriele Regina Overwiening
Frank Dieckerhoff
Autoren dieser Ausgabe: Dr. Susanne Meseke, Dr. Helga Blasius, Matthias Bauer
Titelfoto: ©BioNTech
Der Bezugspreis für „Fortbildung aktuell – The- men & Termine“ und „Fortbildung aktuell – Das Journal“ ist für die Mitglieder der Apothekerkammer Westfalen-Lippe im Kammerbeitrag enthalten.
Auflage: 7.400 Exemplare
Nachdruck – auch in Auszügen – nur mit schriftli- cher Genehmigung des Herausgebers. Gedruckt auf Papier aus 100 Prozent recycelten Fasern. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier.
AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 3
EFFEKTIVE SUCHE IN PUBMED
„Wer suchet, der findet“ Die effektive Suche in PubMed
Gelegentlich ist man mit seinem La- tein am Ende, im weiten Web findet sich keine Antwort, Dr. Google führt nicht zum Ziel. Dann bleibt oft nur eine Suche nach Primär- und Sekun- därliteratur in Literaturdatenbanken, wie Medline oder Embase. Aus Angst vor zu großem Zeitaufwand, zu kom- plexer Suchstrategie oder davor, nicht die richtigen oder viel zu viele Artikel zu finden, wird häufig nur un- gern in diesen gesucht. Dieser Artikel soll zeigen, wie jeder einfach und ef- fektiv mit Hilfe von PubMed in der Datenbank Medline suchen kann. Im Alltag wird es bei der Beantwortung medizinischer Fragestellungen in der Re- gel nicht auf eine möglichst vollständige Literaturrecherche ankommen, wie sie im Rahmen von Dissertationen oder bei der Erstellung systematischer Reviews oder Leitlinien notwendig ist. Vielmehr möch- te man schnell zuverlässige und aktuelle Quellen in möglichst übersichtlicher An- zahl finden. In diesem Fall sollte man be- vorzugt auf Quellen mit zusammenge- fasster Evidenz, wie z. B. systematische Reviews und Metaanalysen zurückgreifen. Nur wenn man dort keine ausreichen- de Antwort auf die eigene Fragestellung findet, ist es nötig, wirklich nach Primär- literatur (also nach publizierten Einzelstu- dien) zu suchen, diese zu sichten und ggf. zu bewerten. Neben der Suche in Litera- turdatenbanken gibt es einige sehr gute Internetseiten, die zusammengefasste Evidenz anschaulich aufbereiten.
Dr. Susanne Meseke (Münster) ist Fachapothekerin für Arzneimittelinformation und Klinische Pharmazie und arbeitet in der Abteilung Arzneimittelinformation und Medikationsmanagement der Apothekerkammer Westfa- len-Lippe. Sie ist Antibiotic-Stewardship-Expertin und Mit- glied im Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V.
Dr. Susanne Meseke
Häufig werden Medline und PubMed syn- onym benutzt. Das ist genau genommen nicht ganz korrekt. PubMed ist vielmehr eine Benutzeroberfläche, mit der man unter anderem in der medizinischen Da- tenbank Medline suchen kann. Medline ist eine der größten und wichtigsten Da- tenbanken für biomedizinische und ge- sundheitsbezogene Publikationen und stellt den größten Teil der in PubMed in- dexierten Artikel. Neben Medline umfasst PubMed aber auch noch andere Quellen, wie z. B. einige Bücher oder auch Artikel einiger Open-Access-Zeitschriften, die nicht für Medline indexiert wurden, 3 da- rüber hinaus sehr alte Artikel („the old PubMed“) und Artikel aus Zeitschriften medizinischer Randgebiete, beispielswei- se der Luft- und Raumfahrtmedizin oder der Medizingeschichte. Außerdem verlinkt PubMed auf Protein- und Gendatenban- ken sowie auf Patienteninformationen im Internet (Medline Plus). PubMed ist also deutlich mehr als nur Medline. PubMed wurde vom National Center for Biotechnology Information (NCBI) an der US-amerikanischen National Library of Medicine (NLM) entwickelt und wird von der NLM fortlaufend gepflegt. Im Frühjahr 2020 wurde die Benutzeroberfläche von PubMed komplett überarbeitet. PubMed indexiert zurzeit 5.264 Zeit- schriften und enthält aktuell mehr als 32 Millionen Zitate und Abstracts (Stand März 2021), allerdings keine Volltexte. 2 Volltexte sind jedoch teilweise verlinkt. Neben PubMed gibt es noch einige andere Literaturdatenbanken. Sie unter-
scheiden sich im Wesentlichen in der Art ihrer indexierten Zeitschriften, in der Suchstrategie oder im Schlagwortkata- log. Beispielsweise indexiert die Daten- bank Embase des Anbieters Elsevier ne- ben Medline-Artikeln zusätzlich mehr als 2.900 Zeitschriften, die es nur in Embase gibt. 5 Der Schwerpunkt liegt dabei auf Europa sowie Pharmazie, Arzneimittelfor- schung, Pharmkakologie und Toxikologie. Wie viele andere Datenbanken ist Embase im Gegensatz zu PubMed kostenpflichtig. Eine wichtige Quelle für systematische Übersichtsarbeiten und evidenzbasier- te Artikel ist die Cochrane Library (www. cochranelibrary.com). Sie umfasst meh- rere Datenbanken, unter anderem die Cochrane Database of Systematic Reviews und das Cochrane Central Register of Con- trolled Trials, 6 in dem neben randomisiert, kontrollierten Studien (RCT) aus Medline und Embase auch einige sonst schwer auffindbare Studien enthalten sind, die bei der Erstellung von Cochrane-Reviews im Zuge der Handsuche in nationalen Zeitschriften gefunden wurden. Darüber hinaus kann über die Cochrane Library in der Datenbank Epistemonikos gesucht werden, eine der größten Datenbanken für systematische Übersichtsarbeiten. FREI ZUGÄNGLICHE VOLLTEXTE Oftmals findet man frei zugängliche Volltexte, wenn man die in PubMed gefundene Textstelle in Google Scho- lar (www.scholar.google.de) sucht.
Was ist PubMed?
PubMed ist eine frei zugängliche, kostenlo- se Literaturdatenbank (www.pubmed.gov).
INTERNETSEITEN MIT EVIDENZBASIERTER INFORMATION • www.cochranelibrary.com • www.medizin-transparent.de • www.klartext-nahrungsergaen- zung.de • https://wissenwaswirkt.org/
4 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
DR. SUSANNE MESEKE
1. In das Thema einlesen
entzündlichen Darmerkrankung zu einer (schnelleren/besseren) Steigerung des Hämoglobin-Wertes im Vergleich zur The- rapie mit oralen Eisen(II)-Präparaten?
