Fortbildung aktuell [ Das Journal ] 4/2017

MOTIVIERENDE GESPRÄCHSFÜHRUNG

Atmosphäre geprägt sind, braucht aber nicht zwingend mehr Zeit, eher ist – mit einiger Übung und zielführender Routi- ne – das Gegenteil der Fall. Dabei sind die Möglichkeiten eines Einstiegs kleinschrit- tig und breit gefächert gegeben. Das MI kann • im normalen Umfang des Beratungs- gesprächs wie in unserem gewählten Beispiel der Raucherentwöhnung • in wiederkehrenden Gesprächen mit chronisch erkrankten Patienten, bei- spielsweise zur Ernährungsumstellung für den HbA 1c /Harnsäurewerte, Ge- wichtsabnahme bei Übergewicht oder für Konditionstraining bei Atemwegs- oder Herzkreislauferkrankungen • im Rahmen von Medikationsanalyse (MA) oder Medikationsmanagement (MTM) mit mehr Zeit und terminierten Gesprächen • oder in vielen anderen Szenarien des Versorgungsalltages, die den Patien- ten zu einem veränderten Verhalten geleiten, zum Einsatz kommen. Das MI wurde von Therapeuten entwi- ckelt, die erkannten, dass Verhaltensän- derungen nicht mit der Brechstange, also nicht unter Zwang herbeizuführen sind. Der neue Ansatz stellt die Eigenmotivati- on des Patienten in den Vordergrund und erforscht diese gezielt, um sie als Antrieb zur Verhaltensänderung zu nutzen. Auch wenn die Methode ursprünglich für die Situation der Therapiesitzung entwickelt wurde, kann sie in adaptierter Form im Ursprung und Entwicklung der motivie- renden Gesprächsführung

Apothekenalltag zur Anwendung kom- men. Mit zunehmender Übung wird die Methode auf eine immer größere Zahl von Alltagssituationen anwendbar und es er- schließt sich ein immer größerer Kreis von Patienten, die aus Impulsen für Ihre Thera- piegestaltung durch uns zusätzlichen Nut- zen ziehen können. Der Arzt erkennt die Erkrankung und legt die Medikation fest, ich erkläre die Medi- kation, der Patient willigt ein und gesun- det. So einfach der ideale Ablauf klingt, so schwer, vielschichtig und hindernisreich ist der Weg, den der Patient zurücklegen muss, um das als sinnvoll erklärte Ziel zu erreichen. Wenn eine Diagnose und ein Therapieplan vorliegen, muss der Patient die neue Situation erst einmal meistern und innerlich nachvollziehen. Oftmals stellt eine Krankheit für Ihn einen Ein- schnitt, eine radikale Veränderung dar, die in sein Weltbild und die Wahrnehmung seiner selbst vielleicht gar nicht hinein- passt (Comic  A). Die Grundhaltung und Methoden des MI (nach Rollnick, Miller und Butler, s. Tipps zur Vertiefung) (abgekürzt als RULE , DARN ) wirken darauf hin, dass die Antennen das Patienten auf Empfang ge- stellt sind und können nur dann Früchte tragen. Verfehlt das als Beratung angeleg- te Gespräch den nicht empfangsbereiten Patienten, handelt es sich nur um gespro- chene Informationen, die ohne heilsame Auswirkung verhallen. Beratung ist von der reinen Information meilenweit ent- fernt. Wir wollen den Patienten – in einem strukturierten Prozess – von dort abholen, Heilung auf Rezept ist nicht möglich

insbesondere auf die Entwicklung einer tragfähigen Verhaltensänderung zielen wir mit den Methoden des MI ab. Wir sind aufgrund unseres Hinter- grundwissens, unserer persönlichen Prä- senz, der niederschwelligen Erreichbarkeit und des Vertrauensverhältnisses zum Pa- tienten in einer guten Position, um uns an der Therapie zu beteiligen, indemwir dem Patienten helfen, die Therapiehemmnisse wahrzunehmen, ihre grundsätzliche Lös- barkeit zu erkennen und diese in einem geleiteten Prozess zu überwinden. Wir können einen Verhaltensänderung ini- tiieren, unterstützen und kontinuierlich fördern. Damit wir diese Therapiehemmnisse mit Hilfe des MI bearbeiten können, muss es sich umProbleme handeln, die aus dem Patienten heraus entstehen. Hierzu zäh- len beispielsweise Bedenken unterschied- lichster Art, Verständnisschwierigkeiten, Ambivalenzen, sowie bewusste oder un- bewusste innere Konflikte. Die konstruktive Grundhaltung und die flexibel einsetzbaren Fertigkeiten, die wir für das MI trainieren, werden uns ganz nebenbei auch bei der Lösung von Proble- men helfen, die den Patienten betreffen, aber ihre Ursachen außerhalb seiner Per- son haben: die Vermittlung und friedliche Umschiffung von Problemsituationen wie Lieferverzug, Änderungen im Medi- kationsplan oder erklärungsbedürftige Störungen der Versorgungskontinuität (durch Anpassung des Festbetrages, Ra- battverträge usw.). Wir befinden uns im Kern des MI in ei- ner Therapiebegleitung. Diese intensivere Beschäftigung mit dem Patienten erfor- dert Gespräche, die von einer bestimmten

COMIC A: Beginn des Medikations- und Therapieprozesses: Ein Patient mit Leidensdruck sucht den Arzt auf. Untersuchung, Diagnos- tik und Verschreibung folgen. Der Patient steht am Beginn seines Weges zur Genesung.

Zeichnung: Christine Weber

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