Aufgrund der unterschiedlich indexierten Zeitschriften und Quellen ist es also sinn- voll für eine vollständige und breite Suche, wie sie beispielsweise für systematische Reviews oder Metaanalysen durchgeführt wird, immer in mehreren Datenbanken zu suchen. Für einfache Fragestellungen im Alltag reicht die Suche in PubMed in der Regel vollkommen aus. Im Folgenden soll anhand einer Fra- gestellung aus der täglichen Praxis die schrittweise Suche in PubMed erläutert werden. Die beschriebene Vorgehens- weise ist nur eine Möglichkeit von vielen. Suche ist immer ein Prozess, der auch Versuch und Irrtum zulässt und eine An- passung der Suchstrategie erlaubt! Die Suche orientiert sich immer an den vor- handenen Ressourcen (Zeit, Erfahrung des Suchenden, Zugang zu verschiedenen Datenbanken) und am Ziel der Suche. Sie kann mit dem Ziel der Vollständigkeit sehr breit angelegt sein, aber auch mit dem Ziel, wenige relevante Artikel von hoher Evidenz in kurzer Zeit zu finden, sehr viel enger gefasst werden. Angestoßen durch die Aussagen in ei- nem (firmengesponserten) Supplement einer medizinischen Fachzeitschrift soll folgende Fragestellung recherchiert wer- den: „Wie ist die Gabe von oralen Eisen(III)- Präparaten zur Therapie der Eisenman- gelanämie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zu beurteilen?“ STRUKTURIERTE LITERATUR- SUCHE IN 4 SCHRITTEN: 1. orientierendes Einlesen ins Thema 2. Fragestellung festlegen (PICO-Schema) 3. Schlagwortsuche 4. Textwortsuche Fertig! GRATIS COCHRANE-REVIEWS Zumindest ein Teil der in Embase in- dexierten Artikel, nämlich die rando- misiert kontrollierten Studien, kön- nen über die Cochrane Library gesucht werden. Alle Cochrane-Reviews, die älter als ein Jahr sind, sind in der Cochrane Library kostenlos im Voll- text zugänglich.
Sofern einem das Thema der Fragestel- lung nicht bereits vertraut ist, sollte man sich zunächst einen thematischen Über- blick verschaffen. Hierbei darf durchaus auch „gegoogelt“ werden – immer mit kritischem Blick auf die Qualität der erziel- ten Treffer. In den verschiedenen pharma- zeutischen Zeitschriften findet man oft gut recherchierte Übersichtsartikel und auch ein Blick in Lehrbücher oder Leitli- nien kann nützlich sein. Im Gegensatz zur Suche in Literaturdatenbanken ist die Suche in Suchmaschinen allerdings nicht transparent, d. h. suchen zwei Personen unabhängig voneinander in einer Suchma- schine wie beispielsweise Google, können sie auch bei Verwendung der identischen Suchbegriffe durchaus unterschiedliche Treffer erhalten. Die Treffer sind beein- flusst von nicht transparenten Faktoren wie der Suchhistorie, Cookies oder der Be- liebtheit von Websites. Suchen zwei Per- sonen hingegen unabhängig voneinander mit denselben Suchbegriffen in PubMed werden sie am selben Tag zur selben Uhr- zeit dasselbe Suchergebnis erhalten. Auch wenn es ein Umweg zu sein scheint: Bevor man sucht, sollte man sich die Zeit nehmen die Fragestellung festzulegen. Dabei kann das so genannte PICO-Schema helfen. Mit PICO bringt man die Frage in eine „suchbare Form“. PICO steht für: P Patient (Population, Erkrankung) I Intervention (Behandlung) C Comparison (Vergleichsgruppe) O Outcome (Endpunkt, Ergebnis) Oder mit anderen Worten: Führt die [In- tervention = I] bei Patienten mit der [Er- krankung, ggf. Stadium/Schweregrad/ Komorbidität = P] zu erhöhtem/vermin- dertem [Endpunkt/Ergebnis/Outcome = O] im Vergleich zur [Kontrollbehandlung = C]. 1 Unsere Beispielfrage „Wie ist die Gabe von oralen Eisen(III)-Präparaten zur Thera- pie der Eisenmangelanämie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zu be- urteilen?“ könnte im PICO-Schema lauten: Führt die Gabe von oralen Eisen (III)-Präparaten bei Patienten mit Eisen- mangelanämie infolge einer chronisch 2. Fagestellung festlegen: Das PICO-Schema
P: Eisenmangelanämie, chronisch entzündliche Darmerkrankung I: Eisen(III)-Präparat, oral C: Eisen(II)-Präparat oral O: Anstieg des Hämoglobin-Werts
Die Beispielfrage ist schon relativ prä- zise formuliert und lässt sich einfach in ein PICO-Schema übertragen. Im Alltag begegnen einem eher Fragen wie „Ich vertrage das Eisenpräparat nicht. Gibt es da nichts Besseres?“ oder „Da gibt es ein neues Eisenpräparat. Hilft das?“. Es ist da- her immer sinnvoll die „Frage hinter der Frage“ zunächst genauer zu hinterfragen. Nicht immer lassen sich alle Punkte des PICO-Schemas festlegen. Eine Suche kann auch mit einzelnen Punkten des Schemas gestartet werden. Oder eine Fragestellung umfasst mehrere Endpunk- te, Vergleichsgruppen oder Erkrankun- gen – dann sollte man mehrere Fragestel- lungen formulieren. Insbesondere wenn man bei der Wahl der Suchbegriffe unsicher ist, empfiehlt sich zunächst eine Suche über den Schlagwort- katalog. Die Verschlagwortung minimiert die sprachliche Varianz, d. h. relevante Artikel werden bei einer Suche über den Schlagwortkatalog auch dann gefunden, wenn ein anderer Begriff mit derselben Bedeutung in der Überschrift, im Abstract oder imText verwendet wird. Schlagworte heißen in PubMed „Medical Subjects Hea- dings“ (MeSH terms). Die Schlagworte und der hierarchisch angelegte Schlagwortka- talog werden von der NLM festgelegt und die Artikel entsprechend verschlagwortet. MeSH-Begriffe sind von den unter den Ar- tikeln häufig angegebenen „Keywords“ zu unterscheiden. Diese werden von den Au- toren festgelegt, können frei gewählt wer- den und sind nicht an den MeSH-Katalog gebunden. Die „Keywords“ können aber zum Beispiel Ideen für Suchbegriffe in der Freitextsuche liefern. Kennt man den passenden MeSH- Begriff nicht, kann man diesen zunächst in der „MeSH Database“ suchen, die man 3. Die Schlagwortsuche
AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 5
EFFEKTIVE SUCHE IN PUBMED
ABBILDUNG 1: Aufruf des Schlagwortkatalogs (MeSH Database) über die Startseite der Homepage www.pubmed.gov.
über die Startseite (www.pubmed.gov) im Menü „Explore“ aufruft (s. Abb. 1). In unserem Beispiel liegt es nahe in der MeSH-Datenbank z. B. nach iron zu su- chen. Tatsächlich gibt es für diesen Such- begriff einen MeSH-Begriff. Allerdings zeigt die Beschreibung des Schlagworts, dass der MeSH-Begriff iron für das Ele- ment Eisen verwendet wird und nicht der passende Begriff für orale Eisenpräparate ist. Unter dem MeSH-Begriff iron findet man weiter unten andere, besser passen- de Suchbegriffe, z. B. Ferric Compounds oder Ferrous Compounds , deren MeSH- Eintrag man sich direkt über den verlink- ten Begriff aufrufen kann (s. Abb. 2). Aus der Beschreibung des MeSH-Be- griffs ferric compounds (Abb. 2, ① ) geht hervor, dass es sich bei diesem MeSH-Be- griff um Eisen(III)-Verbindungen handelt. Der MeSH-Begriff wurde erstmalig 1975 eingeführt ② , vor 1975 wurden Eisen- verbindungen unter dem Schlagwort Iron verschlagwortet ③ . Durch die Verwen- dung von „Subheadings“ (Untertitel) ④ kann die Suche eingegrenzt werden, sie fokussieren die Suche auf ein bestimmtes Themengebiet (z. B. die therapeutische Anwendung oder Nebenwirkungen). In unserem Beispiel interessiert uns insbe- sondere die therapeutische Anwendung. Über die Schaltfläche „Add to search builder“ ⑤ wird der ausgewählte Begriff samt Subheading in den „PubMed Search Builder“ übernommen ⑥ . Mit „Search PubMed“ ⑦ wird mit diesem Schlagwort (und ggf. seinem Subheading) in PubMed gesucht. Achtung: Falls mit einem Sub- heading gesucht wird, der Artikel aber ohne oder mit einem anderen Subheading indexiert ist, können mit dieser Suchstra- tegie evtl. Artikel übersehen werden. Möchte man umfassend suchen, ist es nützlich, sich das Einführungsdatum des MeSH-Begriffs anzugucken. Mit dem Schlagwort ferric compounds findet man alle Artikel, die nach 1975 publiziert wur- den. Thematisch ähnliche Artikel, die vor 1975 in die Datenbank aufgenommen wurden, erfasst eine MeSH-Suche mit dem Begriff ferric compounds meistens nicht, da diese Artikel in der Regel nicht nachträglich verschlagwortet werden. Um diese Artikel zu finden, könnte man über das zuvor benutzte Schlagwort iron suchen oder eine ergänzende Freitext- suche durchführen. Sind, wie in unserem Beispiel, zwei Zahlen angegeben, ist das
ABBILDUNG 2: Suche des Begriffs ferric compounds im PubMed-Schlagwortkatalog (MeSH Database).
ABBILDUNG 3: Hierarchisch aufgebau- ter Stammbaum des Schlagworts Ferric Compounds .
ältere Datum (in Klammern) das Einfüh- rungsjahr. Das zweite angegebene Da- tum (hier 1987) ist für die Suche weniger wichtig. Es zeigt, wann eine Änderung am MeSH-Begriff vorgenommen wurde (z. B. eine Änderung der hierarchischen Ebe- ne). Diese Änderungen beeinflussen die Suchergebnisse im Allgemeinen nicht. Ist kein Einführungsjahr angegeben, sucht man bei Verwendung des MeSH-Begriffs automatisch im gesamten Datensatz von Medline seit dessen Beginn 1964. PubMed ordnet Suchbegriffen in der Freitextsuche (dazu mehr unter Punkt 3.) oftmals automatisch die richtigen MeSH- Begriffe zu. Dies geschieht über die so ge- nannten „Entry Terms“ (s. Abb. 2, ⑧ ). Ent- ry Terms sind dem Schlagwort verwandte Begriffe, sozusagen Eingangsworte, die zumMeSH-Begriff hinführen. Entry Terms sind keine MeSH-Begriffe. In unserem Bei- spiel ist nur ein Entry Term zugeordnet,
meist ist die Auflistung der Entry Terms deutlich umfangreicher. Der Schlagwortkatalog ist hierarchisch aufgebaut und ähnelt einem Stamm- baum (s. Abb. 3). Man findet den hierar- chischen Stammbaum des gewählten Begriffs unterhalb der Subheadings. In unserem Beispiel könnte man die Suche durch Verwendung des Oberbegriffs Iron Compounds erweitern oder auch mit dem
6 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
DR. SUSANNE MESEKE
ABBILDUNG 4: Freitextsuche einfacher Suchbegriffe in PubMed.
Unterbegriff Ferric Oxide , Saccharated weiter spezifizieren (s. Abb. 3). Der Schlag- wortkatalog hat keine Mono-Hierarchie, d. h. ein MeSH-Begriff kann durchaus zu mehreren Stammbäumen gehören. Er kann sozusagenmehrere Eltern, aber auch mehrere Kinder haben. Normalerweise werden alle im Stammbaum untergeordneten MeSH- Begriffe automatisch bei der Suche ein- geschlossen. Wählt man den Punkt „Do not include MeSH terms found below this term in the MeSH hierarchy” (s. Abb. 2, ⑨ ), wird dies ausgeschlossen, die Tref- feranzahl verringert sich. Mit „Restrict to the MeSHMajor Topic“ (s. Abb. 2, ⑩ ) kann die Suche auf besonders relevante Treffer begrenzt werden. Ein Artikel ist norma- lerweise mit mehreren MeSH-Begriffen verschlagwortet, manche beschreiben den Hauptaspekt des Artikels, diese wer- den Major topics genannt und sind in der Auflistung der MeSH-Begriffe unterhalb eines Abstracts mit einem kleinen Stern gekennzeichnet. Für seltene oder sehr neue Suchbe- griffe gibt es häufig noch keinen MeSH- Begriff. Die Aktualisierung des Schlag- wortkatalogs erfolgt in der Regel einmal pro Jahr. Ein aktuelles Beispiel sind die MeSH-Begriffe für SARS-CoV-2, COVID-19 oder COVID-19 Vaccines. Alle Artikel zu diesem Thema waren zunächst nicht verschlagwortet. Entsprechende Schlag- worte wurden aber aufgrund der pande- mischen Lage ausnahmsweise unterjährig eingeführt. Auch sehr neue Artikel findet man über die Schlagwortsuche normalerweise nicht, da sie meist noch nicht von der NLM verschlagwortet wurden. Daher empfiehlt es sich, bei sehr aktuellen Themen immer eine Schlagwortsuche mit einer Freitext- suche zu kombinieren!
durchgeführt werden. Diese ist eine gute Ergänzung zur Schlagwortsuche, um auch sehr neue oder nicht verschlagwortete Artikel zu finden. Sie kann aber auch un- abhängig davon als schnelle orientierende Suche durchgeführt werden. Mit Hilfsmit- teln wie dem sogenannten „automatic term mapping“ oder der voreingestellten Sortierung nach „best match“ können auch ohne fundierte Datenbankkenntnis- se einige relevante Artikel schnell gefun- den werden. Das „automatic termmapping“ PubMed arbeitet bei einfachen Freitext- suchen „behind the scenes“. Es formu- liert mit Hilfe komplizierter Algorithmen eine einfache Suchanfrage automatisch in die Sprache der Datenbank um. Dieser Vorgang wird als „automatic term map- ping“ bezeichnet (s. Abb. 4). Ein einfacher Einstieg in die Suche unserer Beispielfra- ge könnten beispielsweise die Suchbe- griffe oral iron und anaemia sein – erste grobe Übersetzungen des PICO-Schemas. Die Übersetzung der Freitextsuche fin- det man in der Detailsuche über das Feld „Advanced“ unterhalb des Suchfeldes. Es öffnet sich ein neues Fenster, in dem alle durchgeführten Suchanfragen gezeigt werden. Über das Aufblättern der „De- tails“ kann man sich dort die von PubMed umformulierte Suche ansehen. PubMed berücksichtigt automatisch alternative Schreibweisen (amerikanisches und briti- sches Englisch, Singular und Plural), die Be- griffe werden mit Boolesche Operatoren sinnvoll verknüpft, Klammern legen die Reihenfolge der Verknüpfungen fest und auch im Schlagwortkatalog (MeSH) wird gesucht. Im Beispiel sind die Begriffe einfach gewählt und es ergibt sich eine sin- nige Übersetzung in die Suchsprache der Datenbank. Schwieriger wird es bei
AUTOMATIC TERM MAPPING Anführungszeichen, Trunkierungen und Field tags setzen das „automatic termmapping“ außer Kraft! Testen Sie: Geben Sie in das Suchfeld „ferric compounds“ bzw. ferric compounds ein und schauen Sie sich die Überset- zung durch Aufblättern der „Details“ in der „Advanced“-Suche an. Sortierung nach „Best match“ Die Suchergebnisse werden seit der Er- neuerung von PubMed automatisch nach „Best match“ sortiert. Die Sortierreihen- folge Best match basiert auf einem Algo- rithmus, der jedes gefundene PubMed-Zi- tat analysiert. Die gefundenen Zitate bzw. Artikel werden gewichtet, je nachdem, wie viele Suchbegriffe in einem Artikel gefunden werden und in welchen Feldern sie gefunden werden. Kürzlich veröffent- lichte Artikel erhalten ebenfalls ein etwas höheres Gewicht. Diese gewichteten Arti- kel werden dann mit einem weiteren Al- gorithmus nach Relevanz sortiert. So kann komplizierteren Suchen oder aus meh- reren Wörtern zusammengesetzten Suchbegriffen. Der Begriff iron deficiency anemia würde zwar als Phrase gesucht, aber auch automatisch in seine Einzel- komponenten zerlegt und gesucht. Das ist nicht immer schlecht, vergrößert aber manchmal die Treffermenge erheblich. Das „automatic term mapping“ kann also eine nützliche Funktion – gerade am An- fang einer Suche – sein, liefert aber nicht immer die besten bzw. oft weniger präzise Ergebnisse. Die ersten Suchbegriffe müs- sen nicht immer perfekt sein, sie können im Verlauf der Suche immer noch weiter präzisiert und verbessert werden. Tipps zur Optimierung der Suchbegriffe werden im Folgenden erläutert.
4. Die Freitext-Suche
Nebeneiner Schlagwortsuchekann inPub- Med auch sehr einfach eine Freitextsuche
SUCHEN VERKNÜPFEN Es empfiehlt sich, die PICO-Punkte zu- nächst einzeln in der MeSH-Daten- bank zu suchen und später die Einzel- ergebnisse in der erweiterten Suche („advanced search“) mit Booleschen Operatoren sinnvoll zu verknüpfen.
AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 7
EFFEKTIVE SUCHE IN PUBMED
es allerdings sein, dass einige Artikel, ob- wohl sie sehr neu sind, trotzdem nicht di- rekt weit oben in der Ergebnisliste stehen. Ist man nur an den neuesten Artikeln interessiert, sollte man die Sortierung unter dem Feld „Display options“ nach „Publication date“ sortieren. Die Artikel werden dann nach ihrem Publikationsda- tum – beginnend mit den zuletzt erschie- nenen – sortiert. „Most recent“ sortiert nach dem Datum, an dem der Artikel in PubMed aufgenommen wurde. Suchbegriffe optimieren Hat man mit der Schlagwortsuche oder auch mit einer ersten orientierenden Frei- textsuche einige passende Artikel gefun- den, kann man auf der Scuhergebnisseite durch Klicken auf die Überschriften die Abstracts öffnen. Im Titel und imAbstract kann man nach weiteren, besser passen- den Suchbegriffen suchen. Diese sollte man sich in einer Wortliste notieren. Sc- rollt man weiter nach unten, findet man zwei weitere nützliche Optionen. Unter „Similar articles“ findet man Artikel, die zu dem gefundenen Artikel thematisch verwandt sind. Diese werden durch den Vergleich von Wörtern aus dem Titel, dem Abstract und den MeSH-Begriffen mit Hilfe eines wortgewichteten Algorithmus generiert. Unter „Cited by“ findet man Artikel, die den gefundenen Artikel zitie- ren. Über dieses Schneeballprinzip kann man leicht einige andere passende Artikel finden. Am Ende der Seite findet man au- ßerdem die für den Artikel festgelegten DEUTSCHEN BEGRIFF EINGEBEN Manchmal hilft es, einen deutschen Begriff oder auch ein Handelspräparat in das Suchfeld einzugeben. In Pub- Med sind auch einige deutsche Artikel indexiert und verschlagwortet. Über diese findet man im Schneeballsys- tem auch passende englischsprachige Artikel, anhand deren Titel oder Ver- schlagwortung man dann die richti- gen Suchbegriffe formulieren kann. Im Beispiel ergibt die Suche des deut- schen Begriffs „Eisenmangelanämie“ oder des Handelspräparates „Ferac- cru®“ einige deutsche und englisch- sprachige Artikel, über die neue Such- begriffe definiert werden können. 5. Tipps und Tricks
Schlagworte, mit denen man die eigene Schlagwortsuche verbessern kann. Nützli- che Suchbegriffe für unsere Suche wären beispielsweise die MeSH-Begriffe Ferric Compounds / therapeutic use, Ferric Com- pounds/aministration & usage, Anemia iron-deficiency/drug therapy . Für die Frei- textsuche könnten z. B. die Begriffe ferric maltol, ferric compounds, ferrous fuma- rate, ferrous sulfate, oral iron, iron maltol, ferric trimaltol, iron deficiency anemia ver- wendet werden. Boolesche Operatoren Mit Hilfe der so genannten Booleschen Operatoren „AND“, „OR“ und „NOT“ kön- nen Suchbegriffe verknüpft werden. Das Suchergebnis kann so auf einfache Weise begrenzt oder erweitert werden. Abbil- dung 5 zeigt den Einfluss der Booleschen Operatoren auf die Treffermenge. „AND“ bedeutet, dass im Suchergeb- nis (z. B. Titel, Abstract oder im gesamten Artikel) der Suchbegriff A UND der Such- begriff B enthalten seinmüssen. Das heißt anders als man zunächst denkt, grenzt der Boolesche Operator „UND“ die Suche ein. „UND“ ist eine gute Verknüpfung, um die gefundenen Treffer zu minimieren. „OR“ bedeutet, dass im Suchergeb- nis entweder der Suchbegriff A oder der Suchbegriff B oder beide enthalten sein müssen. „OR“ vergrößert die Treffermen- ge erheblich. Eine Suche mit OR verwen- det man, um beispielsweise verschiedene Wortsynonyme oder Schreibweisen eines Begriffs zu verknüpfen. In unserem Bei- spiel aus dem PICO-Schema könnte das z. B. „anaemia OR anemia“ sein. „NOT“ schließt einen Suchbegriff aus. „A NOT B“ bedeutet, dass im Suchergeb- nis der Suchbegriff A enthalten sein muss, aber der Suchbegriff B nicht vorkommen darf. NOT schränkt die Treffermenge ein. Aber Vorsicht: „A NOT B“ hat eine andere Bedeutung und numerisch und inhaltlich andere Treffer als „B NOT A“.
Werden mehrere Boolsche Operato- ren verwendet, werden die verknüpften Suchbegriffe durch Klammern zu Einhei- ten verknüpft – ähnlich wie in der Mathe- matik. Werden keine Klammern gesetzt, liest PubMed die Verknüpfungen von links nach rechts. Zusammengesetzte Wör- ter müssen in Anführungsstriche gesetzt werden (z. B. „iron deficiency anemia“), da sie sonst als einzelne Begriffe gesucht und mit AND verknüpft werden. Dies kann durchaus ganz andere Suchergebnisse ergeben. Aber Achtung: durch die sinn- volle Verwendung von Anführungszei- chen bei zusammengesetzten Begriffen, wird das „automatic term mapping“ von PubMed ausgeschaltet und die eingege- benen Suchbegriffe müssen selbst durch Boolesche Operatoren sinnvoll verbunden werden! Die Trunkierung PubMed sucht Begriffe so wie sie in der Freitextsuche eingegeben wurden. Die Trunkierung eines Wortes durch Anfügen eines Sternchens* ermöglicht es, einen Wortstamm mit all seinen Endungen zu suchen. Eine Trunkierung am Wortanfang oder in der Wortmitte ist bei PubMed nicht möglich. Zusammengesetzte Begrif- fe können nur am letzten Wort trunkiert werden. In der neuen Version von PubMed könnenWörter nur noch nachmindestens vier Buchstaben trunkiert werden. Wörter mit weniger als vier Buchstaben müssen mit verschiedenen Endungen manuell ge- sucht und durch OR verknüpft werden. Suchfeldbeschränkungen – „Field tags“ Eine weitere Möglichkeit, die Suche zu verfeinern oder zu spezifizieren, ist die Angabe von Suchfeldern, den so genann- ten „Field tags“. 4 Diese gibt man in eckigen Klammern hinter dem Suchbegriff ein. Ta- belle 1 zeigt eine Auswahl häufig verwen- deter Feldbegriffe.
ABBILDUNG 5: Die Booleschen Operatoren „OR“, „AND“ und „NOT“ und ihr Einfluss auf die Treffermenge einer Suche.
8 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
DR. SUSANNE MESEKE
Ein Beispiel: Sie suchen einen Artikel ei- nes Autors namens Peter Forest, der 1982 erschienen ist. Würden Sie „Forest“ in das Suchfeld eingeben, würde PubMed auto- matisch in allen Feldern suchen, d. h. es würden viele Treffer angezeigt, die sich in irgendeiner Weise mit „Forest“ beschäfti- gen. Die Artikel des Autors „Forest“ würde man je nach Trefferzahl kaum auffinden können. Hier bietet es sich an, folgenden Text in das Suchfeld einzugeben: Forest P [au] AND 1982 [dp]. So ist der Artikel schnell gefunden. Vornamen werden bei PubMed in Großbuchstaben hinter den Nachnamen gestellt. Die Verwendung von Filtern Neben der Optimierung der Suchbegriffe kann man eine zu große Zahl von Tref- fern auch mit Hilfe verschiedener Fil- ter eingrenzen. Auf der linken Seite der Suchergebnis-Seite kann man z. B. das Publikationsdatum eingrenzen oder nach systematischen Reviews und/oder Me- taanalysen filtern. Durch Filtern verliert man möglicherweise den ein oder ande- ren interessanten Artikel. Geschickt gefil- tert findet man aber in kurzer Zeit Artikel hoher Evidenz in einer überschaubaren Zahl, die häufig die Fragestellung schon ausreichend beantworten. TABELLE 6: Häufig verwendete Feld- begriffe. Feldbeschreibung Zu verwendende Abkürzung All Fields [all] Author [au] Journal [ta] Mesh Terms [mh] Publication Date [dp] Text Word [tw] Title [ti] Title and Abstract [tiab]
Das Baukastenprinzip in der Detailsuche Bei komplexen Suchen empfiehlt es sich sowohl in der Schlagwortsuche als auch in der Freitextsuche zunächst die einzel- nen Begriffe zu suchen. Über das Feld „advanced“ unterhalb des Suchfeldes (s. Abb. 4) kann man die Detailsuche aufru- fen (s. Abb. 6). Über die drei Punkte in der Spalte „Ac- tions“ (s. Abb. 6, ① ) kann ein Suchergebnis dem Suchfeld hinzugefügt werden. Wei- tere können mit den Verknüpfungen AND, OR, NOT ergänzt werden. So setzt sich eine sinnvolle Suche zusammen (s. Abb. 6, ② ), die dann in PubMed gesucht wird (s. Abb. 6, ③ ). Analog kann man auch bei der Freitextsuche vorgehen.
REFERENZEN & LITERATUR 1 AWMF online: AWMF-Regelwerk Leitlinien: Formulierung von klinisch relevanten Fragestel- lungen, Priorisierung von Endpunkten, https:// www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk/ll- entwicklung/awmf-regelwerk-01-planung-und- organisation/po-formulierung-fragestellungen. html 2 NLM Catalog https://www.ncbi.nlm.nih.gov/nl mcatalog?term=currentlyindexed%5BAll%5D 3 National Library of Medicine: MEDLINE, Pub- Med, and PMC (PubMed Central): How are they different?, https://www.nlm.nih.gov/bsd/diffe- rence.html 4 PubMed User Guide, FAQs, https://pubmed.ncbi. nlm.nih.gov/help/#search-tags 5 Elsevier, Embase: https://www.elsevier.com/ de-de/solutions/embase-biomedical-research 6 The Cochrane Library: About the Cochrane Lib- rary, https://www.cochranelibrary.com/about/ about-cochrane-library
ABBILDUNG 6: Die Booleschen Operatoren „OR“, „AND“ und „NOT“ und ihr Einfluss auf die Treffermenge einer Suche.
ZUSAMMENFASSUNG Die Suche von Literatur ist immer ein Weg, der auch Umwege erlaubt und Anpassungen der Suchstrategie zulässt. PubMed un- terstüzt im Hintergrund mit vielen Funktionen, die eine sinnvolle Suche auch ohne Expertenwissen möglich machen. Die Suche über den Schlagwortkatalog (MeSH) ggf. in Kombination mit geeigneten Filtern (z. B. Begrenzung auf systematische Reviews und Metaanalysen) ist dabei eine empfehlenswerte und effektive Herangehensweise. Um darüber hinaus auch sehr neue, noch nicht verschlagwortete Artikel zu finden, kann sich eine Freitextsuche anschließen. Auf diese Art und Weise lassen sich mit ein wenig Übung Artikel guter Evidenz in überschaubarer Zahl in der Regel schnell finden.
AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 9
COVID-19- IMPFSTOFFE
COVID-19-Impfstoffe und ihr Einsatz Massenbetrieb mit vielen Unbekannten
Aktuell sind in der Europäischen Uni- on und damit auch in Deutschland vier COVID-19-Impfstoffe zugelassen. Zwei davon, Comirnaty® von BioN- Tech/Pfizer und Moderna basieren auf der sogenannten mRNA-Techno- logie. Die Vakzine von AstraZeneca (Vaxzevria®) und eine weitere von Johnson & Johnson (Janssen) sind Vektor-Impfstoffe. Dieser Artikel lie- fert einen Überblick über den Stand des Wissens zu dem Portfolio an Co- rona-Impfstoffen und einen Ausblick auf neue Vakzine, die vielleicht bald dazukommen. Derzeit arbeiten Forscher in aller Welt nach Angaben der WHO an fast 300 COVID-19-Impfstoffkandidaten. 105 be- finden sich bereits in der klinischen Er- probung. Um den Zulassungsprozess in der Europäischen Union zu beschleuni- gen, können die Studienergebnisse für COVID-19-Vakzine durch den Ausschuss für Humanarzneimittel (HMPC) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) schon vor dem Einreichen eines Antrags in einem fortlaufenden Verfahren (Rolling Review) bewertet werden. Damit wer- den die formalen Bewertungszeiträume deutlich verkürzt. Selbst wenn noch nicht alle Daten vollständig vorliegen, können sie außerdem über eine „bedingte Zulas- sung“ (Conditional Marketing Authorisati- on) schneller verfügbar gemacht werden. In solchen Fällenmüssen die Hersteller die fehlenden Daten und Studienergebnisse innerhalb klarer Fristen nachreichen. Alle bisher in der EU zugelassenen Corona- Impfstoffe (s. Tab. 1) haben ein Rolling-Re- view-Verfahren durchlaufen und alle sind bis dato nur auf der Basis einer bedingten Zulassung in Verkehr. Die Impfstoffe basieren auf dem Grundprinzip, dem menschlichen Immun- system Teile des neuartigen Coronavirus (Severe Acute Respiratory Syndrome-Co- ronavirus-2, SARS-CoV-2) als Antigene zu präsentieren, um damit eine Immunität gegenüber dem Erreger zu erzeugen. 1 Die Bildungsort und Wirkweise
Dr. Helga Blasius (Remagen) ist Apothekerin mit der Wei- terbildung als Apothekerin für Arzneimittelinformation und Diplom-Übersetzerin für Japanisch und Koreanisch. Seit 1991 ist sie freiberuflich in den Bereichen Fachjourna- lismus, wissenschaftliche und regulatorische Beratung und Übersetzungen tätig.
Dr. Helga Blasius
Kandidaten nutzen dabei drei Hauptent- wicklungslinien: mRNA-Impfstoffe, Impf-
stoffe mit Vektorviren und Totimpfstoffe mit Virusproteinen (s. Abb. 1).
TABELLE 1: Übersicht über die in der EU zugelassenen COVID-19-Impfstoffe
Comirnaty® (BioNTech/ Pfizer)
Spikevax® COVID-19 Vacci- ne Moderna
Vaxzevria® COVID-19 Vaccine AstraZeneca
COVID-19 Vacci- ne Janssen ®
Name des Wirkstoffs
BNT162b2
mRNA-1273
AZD1222
Ad26.COV2-S (JNJ-78436735) Vektor-basiert Ad26, nicht replizierend
Impfstofftyp mRNA LPN
mRNA LPN
Vektor-basiert ChAdOx1, nicht replizierend
Empfohlene Altersgruppe Anzahl der Impfungen und Abstand*
ab 12
ab 18
ab 18 (EMA) ab 60 (STIKO)
ab 18
1
2 3 Wochen (EMA) 6 Wochen (STIKO)
2 4 Wochen (EMA) 6 Wochen (STIKO) 94,5 % bzgl. der Verhinderung von COVID-19 100 % bzgl. Verhin- derung von schwe- rem COVID-19 14 Tage nach der 2. Dosis Phase-III-Studie (NCT04470427) mit 30.000 Teilneh- mern 7 Monate bei -25 bis -15 °C Nach dem Auftau- en: ungeöffnete Fläschchen bis zu 30 Tage bei 2-8 °C oder 12 Stunden bei 8-25 °C. Nach dem Öffnen max. 6 Stunden bei 2-25 °C.
2 4 bis 12 Wochen (EMA) 9 bis 12 Wochen (STIKO) 59,5 % (EMA) bzw. 70 % (STIKO) bzgl. der Verhinderung von COVID-19
Wirksamkeit** 95 % bzgl. der
67 % bzgl. der Verhinderung von COVID-19 76,7 % bzgl. der Verhinderung von schwerem COVID-19 14 Tage nach der 2. Dosis Phase-III-Studie (NCT04505722, ENSEMBLE) mit 60.000 Teilnehmern 2 Jahre bei -25 °C bis -15 °C 20 °C
Verhinderung von COVID-19
Wann gemessen?
7 Tage nach der 2. Dosis
14 Tage nach der 2. Dosis
Studien
Phase III-Studie (NCT04368728) mit 44.000 Teilnehmern 6 Monate bei -90 bis -60 °C bzw. 2 Wochen bei -25 bis -15 °C Nach dem Auftau- en: ungeöffnete Fläschchen bis zu 31 Tage bei 2-8 ° C und bis zu 2 Stunden bei bis zu 30 °C. Nach dem Verdün- nen max. 6 Stunden bei 2-30 °C.
Phase-III-Studien COV001, COV002, COV003 und COV005 6 Monate bei 2-8 °C Nach dem Öffnen: 48 Stunden bei 2-8 °C bzw. 6 Stunden bei ≤30 °C.
Lagerung und Haltbarkeit (mechanisch/ physikalisch)
Nach dem Auftauen: ungeöffnete
Fläschchen bis zu 3 Monate bei 2-8 °C Nach dem Öffnen 6 Stunden bei 2-25 °sC
EU-Zulassung 21.12. 2020
06.01.2021
29.01.2021
11.03.2021
10 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
DR. HELGA BLASIUS
ABBILDUNG 1: Wie funktionieren COVID-19-Impfstoffe?
mRNA-Impfstoffe
Johnson & Johnson, bestehen aus Träger- viren, die für den Menschen harmlos sind. Für die Immunisierung gegen SARS-CoV-2 werden die humanen Adenoviren Typen 5 (Sputnik V) und 26 (Johnson & Johnson) sowie der von Schimpansenviren abgelei- tete Vektor ChAdY25 (ChAdOx1) (Astra- Zeneca) genutzt. Sie dienen lediglich als „Genfähre", indem sie den Bauplan für das Spike-Protein von SARS-CoV-2 in die Kör- perzellen einschleusen. Nach der Herstel- lung in den Körperzellen regt dieses das Immunsystem zu einer gezielten Immun- antwort an, die den Körper danach vor COVID-19 schützen soll. Die Impfvektoren werden nach kurzer Zeit abgebaut. Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft gibt es kein Risiko, dass Adenovirus-Vek- tor-DNA in das menschliche Erbgut integ- riert wird. Ein Vorteil von vektorbasierten gegenüber mRNA-basierten Impfstoffen besteht darin, dass es für diese bereits über mehr als zwei Jahrzehnte klinische Erfahrungen gibt und dass sie sich in Stu- dien weitestgehend als sehr sicher erwie- sen haben. 2
chinesischen Herstellern zur Entwicklung von Corona-Vakzinen verwendet. Protein- basierte Impfstoffe beruhen im Wesent- lichen auf lang bewährten Technologien. Sehr viele zugelassene Impfstoffe sind so zusammengesetzt; beispielsweise solche gegen Hepatitis B oder Grippe. Für die Herstellung rekombinanter Subunit-Impf- stoffe wird die Erbinformation mit dem Bauplan für ein Virusprotein nicht in die Körperzellen, sondern in Bakterien, Hefe oder in Säugerzellen eingebracht, die das Virusprotein dann produzieren, bevor es als Antigen im Impfstoff verwendet wird. Bei manchen Subunit-Impfstoffen wird ein Wirkverstärker (Adjuvanz) zur Verstär- kung der Immunantwort hinzugesetzt. 3 Bei fast allen derzeit erprobten SARS- CoV-2 Impfstoff-Technologien wird die Vakzine in den Muskel des Patienten inji- ziert, aber auch andere Verabreichungs- wege kommen durchaus in Frage. Erprobt werden Schluckimpfungen, intranasale Impfstoffsprays und auch die Haut als Applikationsort. Die mRNA-Vakzine von BioNTech/Pfizer hat ihre Wirkung (s. Tab. 1) in der weltweit bislang größten Massenimpfkampagne in Israel auch in der Praxis bestätigt. Zusam- men mit Forschern der Bostoner Harvard University hat das israelische Clalit Re- search Institute Daten von knapp 600.000 Wie gut wirkt Comirnaty®?
Comirnaty® und Spikevax® enthalten Tei- le der Erbinformation des Virus in Form von Boten-RNA (messenger RNA). Um die Aufnahme durch einige wenige Körperzel- len zu ermöglichen, wird die mRNA mit Li- pidstoffen umhüllt. Die entstehenden so- genannten mRNA-Lipidnanopartikel (LPN) sind auch nach der intramuskulären Injek- tion stabil. Nach der Impfung nutzen die Körperzellen die Boten-RNA als Vorlage, um selbst Virusproteine zu produzieren. Das Immunsystem erkennt die neu gebil- deten Antigene als fremd und beginnt An- tikörper gegen SARS-CoV-2 zu produzieren (humorale Immunantwort). Außerdem wird eine T-Zell-Antwort (CD4, CD8) (zel- luläre Immunantwort) ausgelöst. Bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 soll der Körper auf diese Weise gegen das Virus gewapp- net sein. Die mRNA der Impfstoffe wird nach kurzer Zeit von den Zellen abgebaut. Sie wird nicht in DNA umgebaut und hat keinen Einfluss auf das menschliche Erb- gut, weder in Körper- noch in Keimbahn- zellen. mRNA-basierte Impfstoffe haben den Vorteil, dass eine große Anzahl Impf- dosen innerhalb weniger Wochen herge- stellt werden kann.
Impfstoffe mit Virusproteinen
Totimpfstoffe mit Virusproteinen enthal- ten entweder ausgewählte Virusprotei- ne, wie der COVID-19-Impfstoffkandidat NVX-CoV2373 von Novavax, oder das ganze Material inaktivierter SARS-CoV- 2-Viren. Dieses wird unter anderem von
Vektor-Impfstoffe
Vektorbasierte COVID-19-Impfstoffe, wie diejenigen von AstraZeneca und von
AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 11
COVID-19- IMPFSTOFFE
geimpften Personen ab 16 Jahren (davon etwa 170.000 über 60 Jahre alt) im Ver- gleich mit ebenso vielen nicht-Geimpften analysiert. 4 Bei Personen ab 70 Jahren und jüngeren Altersgruppen wurde eine ähnli- che Wirksamkeit wie in klinischen Studien festgestellt (94 bis 96 %). ln den letzten Wochen wurde die mR- NA-Vakzine von Biontech/Pfizer sowohl in Israel als auch in den USA mit einem erhöhten Risiko für Herzmuskelentzün- dungen in Verbindung gebracht. Auch in Deutschland gab es etliche Fallberichte. Das Phänomen wurde hauptsächlich bei jüngeren Männern im Alter von 16 bis 19 Jahren berichtet und überwiegend nach der zweiten Impfdosis. Die Erkrankungen verliefen weitaus leicht. Nach Einschät- zung des PEI deutet die Kalkulation der erwarteten Anzahl einer Myokarditis in der gesamten geimpften Kohorte (alle Altersgruppen) und der Vergleich mit der berichteten Fallzahl nicht auf ein Risikosi- gnal hin. Bei der Europäischen Arzneimit- tel-Agentur bewertet der Ausschuss für Arzneimittelsicherheit (PRAC) das Risiko in einem laufenden Verfahren. Fast genauso wirksam wie die BioNTech/ Pfizer-Vakzine ist der zweite Nukleinsäu- re-basierte Impfstoff Spikevax® des ame- rikanischen Biotechnologieunternehmens Moderna (s. Tab. 1). Nach einer Mitteilung von Mitte März 2021 ist Moderna bereits in die klinische Erprobung von COVID- 19-Impfstoffkandidaten der nächsten Ge- neration eingestiegen. Erforscht werden die Sicherheit und Immunogenität eines neuen Kandidaten namens mRNA-1283. Dieser codiert für die Teile des SARS-CoV- 2-Spike-Proteins, die für die Neutralisation kritisch sind, insbesondere die Rezeptor- bindungsdomäne (RBD) und die N-termi- nale Domäne (NTD). Außerdem soll eine Einzeldosis von mRNA-1283 mit der zu- gelassenen zwei-Dosis-Serie von mRNA- 1273 verglichen werden. mRNA-1273 von Moderna und Weiter- entwicklungen
verabreicht werden muss. Entwickelt wur- de er von Janssen Pharmaceutica NV, ei- nem Unternehmen der Pharmasparte des Konzerns Johnson & Johnson, mit Sitz im belgischen Beerse. Ebenso wie die Vakzine von AstraZeneca nutzt er ein nicht ver- mehrungsfähiges Erkältungsvirus (Ade- novirus) als „Genfähre“. Im Gegensatz zu dem Schimpansen-Adenovirus (ChAdOx1) des AstraZeneca-Impfstoffs handelt es sich jedoch um ein humanes Adenovirus (Ad26). Aktuell kursieren in der Öffentlich- keit vielfach Meinungen über „gute“ und „schlechtere“ Corona-Impfstoffe. Die STI- KO betont in ihrem Beschluss zur 7. Aktu- alisierung der COVID-19-Impfempfehlung, dass alle vier derzeit zugelassenen Impf- stoffe hinsichtlich des Individualschutzes und der Bekämpfung der Pandemie nach derzeitigem Wissen als „gleichermaßen geeignet beurteilt“ werden. 5 Ob in den nächsten Wochen in der EU noch weitere COVID-19-Impfstoffe zuge- lassen werden bleibt abzuwarten. Seit An- fang Februar läuft der Rolling Review für den Impfstoffkandidaten NVX-CoV2373 des US-amerikanischen Biotech-Unter- nehmens Novavax, seit dem 12. Februar 2021 für die mRNA-Vakzine CVnCoV des Tübinger Entwicklers CureVac, und am 4. März 2021 ist die EMA auch in die fortlau- fende Überprüfung von Sputnik V (Gam- COVID-Vac) aus dem russischen Gama- leya-Institut eingestiegen (s. Tab. 2). Der proteinbasierte Impfstoffkandidat NVX-CoV2373 enthält virusähnliche Parti- kel (Virus like Particles, VLP), die das Spike- Protein von SARS-CoV-2 präsentieren und zusammen mit einem Matrix-M1-Adju- vans auf Saponin-Basis in Nanopartikeln formuliert sind. Im Juni teilte Novavaxmit, dass sein Impfstoff in der zulassungsrele- vanten Phase-III-Studie PREVENT-19-Stu- die (NCT04611802) eine Gesamt-Wirk- samkeit von 90,4 % erzielt habe. Schweres und mittelschweres COVID-19 wurden zu 100 % verhindert. Auch gegen die Coro- navirus-Varianten und bei „Hochrisiko“- Populationen (über 65 Jahre, unter 65 Jah- ren mit bestimmten Komorbiditäten oder Drei weitere Impfstoffe im Rolling Review NVX-CoV2373
Firma AstraZeneca in die Schlagzeilen. Abweichend von der EMA ermittelte die Ständige Impfkommission (STIKO) beim RKI durch einen anderen Ansatz bei der Bewertung der Studienlage eine Wirk- samkeit von 70 statt wie die EMA knapp 60 % (s. Tab. 1). Außerdem riet die STIKO zunächst davon ab, die Vakzine auch bei den über 65-Jährigen einzusetzen, eine Empfehlung, die am4. März 2021 revidiert wurde. Am 18. März 2021 kam der Aus- schuss für Risikobewertung imBereich der Pharmakovigilanz (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) bei der EMA zu dem Ergebnis, dass der Nutzen des Impfstoffs den Risiken überwiegt. Die Bedenken betreffen eine auffällige Häu- fung einer speziellen Form von sehr sel- tenen Hirnvenenthrombosen (Sinusven- enthrombosen) in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozyto- penie) und Blutungen. Alle gemeldeten Fälle waren bis 16 Tage nach Impfung auf- getreten und wurden überwiegend bei Frauen im Alter ≤55 Jahren beobachtet. Um das Risiko zu begrenzen, wurde ein entsprechender Warnhinweis in die Fach- und Gebrauchsinformationen aufgenom- men. Die Geimpften sollten angewiesen werden, sofort einen Arzt aufzusuchen, wenn sie nach der Impfung Symptome wie Kurzatmigkeit, Brustschmerzen, Bein- schwellungen oder anhaltende Bauch- schmerzen entwickeln. Außerdem sollten Personen, die nach der Impfung neurolo- gische Symptome aufweisen (z. B. starke oder anhaltende Kopfschmerzen oder verschwommenes Sehen) oder bei denen nach einigen Tagen auf der Haut Bluter- güsse außerhalb des Verabreichungsortes der Impfung auftreten, umgehend einen Arzt aufsuchen, heißt es in dem dazuge- hörigen Rote-Hand-Brief. Am 7. April 2021 hat die EMA das positive Nutzen-Risiko- Verhältnis für Vaxzevria® über alle Alters- gruppen erneut bestätigt und es den EU- Mitgliedstaaten überlassen, wie sie den Impfstoff in ihren nationalen Impfkam- pagnen einsetzen. Die STIKO hatte am 30. März 2021 empfohlen, nur noch Personen ab 60 Jahren damit zu impfen.
Wirbel um die AstraZeneca-Vakzine
COVID-19 Vaccine Janssen ®
Schon mit der Erteilung der Zulassung Ende Januar 2021 geriet der Vektor- basierte COVID-19-Impfstoff AZD1222 (Vaxzevria®) der Universität Oxford in Großbritannien und der schwedischen
Die COVID-19 Vaccine Janssen® (COVID- 19-Impfstoff Ad26.COV2-S [rekombinant]) ist der vierte Corona-Impfstoff in der EU (s. Tab. 1) und der erste, der nur einmal
12 / AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal
DR. HELGA BLASIUS
TABELLE 2: Impfstoffe im Rolling Review durch die EMA (Stand: 6. April 2021).
häufige COVID-19-Exposition) scheint NVX-CoV2373 schlagkräftig zu sein.
Name und Impfstofftyp NVX-CoV2373 (Proteinbasiert)
Entwickler
Zulassungen und Studien, Wirksamkeit
CVnCo
Novavax (USA)
Phase-III-Studie PREVENT-19 (NCT04611802) in den USA und Mexiko; nach vorläufigen Ergebnissen Wirksamkeit von 90,4 % Phase-III-Studie (NCT04583995) in UK; nach vorläufigen Ergebnissen Wirksamkeit von 89,3 % Globale Phase IIb/III-Studie HERALD (NCT04652102) und Phase-III-Studie mit der Universitätsmedizin Mainz an Mitarbeitern im Gesundheitswesen (NCT04674189); nach Zwischenergebnissen Wirksamkeit von 47 % Registrierung in Russland am 11. August 2020 Phase-III-Studie (NCT04530396); nach Zwischenergebnissen Wirksamkeit von 91,6 %
Der Impfstoffkandidat CVnCoV basiert auf optimierter, chemisch nicht-modi- fizierter mRNA, die für das präfusions- stabilisierte Spike-Protein des SARS-CoV- 2-Virus kodiert und wie die mRNA-Vakzine von BioNTech/Pfizer und Moderna in Li- pid-Nanopartikeln (LNP) formuliert ist. Im Dezember 2020 startete CureVac mit der zulassungsrelevanten Phase IIb/III-Studie HERALD mit mehr als 35.000 Teilnehmern in Europa und Lateinamerika. Nach ei- ner Zwischenanalyse der Studie, über die CureVac Mitte Juni informierte, konnte der Impfstoff in der Studie leider nicht überzeugen. Die Wirksamkeit der mRNA- Vakzine lag lediglich bei 47 %. Derzeit wird darüber spekuliert, ob eine zu niedrige Dosierung oder auch die Virusmutationen für das schlechte Abschneiden verant- wortlich sein könnten. Am 11. August 2020 hatte Russland den weltweit ersten COVID-19-Impfstoff mit Namen Sputnik V (Gam-COVID-Vac bzw. Gam-COVID-Vac Lyo) zugelassen. Als erster und bisher einziger setzt der Vek- torimpfstoff für die Erst- und die Booster- Impfung zwei unterschiedliche Vektorvi- ren ein, nämlich zunächst das Adenovirus 26 (Ad26), das auch für die Vakzine von Johnson & Johnson verwendet wird, und danach das Adenovirus 5 (Ad5). Damit sollen hinderliche Immunreaktionen auf die erste Dosis umgangen werden. Das Immunsystem kann nämlich auch An- tikörper gegen die Adenoviren bilden. Werden bei der zweiten Impfung die glei- chen Viren als „Genfähren“ eingesetzt, so besteht die Gefahr, dass sie schon vor Er- reichen ihrer Zielzellen eliminiert werden, womit die Booster-Wirkung der zweiten Dosis zumindest abgeschwächt werden könnte. 6 Die Registrierung des Impfstoffs in Russland hatte weltweit heftige Kri- tik ausgelöst, denn sie war offensichtlich noch vor Beginn der breiten klinischen Erprobung erteilt worden. Erst im Sep- tember 2020 startete eine Phase-III-Studie (NCT04530396) mit 40.000 Teilnehmern. Am 2. Februar 2021 wurde im Lancet eine Interimsanalyse der Studie an knapp Überstürzte Zulassung von Sputnik V
CVnCoV mRNA
CureVac (Deutschland)
Gam-COVID-Vac Sputnik V) (Vektor-Impfstoff)
lokal möglich
20.000 Probanden, von denen rund 15.000 den Impfstoff erhalten hatten, publiziert. 7 Hiernach soll der Impfstoff eine Wirksam- keit von 91,6 % haben.
Empfehlungen der STIKO für die Impfabstände
Auf der Basis der Zulassungen und der vor- liegenden Wirksamkeitsdaten empfiehlt die STIKO einen Impfabstand von • sechs Wochen für mRNA-Impfstoffe (BioNTech/Pfizer, Moderna) und • neun bis zwölf Wochen für den Vek- tor-basierten Impfstoff von Astra- Zeneca (Stand: 7. Empfehlung). In den Zulassungen werden für die Impf- stoffe andere Vorgaben ausgewiesen (Tab. 1). Die STIKO begründet ihre Emp- fehlung mit Erkenntnissen aus den Zu- lassungsstudien. Hiernach soll bereits die erste Impfung einen relevanten Schutz auslösen, der ohne Wirkverlust über meh- rere Wochen anhält. Zu anderen planba- ren Impfungen soll ein Mindestabstand von 14 Tagen vor und nach jeder COVID- 19-Impfung eingehalten werden. Notfall- impfungen sind davon ausgenommen. Laut STIKO-Empfehlung sollte eine begon- nene Impfserie gegenwärtig immer mit demselben Produkt abgeschlossen wer- den. Eine Ausnahme gilt für die Impfung von Personen, die bereits eine erste Dosis von Vaxzevria® erhalten haben. Für sol- che Fälle empfiehlt die STIKO (Stand 1. Juli 2021) als Zweitimpfung eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs, wobei nach ärztlichem Ermessen hiervon abgewichen werden kann. Nach aktuellen Studienergebnis- sen sei die Immunantwort nach hete- rologem Impfschema (Vaxzevria®/mR- NA-Impfstoff) der Immunantwort nach Impfserie immer mit dem gleichen Impf- stoff – außer bei Vaxzevria ®
Wirken die Impfstoffe gegen die neuen Varianten?
Laut RKI ist aktuell (Stand Anfang April 2021) davon auszugehen, dass die verfüg- baren Impfstoffe auch gegen die neuen Varianten wirksam sind. Dadurch, dass sie gegen viele unterschiedliche Bereiche (Ep- itope) des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 neutralisierende Antikörper sowie eine T-Zell-Immunität induzieren, dürften ein- zelne Mutationen in der Regel keinen sehr großen Einfluss auf die Wirksamkeit der Impfstoffe haben, so die Sichtweise des RKI. Für die „britische“ Linie B.1.1.7 zeigten sich in verschiedenen Studien bislang nur geringe bis mäßige Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Impfstoffe. Dies betrifft sowohl den Vektor-basierten Impfstoff Vaxzevria® (AstraZeneca), 8 als auch die mRNA-Impfstoffe Comirnaty® bzw. die COVID-19 Vaccine von Moderna. 9 Die bis- lang in Europa nur sehr selten nachgewie- senen Linien B.1.351 bzw. P.1 tragen weite- re Mutationen (z. B. auch in der wichtigen Rezeptorbindestelle), die die Wirksam- keit der Impfstoffe deutlicher reduzieren könnten. Moderna prüft bereits einen va- riantenspezifischen Booster-Kandidaten namens mRNA-1273.351, basierend auf der „südafrikanischen“ B.1.351-Variante, sowie einen multivalenten Booster-Kan- didaten mit Namen mRNA-1273.211, der Modernas zugelassenen Impfstoff mRNA- 1273 und mRNA-1273.351 in einem einzi- gen Impfstoff kombiniert.
AKWL Fortbildung Aktuell – Das Journal / 13
Made with FlippingBook Annual report maker